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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

hereingebrochen, taumelten wir doch wie Betrunkene auf gut Glück weiter. Von Zeit zu Zeit gab unser Führer Signale mit Pistolenschüssen. Eine alte Frau, die sich mit uns im Wagen befand, wäre trotz der kurzen Strecke rettungslos verloren gewesen, wenn wir sie nicht mit uns fortgeschleppt hätten. Trotzdem, daß ich meinen Pelz weggeworfen hatte, der mir das Waten in dem knietiefen, weichen Schnee unmöglich machte, und ich nur einen Rock anhatte, lief mir der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Endlos schien der Weg, als zu unserer Freude ein allerdings heiseres Hundegebell die Nähe einer Menschenwohnung hoffen ließ. „Das sind nicht Hunde,“ meinte ganz ruhig der Conducteur, „das sind Wölfe.“ Auch eine schöne Aussicht! Vorwärts, tappend, stürzend, sich aufraffend, blindlings vorwärts! Mit welchem Gefühle wir eine Stunde später am überheizten Ofen, bei einem Glase elenden Punsches saßen, wie nektargleich uns das miserable Getränk mundete, kann nur der fühlen, der in ähnlicher Situation sich befand. Zwei Tage mußten wir warten, bis der Sturm sich gelegt hatte, die Wege nur etwas fahrbar geworden waren. Zum Glück hatte einer der Reisenden Whistkarten bei sich. Die präsentirte Rechnung unsers braven Posthalters ließ uns zweifelhaft, ob wir nicht ein paar Tage, statt in einem russischen Walde, in den berühmten böhmischen Wäldern gehaust hätten.




Das erste deutsche Bundesschießen in Frankfurt a. M.

Von Dr. Karl Wagner.
2. Der Einzug der Gäste.

Unser Schützenfest hat eine ganze Geschichte, eine Leidensgeschichte, deren Abschluß freilich jetzt, nachdem ein Theil desselben verlaufen ist, ein recht glücklicher und segenverheißender geworden ist. Zuerst hatten wir mit den Menschen zu kämpfen und dann mit den Elementen. Es schien sich Alles wider das Fest verschworen zu haben, und daß es dennoch so herrlich zu Stande gekommen, beweist nur, wie sehr es dem deutschen Volke, wie sehr unserer Vaterstadt an’s Herz gewachsen war und welch eine große Rolle es in der Culturgeschichte Deutschlands zu spielen berufen ist.

Das deutsche Bundesbanner.
Vordere Seite.

Der erste Unfall, welcher das Fest betroffen, war der bekannte und auch in der „Gartenlaube“ schon kurz berichtete Zwist, welcher wegen der angeblichen Einladung der Italiener zum Nationalschießen auszubrechen gedrohte hatte. Als diese Schwierigkeit beigelegt war, traf ein viel schwererer Schlag das Fest.

Schon war in der Woche vor dem Feste Alles auf’s Beste gerüstet und zum Empfange der Gäste vorbereitet. Am 5. Juli ward die von den Schweizer Gastwirthen Guggenbühl und Hafner übernommene Festwirthschaft mit einem für die Comitémitglieder und deren Familien arrangirten Probebanket eröffnet. Dieser Abend erregte die schönsten Hoffnungen für das Gelingen des Festes. Obgleich die Einrichtung noch nicht ganz vollendet war, machte die Festhalle doch einen überaus freundlichen und angenehmen Eindruck. Dazu war das bisher regnerische und unbeständige Wetter gewichen, und eine herrliche, laue Sommernacht, wie sie schöner in diesem Jahre kaum da war, hielt eine heitere Gesellschaft bis nach Mitternacht vereinigt. Da kam der verhängnißvolle Sonntag, der 6. Juli. Den ganzen Vormittag über war noch das herrlichste Wetter von der Welt. Glühend heiß brannte die Sonne vom Himmel und lockte Tausende hinaus auf den Festplatz. Um halb zwei Uhr fand ein großes öffentliches Probebanket statt, zu dem Jedermann aus der Stadt Zutritt hatte. Ueber 2000 Personen wohnten demselben bei. Es war eben beendet, als gegen 4 Uhr ein kleiner Regenschauer einen Theil der auf dem Festplatze Versammelten in die Halle trieb. Nicht lange dauerte es, so verwandelte sich der Regen in einen förmlichen Wolkenbruch, der ganze Himmel überzog sich tiefschwarz und ein furchtbarer orkanartiger Sturm brauste über die Fläche hin, rüttelte an den Säulen der Halle, verfing sich in den Segeltüchern, welche zum Schutze wider die Sonne angebracht waren, zerriß die ängstlich hin und her flatternden Fahnen und jagte Hüte, Schirme und Kleidungsstücke

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_492.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)