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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

und wenn ich nicht die Stückpforten gesehen hätte, hätte ich kaum geglaubt, ein solches vor mir zu haben. Unverhältnißmäßig hohe Masten auf einem Rumpf, der mehr einem oblongen Waschtubben ähnlich sah, als dem einer schmucken Corvette, dazu schlottrige Wanten und das laufende Takelwerk so wenig straff angezogen, daß das seemännische Auge dadurch beleidigt wurde, alles das mußte einem alten See- und Seekriegsmann keine hohe Meinung von ihrer Seetüchtigkeit einflößen. Sie lavirte langsam bei mäßigem Gegenwind heran, und so oft sie umlegte, sah man, daß ihre Manöver nur langsam und mit schwachen Kräften ausgeführt wurden, was mir mein alter Freund dadurch erklärte, dieses sei ein Uebungsschiff und habe nur wenig alte Matrosen an Bord, der Dienst würde von halbwüchsigen Seecadetten gethan. „Daraus könnt Ihr sehen,“ fuhr er fort, „wie wenig man in Danzig von der Marine versteht, da man sich kein Gewissen daraus macht, einen solchen alten Kasten mit unerfahrener junger Mannschaft im Herbste den Stürmen des Kattegats und der Nordsee preiszugeben. Und doch bilden sich diese Pickelhauben ein, sie könnten es mit dem Dannebrog aufnehmen. Ihre Kriegsschiffe mögen gut genug sein, schmutzigen Spionen- und Höflingsdienst für Franz II. zu thun, aber Breitseiten werden sie nie austauschen können; die preußischen Junker denken wie die Juden: das Wasser hat keine Balken.“

Nachdem der alte Seemann auf diese Weise seinem Herzen Luft gemacht hatte, kehrten wir nach Christianshaven zurück, wo wir bei einem Glase Grog gemüthlich fortplauderten. Gegen Abend ging ich an Bord, wo ich Morton noch nicht vorfand; ich gab dem Bootsmann und dem Segelmacher noch einige Befehle und begab mich dann in mein Stateroom, theilweise um das Schiffsjournal in Ordnung zu bringen, theilweise um mein eigenes Tagebuch, das ich stets sorgsam führte, mit dem Erlebten zu bereichern.

Mitten im Schreiben wurde ich durch ein Geräusch unterbrochen und ich hörte, daß der Steward zwei Fremde in die Kajüte führte, wo sie den Master erwarten wollten. Ich schenkte diesem Umstande erst wenig Aufmerksamkeit, als ich plötzlich an ihren Stimmen erkannte, daß diese Herren die mysteriösen Besucher Morton’s waren. Da ich dicht in ihrer Nähe war, nur durch eine dünne Breterwand getrennt, so konnte ich jedes Wort verstehen. Sie sprachen absichtlich deutsch, weil sie vermutheten, von der Mannschaft verstände keiner diese Sprache; sie hatten weder eine Ahnung, daß ich in ihrer unmittelbaren Nähe sei, noch daß ich als geborener Pennsylvanier jedes Wort verstehen könnte. Als ich den Namen Amazone mit Morton in Verbindung gebracht hörte, wurde ich doppelt aufmerksam und suchte meinem Gedächtnisse, wenn nicht gerade alle Worte, doch den correcten Sinn derselben einzuprägen. Der Eine hatte einen unangenehm scharfen Dialekt, ich will ihn daher den Schnarrenden nennen; der Andere sprach süßlich und salbungsvoll, wie ein Baptistenprediger, ich will diesen daher als den Schmelzenden bezeichnen.

„Aber, mein Verehrtester,“ begann der Schnarrende, „wann haben Sie dann den Baron zuletzt gesehen?“

„Erst vorgestern in Fredensborg,“ antwortete der Schmelzende, „wo er mit der Gräfin *** eine lange Unterredung in Bezug auf unsere Angelegenheit hatte. Die hohe Dame hätte sich sehr beifällig geäußert, sagte er, und wenn wir unser Unternehmen durch Morton zu Stande brächten und für die strengste Discretion einständen, so könne uns der Dannebrogorden nicht fehlen. Der Baron setzte hinzu, weiter könne sich sein Hof nicht mit der Sache befassen, man habe die Werften von Nyholm zur Disposition gestellt, das sei genug. Herr Hall sei zu rechtschaffen; wenn er etwas davon erführe, würde er Morton in Eisen legen lassen.“

Der Schnarrende: „Herr Hall ist ein bürgerlicher Parvenü, er kennt keine nobeln Gefühle; er sollte wissen, daß die neue Schöpfung der Marine unserer Partei ein Dorn im Auge ist und daß wir in dem Ausbau derselben nur ein Manöver der Demokratie sehen, um das gute alte feudale Preußen in den Schwindel der Revolution hinein zu reißen; deshalb sollte ich meinen, daß dänische Staatsmänner jedes Ereigniß, das dazu beiträgt, unserm König und dem Prinzen die Schöpfung einer Seemacht zu verleiden, mit Freuden begrüßen, wenn sie auch die Connivenz ablehnen. Denn da das Interesse Dänemarks es nie erlauben kann, daß Preußen sich zu einer Seemacht entwickele, und da die Feudalpartei unseres Landes in einer solchen eine gefährliche Neuerung sieht, so ist ja beiden Parteien gedient, wenn man dieselbe im Keime erstickt.“

Der Schmelzende: „Darin haben Sie vollkommen Recht; wie schwer wird es schon, die bürgerlichen Elemente in der Armee zu majorisiren, und nun sollen wir diesem Volk einen so großen Einfluß im Staate einräumen! Ja, wenn sie alle so wären, wie der Capitain Kühn; der war hübsch demüthig und bescheiden und ehrte in Franz dem Zweiten unser Princip. Dieser Lieutenant Herrmann aber von der Amazone soll mit der liberalen Partei coquettiren; er hat sich sogar geweigert, in See zu gehen, weil das Schiff nicht mehr tüchtig sei und er die Verantwortlichkeit für das Leben der Seecadetten nicht auf sich nehmen wolle; erst gemessene Befehle von Berlin konnten ihn dazu bewegen.“

Der Schnarrende: „Was diese Menschen doch für einen Instinct haben!“

Der Schmelzende: „Wahrlich, Freundchen, wir treiben diesmal die gewagteste, aber die ehrenvollste Diplomatie, denn so im Stillen der guten Sache dienen, dem demokratischen Institut einen Genickfang geben, von dem es sich so leicht nicht wieder erholt, das ist eine diplomatische That ohne Gleichen, und einen hohen Orden für solche Verdienste erhalten, ist doch immer ehrenhafter, als für gewöhnliche Hofdienste. Nur Eines macht mir Sorgen, daß der Coup mißlingt und der König oder der Prinz Wind davon bekommt. Wenn Seine Majestät auch im Grunde des Marineetats überdrüssig sind, so würde man sich höchsten Ortes doch sehr erzürnen und unsere gut gemeinten Dienste für nichts weniger als loyal betrachten und darnach handeln.“

Der Schnarrende: „Befürchten Sie Nichts, mein Verehrtester. Morton ist uns gut von St. Petersburg aus empfohlen, er ist gewiß der Mann dazu, sein Wort zu halten. Außerdem ist er ja ganz in unserer Hand, da er die Hälfte der stipulirten Summe erst nach vollbrachter That erhält. Doch still; ich glaube, er kommt.“

Ich hörte in diesem Augenblicke Morton gewaltig fluchen, weil ihm die Deckwache keine Laterne an die Fallreepstreppe gestellt hatte; er schien etwas angetrunken zu sein und trat geräuschvoll in seine Kajüte, wo die Fremden seiner harrten. Ich blies schnell mein Licht aus, legte mich in das Bett und that, als wenn ich schliefe.

„Endlich!“ sagte einer der Herren in deutscher Sprache, „wir dachten schon, daß Mr. Morton sich anders besonnen hätte.“

„Ein ordentlicher Mann hält auf sein Wort,“ antwortete Morton; „doch bevor wir weiter reden, erlauben Sie einen Augenblick, daß ich sehe, ob wir sicher sind.“

Bald darauf öffnete sich die Thür meines Staterooms, und Morton leuchtete vorsichtig hinein, um zu sehen, ob ich fest schliefe. Ich that natürlich, als wenn ich selbst durch die Trompeten Jericho’s nicht geweckt werden könnte, und schnarchte wie ein Irländer, der seine volle Ladung Whisky genommen hatte. Beruhigt zog er sich zurück.

Das Gespräch in der Kajüte wurde nun leise fortgeführt, und ich verstand bald, daß von Geld die Rede war. Ich hörte das Knittern von Banknoten und Morton’s dumpfe Stimme: das sind 10 Hundertpfundnoten, all right, aber wie steht es mit dem Wechsel?“

„Hier ist er,“ flüsterte die Stimme des Schnarrenden; „wenn Sie die eingegangenen Verpflichtungen getreulich erfüllt haben werden, können Sie die andern 1000 Pfund sofort auf Sicht von unserm Banquier in London ziehen.“

„Der Handel ist abgeschlossen, basta, that will do!“ versetzte Morton, „nur Eines wünschte ich mir, daß wir nämlich recht stürmisches Wetter in der Nordsee finden möchten; denn wenn es recht ordentlich weht und es passirt Etwas, so wird man um so weniger Verdacht schöpfen, da dann auch schon bessere Schiffe in den Hafen einlaufen, von wo sie nie zurückkehren.“

„Die Lootsen von Helsingör sagen ja,“ meinte der Schmelzende, „daß es um diese Jahreszeit immer im Kattegat und in der Nordsee stürmt; übrigens, wann wollen Sie segeln?“

„Wir können schon morgen früh oder morgen Mittag in See stechen,“ entgegnete Morton, „da wir Alles geordnet haben. Die alte Schnecke werden wir bald genug einholen, jedenfalls wird sie bei Kronenburg Anker werfen, da wollen wir sie uns ein bischen näher beschauen. Bei Anbruch des Tages will ich Alles klar machen lassen, und mit der Strömung, die jetzt günstig ist, werden wir bald im Sund sein. Aber, meine Herren, nun ein Glas zum Abschied. Heda, Steward!“ schrie er laut, „Hund von einem Jungen, schläfst Du schon? Wart, ich will Dir Beine machen!“

Bald darauf hörte ich das Klirren von Gläsern, das Knallen

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