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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Ueberlegung der drohenden Gefahr, in der wir uns befanden, beraubt. Kaum mögen acht Minuten vergangen gewesen sein, als wir, der vermeintlichen abwärts führenden Spur in langen Sprüngen von Fels zu Fels folgend, mit dem vordersten der Elephanten auf drei Schritt zusammentrafen. Die Thiere hatten einen auf uns zurück führenden Pfad eingeschlagen. Noch einen Schritt weiter, und wir wären sämmtlich verloren und zu Brei getreten gewesen.

Mit kühner Geistesgegenwart erfaßte der Jäger den Augenblick, und indem er einen gellenden Schrei ausstieß, stürzte er sich – gleich wie der Schwimmer von einem Springbret in das Wasser – von dem erhöhten Standpunkte etwa zehn Fuß tief in ein wildes Cactusdickicht hinein. Zum Besinnen hatten wir auch keine Zeit und machten fast instinctmäßig, den sicheren Tod vor Augen, das Manöver nach. Auf das Furchtbarste zugerichtet, drückten wir uns, wie ein Kitt Hühner unter einer Krautstaude, hinter einen Granitblock. Die Elephanten hatten, durch die wunderbare Erscheinung erschreckt, selber eine Bewegung halbrechts gemacht, dergestalt, daß sie uns schräg abwärts, in einer Entfernung von vielleicht zehn bis fünfzehn Schritt, jedoch ohne im Geringsten flüchtig zu sein, die Flanke zeigten.

Der Augenblick zum Handeln war gekommen. Der Jäger, Hermann und ich waren mit einem Sprunge beinahe zu gleicher Zeit auf dem Felsen, der uns gerettet, die Büchsen flogen an die Backen, und vier Spitzkugeln bohrten sich hinter das riesige Gehör des Ungethüms, Der Elephant war tödtlich getroffen. Er hielt an und stieß jenen durch Gordon Cumming so wohl beschriebenen Schmerzenston ans, und wäre die Lage nicht so mißlich gewesen, so hätten wir ruhig sein Verenden abwarten können. Hier galt es aber augenblickliche Vernichtung, und mit Büchsen à la Lefaucheur bewaffnet, ward es uns eine Leichtigkeit, in wenigen Minuten gegen vierzehn Kugeln dem schon wankenden Koloß hinter Blatt und Gehör zu senden.

Ein zweiter Elephant, durch das Schießen beunruhigt, kreuzte den Verwundeten. Auch er erhielt von Hermann eine Kugel auf das Blatt, welche ihm ebenfalls jenen Schmerzensschrei entlockte, aber nur dazu zu dienen schien, seine Flucht zu beschleunigen. Unser erstes Opfer schwankte noch einige Male, indem es sich langsam herumdrehte, hin und her. Da erhielt es aus der Muskete unseres Jägers, die vorher fünf Mal versagt hatte, den letzten Gnadenschuß durch’s Herz. Das Thier stürzte mit einem furchtbaren Getöse und rollte – wie ein Hase auf einem gefrorenen Abhang – die Bergwand wohl 500 Schritt hinunter, Bäume und Felsen vor sich her wälzend. – Die Straße, die sein Körper beschrieben hatte, glich einem jener Lawinenstreifen, die man so oft im Hochgebirge auf der Gemsjagd antrifft. Mit einem Freudengeschrei jagten wir dem verendenden riesigen Thiere in den Abgrund nach, wo wir es tief unten, zwischen zwei Granitblöcken eingeklemmt, noch gewaltig mit seinen Füßen arbeitend, liegen sahen. Wir wären auch unvorsichtig genug gewesen, den letzten Felsenabhang augenblicklich hinabzuklettern, wenn uns nicht S. mit Gewalt daran verhindert hätte. Er zeigte zugleich auf einen herbeieilenden jungen Elephanten, der den Tod seiner Mutter zu rächen wohl hinlänglich Kraft besessen hätte.

Wir waren wieder in einer schwierigen Stellung, halb hängend, halb sitzend, halb liegend an der Felslehne; Hermann sogar auf einem isolirten Steinblock kauernd, von dem er wohl hinab, aber nicht wieder zu uns herauf konnte. Ich eröffnete das Feuer auf das jüngere Thier und brachte es mit den beiden ersten Kugeln, auf etwa zwanzig Schritt wohl auf’s Blatt gezielt, zum Niederknieen. Wüthend raffte es sich aber wieder auf und stürzte über Wurzeln und Felsblöcke gerade auf Hermann los. Zu seinem Glück befand sich dieser aber auf seinem precären Sitz zu hoch, um niedergerannt werden zu können, und gerade hoch genug, um die tödtliche Kugel dem Thier in den Schädel zu jagen, welches auch augenblicklich verendend zusammenbrach.

Die That war vollendet, die höchste Aufregung vorüber, und die letzten Strahlen der glühend untergehenden Sonne beschienen dieses wilde und für einen Waidmann hochentzückende Bild. In wenigen Minuten standen wir auf dem riesigen Leib des alten, indeß verendeten Elephanten, und Ermüdung und Anstrengung hatten uns beinahe sprachlos gemacht. Bald kamen auch Eduard und der Baron herbei. Sie hatten zu tief gestanden, und die übrigen Elephanten mochten wohl von ihnen Wind bekommen haben, denn auch in diesen Gebirgen, wie in den Alpen, zieht in der Sonne der Wind von unten nach oben. Was sollte nun geschehen? Die Dunkelheit brach plötzlich herein, wie es in den Tropen gewöhnlich ist; wo waren wir hingekommen, wo sollten wir Obdach, wo einen Tropfen Wasser finden? Endlich nach langem Suchen fand sich eine grüne Pfütze, aus der getrunken wurde, und auf einer Felswand ein kleines Plateau, auf dem wir die Nacht zubringen konnten. Die wenigen Lebensmittel, nur für ein Frühstück berechnet, wären bald verzehrt, und es galt nun ein Feuer, zum Schutz gegen die überall herumstreifenden Raubthiere, anzuzünden und Aeste abzuhauen, um ein provisorisches Lager herzustellen.

Wir waren eben damit beschäftigt, als wir zu unserem Schrecken den Deutschen vermißten, der etwas weniges Zwieback und unsere Röcke trug. Seit Nachmittag sollte er schon von unserer Spur abgekommen sein; was war aus ihm geworden? Schüsse wurden abgefeuert, die Eingeborenen abgesandt; es ward gerufen, geblasen, und erst später entdeckte ihn Einer der Leute durch einen reinen Zufall, wie er hinter einem Busch, von Hunger und Ermüdung erschöpft, fest schlief. Er wurde an’s Feuer gebracht, und nun erst war unsere Freude vollkommen, da die Sorge um jenen in solcher Wildniß vermißten armen Teufel keine geringe gewesen.

Ein schwerer Schlaf bemächtigte sich bald der glücklichen Jäger, aus dem sie erst durch den eisigen Thau und die ersten Strahlen der bald warm genug herunter brennenden Sonne geweckt wurden. Hungrig ward der Rückweg angetreten; aber so schnell auch am vergangenen Tag die Strecken zurückgelegt worden, so langsam schritten wir jetzt vorwärts und erreichten erst spät am Nachmittag wieder unser Lager in Mensa. – Doch was sind Ermüdungen und Entbehrungen gegen die Freuden eines solchen Jagdtages!




Ein Gang durch eine Zuckerfabrik.

Die Zuckerfabrikation hat in der neuesten Zeit einen bewundernswerthen Grad der Vollkommenheit erreicht und wenn Sie mich durch eine Zuckerfabrik begleiten, sollen Sie wirklich Wunder sehen.

Hier vor dem ansehnlichen Gebäude, das durch Einfachheit und Größe die Fabrik verräth, halten in langen Reihen die Wagen, die die Rüben aus den Miethen auf den Feldern heranfahren. Dort waren sie durch starke Bedeckung mit Erde vor Frost, durch geschickte Ventilation vor starker Erhitzung und Fäulniß geschützt. Auf Beides ist Rücksicht zu nehmen, denn die gefrorene Rübe giebt zähe, lange Säfte, die angefaulte ist zuckerärmer und steckt auch die gesunden Rüben an.

Die wohlerhaltenen Rüben wandern jetzt in den Rübensaal. Hier und da springt eine Rübe, die etwas hoch fiel, wie Glas in Stücke. Das sieht der Fabrikant gern, dies kurze, prallige Gewebe verräth Gesundheit und Reichthum. Drei Arbeiter tragen die Rüben in Körben zur Waschtrommel, die von Champannois den Namen führt. Ein langer, hohler Cylinder mit Lattenwänden dreht sich langsam in einem großen Kasten mit Wasser. In dem Cylinder ist eine Schraube, und diese befördert die oben eingeworfenen Rüben an’s andere Ende der Trommel. Hier erscheinen sie vollkommen von Erde und Schmutz gesäubert, und wir haben Gelegenheit die Rübe genauer zu betrachten. Wir haben gute Waare vor uns; die kurze, etwa 2 Pfund schwere Rübe ist fast ganz weiß, nur ein kleiner Theil des Kopfes ist gefärbt, und schnell läuft sie nach unten in eine Spitze aus. Dies sind Hauptvorzüge. Der gefärbte Theil der Rübe enthält fast keinen Zucker, er ist über der Erde gewachsen und muß weggeschnitten werden. Durch gehörig tiefe Ackerung erreicht man eine fast ganz in der Erde bleibende Rübe. Diese darf nicht die Form der Möhre haben, eher kann sie birnförmig sein, sie darf sich nicht theilen, denn in den Winkeln haftet die Erde sehr fest und birgt Steinchen, die nachher den Maschinen verderblich werden. Wollten wir die Rüben genau studiren, dann würden wir sehr bald auf den Gedanken kommen, daß diese so verschieden gestalteten Früchte wohl Glieder verschiedener Familien seien. Und so ist’s in der That, der Spielarten sind Legion, die aber von fünf Haupttypen sich ableiten lassen.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 503. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_503.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)