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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

einen Civilgerichtshof. Der Herzog stellte nicht in Abrede, gegen Frankreich die Waffen geführt zu haben, und nannte die Feldzüge, die er als Commandant des Vortrabes und später als Oberst mit der Emigrantenarmee unter seinem Großvater, dem Prinzen von Condé, gemacht habe. Er räumte ein, von Englands Großmuth eine Pension zu seinem Unterhalte erhalten zu haben, wies aber entschieden zurück, in englischem Solde zu stehen. Ebenso entschieden wies er den dritten Punkt der Anklage als durchaus unwahr und unbegründet zurück.

Der folgende Theil der Untersuchung bestand nun darin, den Herzog in die Verschwörungen des Pichegru, Georges Cadondal und Moreau zu verwickeln. Der früher nach Cayenne verbannte und heimlich von dort zurückgekehrte General Pichegru, ein unternehmender, entschlossener Mann, der kühne, wilde Georges Cadondal, früher Anführer der Chouans, und der tapfere Moreau hatten sich vereint, um den übermüthigen, mit gewaltthätiger Hand immer weiter um sich greifenden Bonaparte zu stürzen, und Pichegru wie Georges Cadondal waren heimlich mit einer Anzahl Verschworener nach Paris gereist, um den Consul durch Mord aus dem Wege zu räumen. Der edlere Moreau wollte von einem solchen Meuchelmorde nichts wissen und noch weniger mit ihm etwas zu schaffen haben. An dieser auf das Leben des ersten Consuls, der gegen Meuchelmord außerordentlich empfindlich war, gerichteten Verschwörung wurde auch der Herzog beschuldigt, Theil genommen zu haben. Man mußte einen Grund haben, das Todesunheil über ihn auszusprechen. Natürlich stellte der Herzog jede Theilnahme an dieser Verschwörung in Abrede. Er hatte nicht einmal darum gewußt. Er kannte weder Pichegru noch Georges Cadondal, noch hatte er je mit ihnen in Verbindung gestanden und gab dieses natürlich an. Es fehlte immer noch an scheinbar genügenden Gründen, um mit einiger Wahrung des Rechtes das Todesurtheil über den Angeklagten auszusprechen, und doch forderte dies der Befehl des ersten Consuls. Der Präsident dieses Gerichtes, der General Hullin, hat später selbst gestanden, daß die Festigkeit, die Offenheit und Ruhe in des Herzogs Antworten die Richter zur Verzweiflung gebracht habe. Sie schienen selbst Mitleid mit ihm zu fühlen und für einen Augenblick Bonaparte’s Befehl zu vergessen.

Schon in dem Verhöre hatte der Herzog unumwunden eingestanden, daß er die Waffen gegen Frankreich geführt habe, und freimüthig hinzugefügt, daß er, sobald die Gelegenheit dies ermögliche, auf’s Neue den Krieg gegen Frankreich beginnen werde, er kämpfe nur für die Rechte seiner Familie, und ein Condé könne nie anders als mit den Waffen in der Hand sein Vaterland betreten. Dies wiederholte er auch vor dem Gerichte. Wohl zehnmal boten die Richter ihm an, diese Aeußerung zurück zu nehmen. Fest und ruhig erwiderte er: „Ich sehe die ehrenwerthe Absicht des Kriegsgerichts ein, allein ich kann meine Zuflucht nicht zu den Sicherstellungsmitteln nehmen, auf welche dasselbe hindeutet.“

Als der Präsident ihm erwiderte, daß die Kriegscommission keine Appellation gestatten dürfe, entgegnete er: „Ich weiß es und verhehle mir die Gefahr nicht, in der ich schwebe. Meine Bitte umfaßt nichts, als eine Unterredung mit dem ersten Consul zu haben. Mein Name, mein Rang, meine Gesinnungen (sowohl der Herzog wie sein Großvater Condé hatten sich früher in einem Briefe sehr bestimmt und mit Abscheu gegen jeden Meuchelmord ausgesprochen) und die besondere Bedrängnis;, in der ich mich befinde, geben mir die Hoffnung, daß man meine Bitte nicht verweigern werde.“ Bereits am Schlusse seines Verhörs hatte er diese Bitte vergebens ausgesprochen. Die Richter schienen selbst die Billigkeit dieses Verlangens einzusehen und beriethen darüber, da schnitt der von Bonaparte gleichsam als Aufseher gesandte Polizeichef die Frage mit der Bemerkung durch, daß solches nicht geschehen könnte. Die Richter mußten sich fügen. Sie schritten nun zu der Abfassung des Verdictes selbst, die ihnen in der That viele Schwierigkeiten machen mußte. Etwas ausführlicher müssen wir, streng auf die Acten des Protokolls gestützt, diesen Theil dieser Gerichtsposse berühren.

Bei den französischen Kriegsgerichten war es ausdrückliche Gesetzform, in Protokollen die genaue Thatsache anzuführen, für welche die Todesstrafe verhängt wurde, ferner mußte der Gesetzartikel genannt werden, nach welchem die Sentenz erfolgte. Sodann mußte natürlich das Verdict der Anklage angepaßt werden. Dies Alles machte in diesem Falle die größte Schwierigkeit. Der Herzog sollte sterben; seinen Tod nach dem Gesetze zu rechtfertigen, machte der Commission außerordentlich viel Mühe und wurde doch nur äußerst mangelhaft erreicht. Das Verdict lautete nach dem Protokolle :

„Nachdem die Stimmen über jede der unten angefügten Fragepunkte durch Anfangen bei dem jüngsten Richter und durch Aufhören bei dem Präsidenten gesammelt sind, erklärt das Kriegsgericht Louis Antoine von Bourbon, Herzog von Enghien,

1) einstimmig für schuldig, die Waffen gegen die französische Republik getragen zu haben;

2) einstimmig für schuldig, seine Dienste der englischen Regierung, also dem Feinde der französischen Republik, angeboten zu haben;

3) einstimmig für schuldig, von besagter englischer Regierung Agenten aufgenommen und accreditirt, ihnen Mittel zum Verkehr in Frankreich an die Hand gegeben und sich mit ihnen gegen die innere und äußere Sicherheit der Republik verschworen zu haben;

4) einstimmig für schuldig, sich an die Spitze einer namhaften Schaar französischer Emigranten und Anderer gestellt zu haben, die sich an Frankreichs Grenze in Freiburg und in Baden sammelten und von England besoldet wurden;

5) einstimmig für schuldig, Communicationen mit der Stadt Straßburg in der Absicht gepflogen zu haben, Aufruhr in den benachbarten Departements zu erregen, um eine Diversion zu Gunsten Englands zu machen;

6) einstimmig für schuldig, einer der Begünstiger und Mitschuldigen der von den Engländern gegen des ersten Consuls Leben gerichteten Verschwörung zu sein und die Absicht gehegt zu haben, durch den Erfolg solcher Verschwörung in Frankreich einzudringen.“

Also auf drei Anklagen ein Verdict über sechs Anschuldigungspunkte, von denen nur der erste den Herzog berührte (die fünf übrigen waren absichtlich erfunden) und nach den damaligen französischen Gesetzen nicht strafbar war! Dieses Verdict wurde in Abschrift an Bonaparte gesandt, und die Commission empfing unverzüglich von ihm ihr eigenes Schreiben zurück mit der Bemerkung: „Zum Tode verurtheilt!“

Das Protokoll des Kriegsgerichtes trug das Datum 20. März mit dem Beisätze: „zwei Uhr Morgens“. Diese Worte wurden wieder wegradirt, indeß nicht fein genug, so daß sie noch lesbar blieben. Zwei Stunden waren also schon mit dem Verhör und der Gerichtssitzung verflossen, und ehe der Morgen graute, sollte der Herzog, dessen Grab bereits vollendet war, todt sein; es blieb also nur wenig Zeit übrig, und noch war der Urtheilsspruch in rechtsgemäßer Form mit Hinzufügung der betreffenden Gesetzesartikel aufzusetzen. Man glaubte hierzu Zeit genug zu haben, wenn der Herzog hingerichtet sei, da ja nicht das Urtheil, sondern der Tod des Prinzen der eigentliche Zweck des Kriegsgerichts war. Man ließ Lücken in dem Urtheil, um diese später mit mehr Ruhe und Genauigkeit auszufüllen. Wir können uns nicht enthalten, dies Meisterstück französischer und Bonaparte’scher Justiz hier wiederzu geben. Es lautet:

„Nachdem der Gefangene sich entfernt, die Gerichtssitzung sich isolirt und hinter verschlossenen Thüren deliberirt hatte, sammelte der Präsident die Stimmen, und indem er bei dem jüngsten Beisitzer anfing und selbst zuletzt stimmte, ward der Gefangene einstimmig für schuldig erkannt; und gemäß des … ten Artikels des Gesetzes von … , des Inhaltes wie folgt … verurtheilte das Gericht den Gefangenen zum Tode. Der Gerichtsanwalt ist beordert, gegenwärtige Sentenz unverzüglich vollziehen zu lassen.“

Diesem in der Hast ausgesetzten Urtheilsspruche fehlte sogar die Unterschrift des Gerichtsschreibers, ohne welche er keine Gültigkeit haben konnte. Die Richter selbst zweifelten an der Richtigkeit dieses Spruches, und der Präsident Hullin hat sich später selbst darüber folgendermaßen ausgesprochen: „Noch mehrere Entwürfe dieser Sentenz wurden gemacht, bis eine endlich beibehalten ward; allein als wir sie unterzeichnet hatten, bezweifelten wir, daß sie regelrecht wäre, und gaben deshalb dem Gerichtssecretair die Weisung, einen neuen Entwurf zu machen. Dieser zweite Entwurf war der rechte.“

Dieser zweite Urtheilsspruch stimmte mit dem ersten im Wesentlichen überein; nur zum Schlusse wich er ab. Der Befehl zu unverzüglicher Hinrichtung war weggelassen, statt dessen folgende Erklärung hinzugefügt: „Dem Berichterstatter ist hiermit die Weisung gegeben, gegenwärtiges Urtheil augenblicklich in Gegenwart der unter Gewehr getretenen Wache vorzulesen. – Es ist befohlen, daß der Präsident und der Berichterstatter, gemäß der gesetzlichen Form,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 554. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_554.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)