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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

von denen das Fest getragen ward, am besten spiegeln und deshalb gerade eine Blumenlese aus den Reden hier sehr am Platze wäre, so sind wir doch in einiger Verlegenheit, wo anfangen und wo aufhören. Am meisten Aufsehen und am meisten Geschrei haben die beiden Reden von Metz und Wildauer gemacht. Der ganze Conflict hat in der Entfernung und durch das Hetzen der Zeitungen eine Bedeutung angenommen, die er wahrlich nicht verdient. Metz gedachte bekanntlich in seiner Rede der „Schmerzenskinder“ Deutschlands und führte dabei neben Kurhessen und Schleswig-Holstein auch Deutsch-Oesterreich an, aber wie? Man höre seine eignen Worte. Er sagte:

„Meine Herren! Ich komme zu den lieben Brüdern in Wien, ich komme zu den wackern Tyrolern, zu den Männern aus Steiermark, ich komme zu den Deutschen in Oesterreich. Meine Herren, sie gehören zu uns durch Bande des Bluts, durch Bande der Geschichte. Leider sucht manches anscheinend nicht, wenigstens kaum besiegbare Hinderniß uns entgegen zu treten. Man will von uns zurückhalten die lieben Brüder in Oesterreich, aber, meine Herren, ich denke, die drei Schmerzenskinder, die Kurhessen, die Schleswig-Holsteiner und auch die wackern deutschen Brüder in Oesterreich, sie können und werden uns erhalten werden (Bravo!), wenn jeder Stamm, wenn jeder Mann die letzten Tröpflein seines Herzbluts hergiebt mit unbedingter Hingebung an’s deutsche Vaterland (lebhafter Beifall), wenn jeder Mann rücksichtslos schafft für die gute Sache des Vaterlands, wenn jeder Mann nicht blos im Moment aufjubelt hoch zum Himmel, nein, wenn er bereit ist, Leid und Freud zu tragen für die Sache des Vaterlandes, wenn er bereit ist, Freud und Leid zu tragen für die gute und heilige Sache des Vaterlandes. Meine Herren, in diesem Moment beschwöre ich Sie, betrachten Sie diesen herrlichen Prachtbau, betrachten Sie ihn als deutschen Rütli. Schwören Sie treu der heiligen deutschen Sache, hinauszutragen die Idee der deutschen Freiheit, hinauszutragen die Sache der deutschen Einheit, hinauszutragen in alle Kreise. Schwören Sie – der Moment wird nicht ausbleiben, unsere Feinde bürgen uns dessen, an welchem man versuchen wird, an welchem man allen Muth zusammenraffen wird, um von Neuem die Freude des Volks, die Einigung des Volks zu hintertreiben – für diesen Moment schwören Sie gleich unsern Schweizer-Brüdern, welche dadurch frei und einig wurden, treue Hingebung für dieses Sinnbild (zeigt nach der deutschen Fahne) der deutschen Freiheit und Einheit! Schwören Sie Leib und Leben, Hab und Gut, Weib und Kind, Alles dahin zu geben für’s Höchste, was wir kennen, für’s Höchste, was uns noch fehlt, um ein großes, herrliches Volk zu sein. Schwören Sie, und drücken Sie den Schwur aus mit gefüllten Gläsern durch ein donnerndes Hoch auf Deutschland. Das freie, das einige, das baldigst freiheitlich geeinigte Deutschland, es lebe hoch!!!“

Herr Professor Wildauer von Innsbruck entgegnete darauf:

„Meine Herren! Wir haben in einem Trinkspruch auf das große deutsche Vaterland drei Schmerzenskinder der deutschen Nation nennen gehört, die Kurhessen, Schleswig-Holsteiner und die Oesterreichs. Bei der Nennung der ersten Brüder haben wir Oesterreichs so kräftig in das Hoch mit eingestimmt, wie irgend ein anderer deutscher Stamm. Als der dritte Name genannt wurde, da zeigte die lautlose Stille, die bang über der Versammlung lag, daß Oesterreich nicht mit diesem Namen zu bezeichnen sei. Wir sind keine Schmerzenskinder und sind als solche nicht hierhergekommen; in Oesterreich giebt es keinen Schmerzensschrei. Wir hängen treu an unserem Kaiser und sagen es auch unverhohlen. Wir haben ein Vaterland und haben Ursache es zu lieben, aber deßwegen geben wir keinem deutschen Stamme und Lande das Privilegium, von sich zu sagen, daß es deutscher fühlt als wir. Wir wetteifern mit jedem deutschen Lande und Stamme an redlichem Willen, treuem Sinn, möglicher Thatkraft, wo Thatkraft nothwendig ist. Wir haben einen Kaiser, der bei Villafranca es vorgezogen hat, sein Reich zu verkleinern, um keinen Fuß breit deutschen Landes am Rheine hinwegzugeben.“

Hier entstand allerdings einige Minuten lang ein kleiner Tumult. Diese gewaltsame und unwahre Zurechtlegung eines Stückes Geschichte, das wir alle miterlebt haben, wollte nicht Jedermann behagen. Als die Ruhe wieder hergestellt war, fuhr Wildauer fort:

„Wir sind hierhergekommen als voll- und ebenbürtige Kinder des großen deutschen Vaterhauses; wir grüßen Sie Alle mit brüderlicher Herzlichkeit als Angehörige einer und derselben Familie. Wir haben zu Hause Friede, bei uns ist Eintracht zwischen unserm Herrn und dem Volk. Wir sind keine Schmerzenskinder. Oesterreich hat so gut wie Andere mitgewirkt, das gefallene Recht in Kurhessen wieder aufzurichten, und seien Sie überzeugt, in Zukunft wird dasselbe Oesterreich auch mitwirken, daß das zertretene Recht wieder aufblühe, wo das Land liegt gleich einer Doppeleiche: Schleswig-Holstein. Wir sind keine Schmerzenskinder, wir stehen auf deutschem Boden. Wir sind hierhergekommen, um unser Recht zu üben, als Angehörige derselben Familie; wir sind nicht Gäste, wir gehören hierher. Wir sind auch nicht mit leeren Händen hierhergekommen; nicht daß ich damit die Besten meine, die wir mitgebracht, ich meine nicht den Fahnenschwur Tyrols, der eben so der Fahne Deutschlands als der Fahne Oesterreichs gilt, wir haben noch etwas Anderes in die Wagschale zu legen, das was wir gethan zum Schutz der deutschen Grenzen. In kurzer Frist von einigen Jahren sind wir, wie wir jetzt zum friedlichen Wettkampf nach Frankfurt gezogen, auch an die Grenzmarken Deutschlands geeilt. Auch dort haben wir Schützenfeste gefeiert, aber freilich Schützenfeste von blutigem Ernst, echte Nationalschießen, wo es dem deutschen Boden gegolten hat. Es waren keine Schmerzenskinder, die dort den frechen Angriff zurückgewiesen haben; wie es unsere Väter gehalten, so werden wir’s auch in Zukunft wieder treiben, wir werden Wache halten an den Grenzmarken deutschen Gebiets und im Süden dafür sorgen, daß der Feind kein deutsches Gebiet entreißt. Wir werden sorgen, daß er nicht einmal eine Alpenrose stiehlt, die deutschem Boden entkeimet. Nehmen Sie die volle Versicherung, wenn einst der Erbfeind deutschen Namens nach anderem Gebiete greift als nach dem, was an den Alpen liegt, an der Etsch oder dem Mincio, wenn er seine Hände nach den Rebenhügeln des Rheins ausstreckt: dann werden die Oesterreicher und Tyroler auch am Platze sein, wir werden nicht glauben damit eine Pflicht zu erfüllen, nein, wir nehmen das Recht dazu in Anspruch. Wollen wir doch den Riesenleib der erhabenen Mutter Germania nicht durch moderne Heilkunst bei lebendigem Leibe seciren, wollen wir nicht gesunde Glieder hinwegschneiden, bewahren wir den Riesenleib im Besitz all’ seiner Glieder, und weiter, lassen wir diesen Riesenleib angethan mit dem weiten reichen Mantel seiner Herrschaft in Süd, Ost und überall. Heiliger Boden ist überall, so weit die deutsche Zunge klingt, soweit die deutsche Herrschaft reicht. Auf diese große und versammelte ungeschwächte mächtige deutsche Nation ein dreifaches Hoch!“

Wir haben diese beiden Reden absichtlich genauer mitgetheilt, um die durch die Parteibeleuchtung so vielfach verschobene Affaire Metz-Wildauer wieder auf ihren ursprünglichen Standpunkt zurückzuführen, und damit sich Jeder selbst ein Urtheil bilden könne, wer hier mehr deutsch und dem Geiste des aus dem Volksthum hervorgewachsenen Festes entsprechend gedacht und gesprochen habe, und wer weniger. Ob Metz diesen häkeligen Punkt, da es doch weiter keinen Zweck hatte und er im Voraus wissen konnte, daß er hier oder dort verletzen werde, überhaupt hätte berühren sollen, wollen wir hier nicht untersuchen. Genug, der Streit wurde durch die vermittelnden Worte des Oberst Kurz aus Bern und Streit’s aus Coburg in taktvoller Weise beigelegt und hinterließ factisch keinen dauernden Mißton in der Versammlung oder außerhalb derselben. Herr Wildauer ist Ritter der eisernen Krone geworden, hat eine reiche Sammlung von Visitenkarten und Dankschreiben erworben, und damit sollte man die Sache auf sich beruhen lassen. Es wäre in der That gewiß ersprießlicher gewesen, wenn viel bedeutsamere Worte, wie die eines Schultze-Delitzsch, eines Karl Grün, eines Curti aus St. Gallen und so vieler Andern, deren Namen wir nicht einmal alle aufführen können, einen solchen Wiederhall in der Presse und im Publicum gefunden hätten.





Bei Ernst Keil in Leipzig ist erschienen:

Was dem Heere noth thut.
Ein Gedenkbüchlein für das deutsche Volk.
Preis 71/2 Ngr.

Ein nicht unwichtiger Beitrag zu der Militärfrage, die jetzt beim ganzen deutschen Volke wieder in den Vordergrund getreten ist.



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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 528. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_528.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)