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Truppen unterstützt werden. Um diese auszuführen, erhielt am 4. April der Commandeur-Capitain Paludan, Befehlshaber des Linienschiffs „Christian VIII.’, von seinem Vorgesetzten, dem Chef des dänischen Ostseegeschwaders, Garde, die Ordre, sich noch am Abende dieses Tages oder am 5. frühmorgens mit seinem eigenen Schiffe, mit der Fregatte „Gefion“, Capitän Mayer, den Dampfern „Hella“ und „Geyser“ und drei Transportschiffen, welche eine Abtheilung Landsoldaten an Bord führten, in den Eckernförder Hafen zu begeben, dort an mehreren Stellen Truppen zu landen, so viel Lärmen wie möglich zu machen, zu zerstören, was sich an Werken und Kriegsmaterial vorfände, und sodann sich wieder zurückzuziehen.

Die Absicht der Dänen, durch diese Unternehmung im Rücken der im Norden stehenden deutschen Truppen diese zu beunruhigen und ihr General-Commando zur schleunigen Entsendung von Truppen nach dem scheinbar bedrohten Südosten zu verführen, war eine von vorn herein gescheiterte. Denn zur Deckung der Küste, welche die Dänen unbesetzt wähnten, befand sich in der Gegend zwischen Eckernförde und Kiel bereits eine ganze aus Reichstruppen gebildete Brigade unter dem Oberbefehl des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha, dessen Hauptquartier, Gettorf, nur etwa anderthalb Meilen von der erstgenannten Stadt entfernt war. Gegen diese Macht aber die Landung zu erzwingen und einen erfolgreichen Kampf mit ihr zu bestehen, dazu war die Anzahl der feindlichen Landungstruppen viel zu gering, um so weniger konnte von einer Beunruhigung des im Norden stehenden großen Heeres durch diese Diversion die Rede sein. Das Höchste also, was das feindliche Geschwader hätte erreichen können, wäre eine Zerstörung der beiden Strandbatterien gewesen, ein Ergebniß, das bei der ungeheuren Uebermacht der Schiffe an schwerem Geschütz als ein ganz natürliches erschienen wäre und der schleswig-holsteinischen Waffenehre auch nicht den geringsten Makel hätte aufheften können. Der den Schleswig-Holsteinern dadurch zugefügte materielle Verlust aber wäre ein, wenn auch immer zu beklagender, doch nach dem Wiederabzuge des Feindes leicht zu ersetzender gewesen.

Doch es sollte ganz, ganz anders kommen, glücklicher, als die kühnste Phantasie eines Patrioten zu träumen gewagt hätte, und daß es so kam, dazu trugen günstige Umstände allerdings viel bei, aber es bleibt in erster Linie doch stets das unsterbliche Verdienst Jungmann’s und seiner durch ihn zu unerhörtem Muthe und heldenhafter Ausdauer begeisterten Mannschaft. Es war am späten Nachmittage des 4. April, als das feindliche Geschwader in die Mündung des Eckernförder Meerbusens einsegelte und eindampfte. Es bestand aus fünf Schiffen, die wir zuvörderst näher bezeichnen wollen. Da war vor Allem das stolze Linienschiff „Christian VIII.“ Es war erst vor Kurzem vollendet worden und hatte erst am 31. März die Rhede von Kopenhagen unter dem Jubel von Tausenden und aber Tausenden der Bewohner der Hauptstadt, die dem majestätischen Schiffe eine glorreiche Rolle in dem Kriege gegen die Insurgenten bestimmt glaubten, verlassen. Es führte auf den beiden Seiten 84 Geschütze und 8 am Spiegel und in den Kajüten, im Ganzen also deren 92, und zwar vom schwersten Schiffscaliber, Kugelkanonen, die 24 Pfund Eisen schleuderten, und Bombenkanonen, welche Hohlgeschosse vom Durchmesser einer 60- und 80pfündigen Kugel warfen. Da war ferner die Fregatte „Gefion“, ein durch seinen schlanken, zierlichen Bau ausgezeichnetes Fahrzeug, die Perle der dänischen Marine, 54 Kanonen tragend, 48 auf den Seiten, 6 am Spiegel und in den Kajüten. Drittens erschien die Corvette „Galathea“ von etwa 40 Kanonen, und endlich die beiden Dampfer „Hekla“ und „Geyser“, ersterer mit 7, der andere mit 6 Geschützen versehen. So konnten also von dänischer Seite gegen die zehn Geschütze der beiden Strandbatterien fast 200 Feuerschlünde verwendet werden!

Der Wind war am Abend des 4. und in der darauffolgenden Nacht zu stark, als daß der feindliche Befehlshaber schon jetzt an die Ausführung seiner Aufgabe hätte gehen können. Sein Geschwader ankerte daher, nachdem das vorderste Schiff, die „Galathea“, durch einen Schuß aus der wachsamen Nordbatterie zurückgewiesen worden war, außerhalb der Schußweite der schleswig-holsteinischen Kanonen. In den Batterien herrschte die regste Thätigkeit und die gespannteste Aufmerksamkeit. Den Kampf mit dem Feinde aufzunehmen, wie übermächtig dieser auch war, dazu war Hauptmann Jungmann von Anfang an fest entschlossen. Zu einem solchen hatte er ja die Gelegenheit sehnlichst herbeigewünscht, auf ihn hatte er die Seinigen vom ersten Tage seiner Befehlführung an vorbereitet, und war es denn unmöglich, zu siegen, so wollte er dem Feinde vorm Untergange wenigstens noch so viel Schaden wie möglich zuzufügen. Jungmann’s Gesinnung ward von allen seinen Untergebenen getheilt, waren sie doch Alle Kinder des Landes, das in den Dänen die Todfeinde seiner theuersten Interessen kennen und hassen gelernt hatte. So wurden denn während der Nacht mit dem größten Eifer alle nur noch irgend wünschenswerthen Vorbereitungen und Vorsichtsmaßregeln getroffen. Die Bedeckungsmannschaft in den Infanterie-Redouten, aus Abtheilungen des 3. schleswig-holsteinischen Reserve-Bataillons bestehend, ward um eine ganze Compagnie verstärkt, um eine etwa gelandete feindliche Macht von nicht allzugroßer Stärke zurückschlagen zu können; ein großer Theil der Kanoniere wachte an den Geschützen die Nacht hindurch; auf den Ofenrosten lagen, fast durchsichtig wie Wachs, die glühenden Kugeln bereit. Von halb vier Uhr des folgenden Morgens an stand Alles, zum Kampfe gerüstet, an den schußfertigen Geschützen.

Der 5. April, der nun angebrochen, war Gründonnerstag, – wenn man abergläubisch sein wollte, kein Glückstag für Dänemark. Denn am Gründonnerstag des Jahres 1801, damals den 2. April, war es gewesen, daß Admiral Nelson die dänische Flotte vor Kopenhagen schlug und dadurch der dänischen Marine, die da wähnte, eine der ersten Europas zu sein, den ersten empfindlichen Stoß versetzte. Auch der Name Christian war für ein dänisches Schiff kein gutes Omen. Zwei Schiffe wenigstens, die ihn vordem in der dänischen Marine geführt hatten, hatten kein gutes Ende gefunden: das eine war im Kattegat mit Mann und Maus untergegangen, das andere wurde in der Schlacht vor Kopenhagen vernichtet. Verhängnißvoller als alle diese schlimmen Vorbedeutungen aber war es, daß die Witterung dieses Tages den dänischen Absichten keineswegs günstig war. Der Ostwind wehte gerade in den Eckernförder Busen hinein. Sollten die Schiffe genöthigt werden, sich aus ihm wieder zu entfernen, so konnte dies nur durch Laviren geschehen, unter feindlichem Feuer keine leichte Aufgabe. Paludan glaubte jedoch, Angesichts der winzigen Vertheidigungsanstalten der verachteten Insurgenten, nicht im Entferntesten, daß es dazu kommen könne. Er beschloß also, gemäß dem ihm gewordenen Befehle zu verfahren.

Bis 6 Uhr Morgens war bei den feindlichen Schiffen keine Bewegung zu bemerken gewesen, um diese Stunde aber wurden die Anker gelichtet, die Segel entfaltet und das ganze Geschwader steuerte gegen die Nordschanze heran. Welch’ ein Augenblick! Laut- und athemlos standen die Kanoniere an ihren Geschützen, das Auge gespannt auf den Feind gerichtet, das Angesicht bleich vor Uebermüdung und innerer Aufregung. Sie wußten, daß von ihrer Seite an kein Aufhören zu denken war; wenn also der Feind nicht etwa andern Sinnes wurde und wieder umkehrte, so war der Kampf, der zu entbrennen im Begriff stand, ein solcher, der nur durch die Vernichtung des einen oder des andern Theils beendet werden konnte. Endlich waren die Schiffe nahe genug herangekommen, daß man hoffen konnte, sie mit den Geschützen der Batterien zu erreichen, und sofort ward Kugel auf Kugel den schwimmenden Burgen entgegengesandt. Manche von ihnen schlug krachend in die Planken oder Rippen der Fahrzeuge ein oder durchlöcherte die Segel, aber die weitere Annäherung des feindlichen Geschwaders konnten sie nicht verhindern.

In wenigen Minuten waren „Gefion“ und „Christian VIII.“ bis auf etwa 800 Schritt an die Nordschanze herangekommen, da verkürzten sie ihre Segel und legten sich ihr mit den Breitseiten gegenüber. Plötzlich quoll weißer Rauch aus den Kanonenluken, Feuerströme folgten hinterher, ein furchtbares Krachen, und herangeheult kam die erste Lage des eisernen Hagels. Die schweren Geschosse hüpften stäubend auf den Häuptern der Wellen heran, wühlten sich in den Sand des Ufers ein, drangen erschütternd tief in die Brustwehren der Batterien, flogen drüben hinaus in das hinter ihr liegende Gehölz, in dem sie Stämme und Aeste zerschmetterten – aber kein einziges drang in das Innere der Schanze. Unverletzt stand die ganze Mannschaft froh aufathmend da. Unverletzt stand auch der Befehlshaber, Hauptmann Jungmann, da, und doch hatte gerade er sich mit fürchterlicher Verwegenheit der fast unvermeidlich scheinenden Todesgefahr ausgesetzt. Als die feindliche Breitseite gelöst wurde, hatte er frank und frei oben auf der Brustwehr gestanden, und als die schweren Eisenbälle herangesaust kamen, grüßte er sie in ritterlicher Haltung mit dem gezogenen

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