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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

einer Holzwand eingefaßtes Feld, zu dessen Decoration 600 Tannen, 300 Fichten und 100 Birken aus unserm Stadtwalde wandern. Er wird mit einer Gaseinrichtung, Wasserleitung und Springbrunnen versehen. An seiner Nordseite ziehen sich die 1170 Fuß langen und 50 Fuß breiten (ungefähr ebenso lang, freilich viel breiter, ist das Londoner Ausstellungsgebäude) Schießstände hin, an der Ostseite eine große, für 100 Personen eingerichtete Badeanstalt, die Festhalle und hinter derselben die 180 Fuß lange und 80 Fuß breite Küche mit vielen geräumigen Nebenlocalitäten zum Anrichten, Tranchiren, Spülen etc. Es lohnt der Mühe, einen Blick in die großartigen Einrichtungen der Küche zu werfen, die nun beinahe vollendet ist. Sie ist mit eigener Dampfmaschine und laufendem Wasser versehen. Vier kolossale Heerde, von denen einer zwanzig Riesenkessel und acht Bratöfen enthält, sind im Stande, täglich fünfundzwanzig Kälber und vier schwere Ochsen nebst fünfzehn Centner Kartoffeln und grünem Gemüse zu braten und zu kochen. Eine kleine Beilage auf das Gemüse erfordert drei bis vier Centner Bratwürste, dürres Schweinefleisch, Häringe oder dergleichen. Salat werden ungefähr 30,000 Köpfe bestellt. Ein Conditor hat sich verpflichtet, täglich 400 Stück große Torten zu liefern. Der Mittagstisch, zu dem die Karten jedesmal bis um zehn Uhr Vormittags gelöst sein müssen, ist warm und kostet mit einer halben Flasche Schützenwein 1 fl. 24 Kr. Die Küche ist im Stande, am Abend 10,000 Portionen, wovon ein Fünftel warm, abzugeben. Das Bäckerhandwerk hat die tägliche Lieferung von 16,000 Stück Brödchen, sowie 1000 dreipfündigen Broden übernommen. Das Metzgerhandwerk wird für den Consum der Festhalle 300 Kälber aus der Ferne kommen lassen, um die Preise in der Umgegend nicht in die Höhe zu treiben. Im Keller soll ein täglicher Umsatz bis auf 30,000 Flaschen Wein, sowie einer ebenso großen Anzahl Seidel Bier möglich gemacht werden. Diesen Zahlen entsprechend ist natürlich auch das aus beinahe 500 Personen bestehende Bedienungspersonal (Beamte des Beimanns, der Controle und der Cassa, Köche, Kochfrauen, Sectionschefs, Aufwärter, Metzger, Küfer, Mädchen für Zurichten der Gemüse und Reinigen der Tafelservice, Tagelöhner etc.), für welches ein vorzüglich organisirter Dienst mit streng vorgeschriebener Hausordnung eingerichtet und bereits publicirt ist. Und diesem Riesentreiben sehen die Wirthe der eidgenössischen Schießen, welche die Festwirthschaft in Frankfurt übernommen haben, laut eines früheren Schreibens derselben „in der Hoffnung auf günstiges Wetter und heitere Feststimmung mit aller Ruhe entgegen.“ Man sieht also, für die materielle Seite des Festes ist glänzend gesorgt – möchte ihm auch die geistige entsprechen!

Kehren wir jedoch von der Küche in die Festhalle zurück, welche dem Leser in nächster Nummer in Abbildung vorgeführt wird. Ein imposanter und stolzer, schon von Weitem sichtbarer, sehr hoher Holzbau, besteht sie aus einem Längsschiff von 400 Fuß und einem Mittelschiff von 100 Fuß, welche zusammen eine Kreuzesform bilden. Dem Hauptschiff entlang laufen niedrigere Seitenhallen. Das ganze Holzwerk ist von innen und außen dicht mit Moos, Laubwerk, Festons und Blumen verkleidet. Die Tragsäulen sind mit schwarz-roth-goldenen Fahnen und den Wappen sämmtlicher Bundesstaaten decorirt.

Die ganze innere Halle ist in einen blühenden Garten mit rauschenden Cascaden und kühlenden Springbrunnen verwandelt. Von ihrer offenen, nur mit leichten Leinwandhüllen versehenen Hauptfronte aus übersieht man bequem den ganzen Festplatz. An der innern Seite des Längsschiffes laufen Gallerien hin, während an den beiden Enden des Mittelschiffes weite Tribünen für die Orchester, die Productionen der Gesangvereine etc. angebracht sind. Unter denselben befinden sich vier vom Historienmaler Lindenschmitt ausgeführte Gemälde, welche vier Hauptschlachten darstellen, in denen die Deutschen den äußeren Feind zurückschlugen: die Schlacht im Teutoburger Wald gegen die Römer, die Schlacht im Lechfeld gegen die Ungarn, die Schlacht bei Wien (1683) gegen die Türken und die Schlacht an der Katzbach gegen die Franzosen. Die zwischen diesen Schlachtgemälden angebrachten Bilder von Armin, Karl dem Großen, Otto I., Prinz Eugen, Stein und Blücher sollen außerdem die Hauptrepräsentanten der Freiheitskämpfe der Deutschen darstellen. Im äußeren Giebelfelde des Mittelschiffes ist Germania, unter ihre Söhne die Waffen vertheilend (von Maler Hausmann) abgebildet.

Setzen wir unsere Wanderung über den Festplatz fort, so finden wir auf der Südseite desselben die 300 Fuß lange Bierhalle, den Verkaufsbazar, die Post- und Telegraphenbureaux, Localitäten für die Feuerlösch- und Wachmannschaften, Zimmer für die Aerzte und das Preßbüreau. In der Mitte des Platzes erhebt sich der in gothischem Styl ausgeführte 64 Fuß hohe, mit den Fahnen sämmtlicher Schützenvereine und der von Bildhauer Nordheim in Gyps ausgeführten Statue der Germania gezierte Gabentempel. Ihm gegenüber an der Westseite öffnet sich die in reichem schwarz-roth-goldnem Fahnenschmuck wie alle Festgebäulichkeiten prangende Eingangspforte. Auf einem zweiten, viel größeren und ohne Eintrittsgeld Jedermann zugänglichen Festplatze, welcher dicht an den ersten stößt, auf der sogenannten Bornheimer Haide, werden der Circus Suhr und Hüttemann und die sämmtlichen Volksbelustigungen, sowie eine große Anzahl von Restaurationen und Gartenwirthschaften concentrirt sein.

Haben wir den Leser der Gartenlaube sonach mit dem Schauplatze des ersten deutschen Bundesschießens, das am Sonntag den 13. Juli mit einem glänzenden Festzuge beginnt, einigermaßen bekannt gemacht und ihn auf dasselbe vorbereitet, so können wir demselben jetzt, wie die Schweizer Festwirthe, „in der Hoffnung auf günstiges Wetter und heitere Feststimmung in aller Ruhe entgegensehen“ und werden nicht verfehlen, ihm später alles weiter Wissens- und Mittheilenswerthe und den ganzen Verlauf des Festes zu referiren. Möge der Geist, der es in’s Leben gerufen, über dem ersten Bundesschießen segnend walten!




Aus den Tyroler Bergen.

Nr. 1. Der Curort Meran.

Es giebt einen gewissen Grad von Naturschönheit, der auf das Gemüth feinfühlender, gebildeter Seelen einen Eindruck macht, als ob hier der Heimathsboden all ihrer stillen Träume, ihrer phantastischen Vorstellungen und idealsten Wünsche gefunden wäre. Gegenden, wo diese seltene Empfindung herrschend wird, zeichnen sich nicht sowohl durch imposante Formen und kühne Naturphänomene, als durch ein harmonisches inniges Zusammenwirken all ihrer Einzelheiten aus.

Als ein solcher Urboden sehnsüchtiger Naturträume erscheint dem Reisenden Meran. Es ist ohne den farbenreichen Pinsel des Malers schwierig, von einer merkwürdigen Gegend ein anschauliches Panorama zu entrollen. Während der Maler alle Eindrücke neben einander stellen und mit einem Male dem Auge faßlich machen kann, vermag das Wort nur nach einander im Geiste des Lesers Vorstellungen zu erwecken, welche endlich das Gesammtgemälde zusammenbauen. Der einzige Vortheil ist, daß die erzählende Schilderung, weil sie die leiblichen Augen und ihre optischen Gesetze nicht zu berücksichtigen braucht, auch hinter die Büsche schauen, durch die Berge bis in die Nebenthäler hindurchblicken, mit einem Wort, um die Ecke sehen kann.

Unter allen Thälern der gesammten Alpenwelt zeichnen sich vorzüglich vier durch die Länge und Bedeutung ihres geschlossenen Bergcharakters aus: das Rhonethal, das Rheinthal, das Innthal und das Etschthal. Während das Innthal von keinem andern an Größe und Gewaltigkeit erreicht wird, da es sich im ungeheuersten Landschaftswechsel von Silva Plana in Graubünden bis dicht vor Rosenheim in Baiern dahin zieht: bietet das Etschthal die größten Gegensätze durch seine klimatischen Verhältnisse. Hierin steht es einzig da, denn noch unter dem Namen des oberen Vintschgau bei Reschen beginnend und ganz von der eisigen Düsterkeit einer nordischen Gletscherwelt im höchsten Styl umgeben, von der gigantischen Nachbarschaft des Ortler und der Laaser Ferner überragt und durch die steilen Vorberge der Oetzthaler Gletscherwelt eingeengt, geht es allmählich bei Mals in die mittlere Alpentemperatur des unteren Vintschgaus über, fällt dann bei der Töll in einen warmen, sonnigen Bergkessel hinab und erstreckt sich von hier aus unter dem wirklichen formellen Namen „Etschthal“, den Lauf von Mitternacht nach Mittag richtend, über Botzen, Trient, Roveredo und die Chiusa bis nach Verona. Wer die Etsch von

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 443. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_443.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)