Seite:Die Gartenlaube (1862) 502.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

– denn wie sollten, nach unserer Ansicht, Elephanten in diese Gegend kommen? – Beim weiteren Vorrücken trat jedoch Gewißheit über die Erscheinung ein. Ueberall lagen Zweige und junge Bäume geknickt umher, und sogar einige Fährten wurden im lehmigen Sandboden gefunden.

Als wir am dritten Tagmarsch jedoch die Mensahochebene betraten, verloren wir jene Spuren wieder, und es erschien uns wahrscheinlich, daß nur eine Abtheilung Elephanten quer das Mensathal überschritten habe. – Da wir mehrere Tage in Mensa verweilten und die näher liegenden Gebirge mit unermüdlichem Eifer pirschend durchstreiften, so wurden wir bald mit den Eigenthümlichkeiten oben erwähnter Elephantenzüge bekannt. Auch versicherten uns Eingeborene, daß in wenig Wochen jene merkwürdigen Thiere in der nächsten Nähe von Mensa selbst einen kurzen Aufenthalt nehmen würden. Genauere Nachrichten waren nicht zu erlangen, da sich kein eigentlicher Elephantenjäger in jener Gegend auftreiben ließ und die spärliche Bogosbevölkerung im Allgemeinen sich nicht mit Jagd abgiebt. Erst als wir Mensa verlassen und den Aimsaba überschritten hatten, trafen wir durch Zufall in Keren einen Elephantenjäger, der sich uns nur aus dem Grunde anschloß, um unseren in Mensa zurückgebliebenen Arzt über ein langjähriges Leiden zu consultiren. Diesem Zufall allein verdankten wir die Möglichkeit, mit jenen Ungeheuern in nähere Berührung zu kommen.

Nach Mensa zurückgekehrt, erhielt S. von mir den bestimmten Auftrag, die weiteren und ihm bekannten Gebirge zu durchsuchen, um über den jetzigen Aufenthalt der Elephanten womöglich Kunde zu erlangen. Bald kehrte er mit der freudigen Nachricht zurück, in der Entfernung von wenigen Meilen, an den steilen Hängen des Beit Shakhan, eines der höchsten Berge dieser Gegend, drei Trupps Elephanten gesehen zu haben, welche, sich ruhig äßend, wohl schwerlich die Gegend sobald verlassen dürften. Sofort wurde ein Jagdzug beschlossen. Meine Wenigkeit, mein Neffe Hermann S. und mein deutscher Jäger sollten den Vortrab bilden, um die Stellung der Elephanten auszumachen und darnach den Plan zum Angriff zu entwerfen. Mein zweiter Neffe, Eduard, mit dem englischen Consul, dem holländischen Baron und einem zweiten Elephantenjäger, den wir jetzt zufällig unter den Maulthierführern entdeckten, sollten uns etwas später folgen und an einem bestimmten Punkt mit uns zusammentreffen. Einige Lebensmittel nahm einer unserer deutschen Diener und ein Eingeborener auf ihren Rücken. Die übrige Gesellschaft der Jäger war theilweise unwohl, theilweise trauten sie nicht dem zweilfelhaften Unternehmen.

Um drei Uhr Morgens, beim herrlichsten Mondschein, brachen wir auf und stiegen ununterbrochen, nur einzelnen Wild- oder Elephantensteigen folgend, bis gegen neun Uhr aufwärts. Wir mußten die das Mensathal begrenzenden Berge überschreiten, um eine andere Gebirgskette zu erreichen. Nach einem kurzen Halt gewannen wir noch am Mittag die Höhen des Beit Shakhan, wahrscheinlich die Spitze des Merraraberges, die wir zwischen 8- und 9000 Fuß schätzten. Von hier aus wollte S. die Elephanten gesehen haben. Die Aussicht war allerdings weit genug. Ein Panorama lag vor uns, wie ich es nur an wenig Orten Tyrols und der Schweiz getroffen habe. Ein unabsehbares Meer grüner und brauner Berge in den schönsten und weichsten Formen, und doch auch wieder scharf gezeichnete Felsspitzen in pittoresken Gestalten vorstreckend, bot sich unseren Blicken im wunderbarsten Gemisch. In weiter Ferne nach Osten bezeichnete ein goldener Streif die Fluthen des rothen Meeres, nach allen übrigen Himmelsrichtungen reihten sich Gebirge an Gebirge, meist von gleicher Höhe. Wenn auch keine Elephanten getroffen werden sollten, so war das schwierige Besteigen jener Alpen schon hinreichend durch die unbeschreibliche Aussicht belohnt, deren wir uns hier zu erfreuen hatten. Ein kleiner Imbiß stärkte sowohl uns, als die jetzt mit uns vereinigten Freunde. Die Sonne war glühend, dennoch erfrischte uns ein kühler Luftzug, und ausgestreckt im hohen Gras, schwelgten wir in den Genüssen der Natur.

Da trotz des schärfsten Beobachtens mit unsern besten Gläsern nirgends an den Abhängen jene grauen Ungethüme zu entdecken waren, und ich schon stark zu zweifeln begann, ob nicht die ganze Erscheinung der Elephanten vielleicht eine Mythe sei, so schickte ich mißmuthig die beiden Elephantenjäger ab, um an tiefer liegenden Felshängen, die wir vermöge der Schatten und der eigenthümlichen Verschiebung der dortigen Gebirgsformation nicht gut übersehen konnten, nach unserem Wild zu forschen. Auf ein verabredetes Zeichen sollten wir dann der Richtung, welche die Jäger genommen hatten, folgen.

Es mochte wohl zwischen 2 und 3 Uhr sein, als ein für uns kaum hörbarer Ton das Ohr des uns begleitenden jungen Eingebornen traf. Wie eine Schlange schnellte die nackte schwarze Gestalt aus dem Gras empor, und die heftigste, sich in den wunderlichsten Gesten kundgebende Aufregung bewies uns, daß ein Zeichen von unten gegeben sei. Rasch wiederholte er einen pfeifend gellenden Schrei, der nun auch, von der leichten Alpenluft getragen, aus einem fernen, abgrundähnlichen Thalkessel zu unseren Ohren heraufdrang.

Wie mit einem Zauberschlag sprangen auch wir jetzt auf die Füße und griffen zu unseren Büchsen. Die reizende Aussicht war, wie die Müdigkeit, für uns verschwunden, die Sonnenstrahlen erschienen nicht mehr heiß, und ohne weiter zu überlegen, was eigentlich geschehen solle und was das Zeichen bedeute, trabte die ganze Gesellschaft über Steinblöcke und durch Dick und Dünn der Tiefe zu, aus der in abwechselnden Zwischenräumen das schon vorher gehörte Zeichen wiederholt wurde.

Der junge Mensaner, mit Schild und Speer an der Spitze, führte den Zug, und da ihn weder Kleidung noch seine Corpulenz am Laufen hinderten, so fiel er in ein wahrhaft gefährliches Tempo, für das nur die jüngsten Beine geschaffen zu sein schienen. Der englische Consul und unser deutscher Provisionsträger blieben bald zurück. Wir Uebrigen hielten aber, wie eine gute Meute Hunde, zusammen. Erst nach anderthalb Stunden trafen wir die beiden Elephantenjäger. Nur einige Hundert Schritt folgten wir ihnen und sahen schon, zum allgemeinen Entzücken, auf der gegenüber liegenden Bergwand, zwischen dem Gestrüpp und unter alten Enphorbienbäumen, Elephanten ruhig ihr Diner verspeisen. Auch in weiterer Entfernung gewahrten wir mit dem Glas einen größeren Trupp Elephanten an einem anderen Bergeshang.

Hier hätte nun ein Kriegsrath gehalten werden müssen, um, wie verabredet, vorher die Jagd zu besprechen. Hierzu ließen uns die aufgeregten Eingeborenen aber keine Zeit. S. ergriff mich beim Arm, schüttelte mich, als ob es gälte, Aepfel von einem Baume zu schütteln, wies mit grimmigen Geberden auf die unten äßenden Elephanten und riß mich mit sich fort. Hermann und mein Jäger folgten, während der andere Wilde Eduard und den Baron aufhielt, um in einer andern Richtung mit ihnen zu verschwinden. Wir konnten nur so viel entnehmen, daß die Jäger beabsichtigten, mich und Hermann pirschend an einen Elephanten zu bringen, während die anderen Herren an einem sicheren und gezwungenen Wechsel aufgestellt werden sollten. Später bewies sich meine Annahme als richtig.

Vorwärts ging es nun wieder in vollem Lauf durch Aloe, Cactus und Mimosen. Bald waren die ohnehin defecten Hemden und Beinkleider zerrissen, und die glühende Sonnenhitze badete uns im Schweiß. Mit einem Male hielt der Jäger an, schnitt mir ein wüthendes Gesicht und klopfte mit dem Lauf seiner riesigen Muskete auf meine Schuhe. Sein Wunsch war augenscheinlich der, von jetzt an die Pirsche – wie er ging, barfuß fortzusetzen. Aus meinen ebenso grimmigen Mienen und bezeichnenden Gestikulationen mochte er jedoch wohl entnehmen, daß die Sohlen unserer Füße nicht, wie die seinen, für Dornen und scharfe Steine geschaffen seien, und weiter ging es, eine Lehne hinab, durch einen ausgetrockneten Sturzbach hindurch und drüben einen steilen Graben hinauf. Wir folgten genau, in dem sonst undurchdringlichen Dickicht, den Windungen der kleinen Pfade, welchen die Ungethüme, sich vor uns äßend, augenblicklich getreten hatten. Noch eine Weile, und wiederum ging es eine Wand hinunter, und in langen Sätzen wollten wir eben die Felsen eines zweiten Sturzbaches überschreiten, als wir auf fünfzig Schritt vier Elephanten unter uns denselben Bach kreuzen sahen. Athemlos hielt Alles still. Ich riß meine Büchse an die Backen und wollte eben den größten der Elephanten auf’s Korn nehmen. Da fiel mir der Jäger in den Arm und machte solche furchtbare Grimassen, daß ich nicht anders glauben konnte, als er halte es noch für zu weit.

Die Elephanten, welche schlecht äugen, gingen unter uns vorüber. Kaum waren sie aber aus der entgegengesetzten Wand verschwunden, als das Rennen unmittelbar auf ihrer Fährte wieder begann. Hiernach schien es die Absicht des Jägers zu sein, die Thiere einzuholen und mit den letzten auf wenige Schritte zusammen zu kommen. Die Leidenschaft hatte uns Alle erfaßt und jeglicher

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_502.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)