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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

„Wie eine Amazone?“ half ihm Philipp lächelnd ein.

„Ja – wie eine … Du kennst die Gräfin Platen nicht, Philipp?“

„Hoheit wissen, daß ich in Hannover ein Wilder bin.“

„Du, der alle Welt kennt!“

„Ich, der alle Welt kennt, muß zu meiner Schande gestehen, daß ich die schöne Platen nur renommée kenne.“

„Nun denn, so sieh dorthin, Philipp – die große Brünette.“

Königsmark ließ seine blinzelnden Augen über die Gruppe der Damen schweifen und hatte die Bezeichnete rasch gefunden. Es traf sich, daß die Gräfin zufällig ebenfalls herübersah, und ein aufmerksamer Beobachter hätte wahrnehmen können, daß die Beiden einen Blick tauschten, der ein halbes Lächeln aufwog. Dennoch suchte der Graf noch immer fort.

„Es giebt so viele Brünetten hier,“ sagte er.

„Die mit der grünen Seidenrobe.“

„Ah!“

„Nun?“

„Ich mache Ihrem Geschmacke mein Compliment, Monseigneur!“

„Ach – ich wußte es!“ Ich wollte aber sagen, daß ich, aller dieser Heimlichkeiten satt, diese Liaison offen bekennen und die Gräfin Platen an die Person meiner Gemahlin attachiren will.“

„Teufel! Ganz Louis quatorze!“ sagte Königsmark mit einer Grimasse. „Aber Madame Sophie Dorothea –?“

Georg stampfte ungeduldig mit dem Fuße und rieb sich unruhig die Hände. Sie wird wohl meinem Willen weichen müssen!“ sagte er mit einem Blicke auf die Thüre des Saales. „Ich schrieb ihr heute ein Billet, worin ich ihr meinen Entschluß mittheilte, ihr heute Abend die Gräfin Platen vorzustellen.“

„Wie? Heute Abend? – Jetzt?“

„Ja, ja, ja.“

„Nun, und Madame Dorothea?“

„Dörthe ließ das Billet ohne Antwort, folglich willigt sie ein.“

„Glauben Sie?“ lächelte Königsmark. „Hm. Ich kenne das Schweigen der Frauen. Es gleicht der Stille vor dem Sturme. Nehmen Sie sich in Acht, Monseigneur!“

In diesem Augenblicke lüftete sich in der Nähe der Sprechenden die damastene Portière einer Seitenthüre, und das Knistern einer Seidenrobe ertönte hinter ihnen, – jenes Knistern, welches leise ist wie der Hauch des Windes, der durch die Zweige der Linden raschelt, und welches dennoch die eigenthümliche Macht hat, uns einen Schauer durch alle Glieder zu jagen. Trotz des Summens der Sprechenden hatten die Beiden dennoch dieses Rauschen gehört und wandten sich um.

Georg erbleichte ein wenig. „Ah! Frau von Nassau –“ Königsmark blickte neugierig auf die Kommende.

„Frau von Nassau? Wer ist Frau von Nassau?“

„Die Unzertrennliche meiner Frau.“

Königsmark’s Miene zeigte ein lebhaftes Interesse. „Ah! der Sturmvogel, Hoheit!“ flüsterte er, indem er sich discret zurückziehen wollte.

Aber Georg hielt ihn zurück. „Bleib, Philipp,“ sagte er, indem er sich zugleich an Frau von Nassau wandte, die mit einer tiefen Verbeugung vor ihm stehen geblieben war.

„Darf ich Monseigneur um ein gnädiges kurzes Gehör ersuchen?“ sagte die Dame mit gedämpfter Stimme, indem sie sich wieder aufrichtete.

Der Prinz nickte und schlug ungeduldig die Hände aneinander. Frau von Nassau ließ einen raschen Blick auf Königsmark hinübergleiten. Der Prinz machte ein Zeichen der Ungeduld. „Dieser Herr ist mein Freund, und ich habe keine Geheimnisse vor ihm.

Monsieur le comte Philippe de Königsmarkmadame Jeanne de Nassau-Scharffenstein, dame d'atours – und jetzt, da die Vorstellung geschehen ist, machen Sie schnell, Frau von Nassau – ich bin auf der Folter – haben Sie mir wieder eine Bizarrerie meiner Gemahlin zu melden?“

Frau von Nassau und Königsmark hatten sich kalt vor einander verbeugt, und die Gräfin wandte sich wieder an den Prinzen, indem sie mit gedämpftem Tone sprach: „Die Prinzessin hat das Billet Monseigneurs empfangen und ist entschlossen, lieber zu sterben, als die Präsentation der bewußten Dame zu acceptiren.“

Georg stieß einen Schrei der Ueberraschung aus. „Das wollen wir doch sehen!“ rief er, roth vor Wuth. „Ich will selbst zu meiner Frau – ich werde sie zu zwingen wissen!“

„Was ist’s?“ rief der Kurfürst, indem er heranschritt, gefolgt von dem lauernden Lord Walpole.

„Nehmen Sie sich in Acht, Monseigneur!“ flüsterte Königsmark.

„Laß mich!“ rief Georg, indem er zur Thüre schritt. „Ich will doch sehen, ob Dörthe es wagt!“

„Da ist die Prinzessin!“ rief Frau von Nassau, indem sie zur großen Eingangsthüre eilte, deren Portière soeben bei Seite geschoben wurde und auf deren Schwelle Sophie Dorothea von Celle inmitten einiger Damen, erschien.

„Ah! ah!“ murmelte der Graf von Königsmark, indem er sich die Hände rieb. „Es scheint, man amüsirt sich hier beinahe so gut, wie in Dresden!“



2. Eine Kriegserklärung.

Die Prinzessin war eine hohe, majestätische Gestalt, von jener üppigen Schönheit, wie sie der Pinsel eines Velasquez und eines Mignard zu schildern verstand – und welche für die starrenden Seidenroben und die hohen Frisuren des 17. Jahrhunderts wie geschaffen zu sein schienen. Ein matter bläulicher Hauch, welcher wie der Blütenstaub einer Lilie ihre großen lichten Augen umgab, verlieh ihrem interessanten Gesichte einen neuen Reiz und gab ihr ein schmachtendes Aussehen, welches durch die leichtgeringelten braunen Locken, die ungezwungen über ihre Schultern niederwallten, noch erhöht wurde. Sie war sehr schön, und Königsmark, dieser große Kenner der Schönheit, hatte einen Ausruf der Bewunderung nicht unterdrücken können, als der Blick ihrer herrlichen großen Augen zum ersten Male auf ihn fiel und wohl die Ewigkeit einer Secunde hindurch auf ihm haften blieb.

Georg blieb beim Eintritte seiner Gattin stehen und wandte sich dann, statt ihr vollends entgegen zu gehen, mit einem raschen Entschlusse nach der Seite, wo sich die Hofdamen und Cavaliere befanden, welche sich beim Eintritte der Prinzessin wie auf ein Commando verneigt hatten, und deren Rücken die normale Lage noch nicht wieder angenommen hatte. Er blieb neben der Gräfin von Platen stehen und erwartete hier seine Frau.

Die Gräfin blickte ihn beinahe flehend an und hatte die Hand auf ihr pochendes Herz gelegt. Er beruhigte sie aber mit einem entschlossenen Lächeln. Der alte Kurfürst war auf Sophie Dorothea zugegangen und stellte ihr den englischen Gesandten vor, welcher sich vor der Gattin seines präsumtiven Herrn tief und ehrfurchtsvoll verneigte.

Während einige verbindliche Phrasen in englischer Sprache gewechselt wurden, schritt die Gruppe den Saal entlang an den Damen und Cavalieren vorbei, welche alle in ihrer tiefen Verbeugung verharrten. Sophie Dorothea blieb mit dem Kurfürst von Zeit zu Zeit vor dieser oder jener Person stehen und wechselte einige verbindliche Worte mit ihr.

„Ah, Herr von Nassau!“ lächelte sie, indem sie vor einem alten stutzerhaften Herrn stehen blieb. „Sind Sie uns endlich aus dem abscheulichen, nebligen Holland zurückgekehrt? Meine arme Johanna ist mir schon ganz melancholisch geworden –“

Der Kurfürst unterbrach sie, indem er mit seiner dürren Hand auf ein junges, hübsches Mädchen wies, welches sich erröthend verbeugte.

„Das ist die Gräfin von Hohenstein, ma fille,“ näselte er mit seiner unangenehmen Stimme, „die uns von unserem guten Vetter von Sachsen empfohlen worden ist.“

Sophie reichte dem Mädchen mit einem freundlichen Lächeln die Hand. „Wie hübsch die Kleine ist!“ sagte sie. „Wir wollen Freundinnen werden – wollen Sie, Gräfin?“

Fräulein von Hohenstein erröthete noch tiefer, und ihre Hand zitterte in der Hand der Fürstin. Wie Sophie jetzt wieder aufblickte, runzelte sie leicht die Stirne, denn ihr Blick fiel auf den Grafen von Königsmark, welcher sich soeben an der Seite des Kurfürsten näherte. Sie hatte den Grafen nie gesehen, aber sie wußte, daß er gekommen sei, und errieth ihn. Er war für sie ein Feind mehr an diesem Hofe. Der Jugendfreund ihres Gatten, der leichtfertige und berüchtigte Cavalier vom Hofe des sächsischen August mußte jedenfalls, wie alle Andern, Partei gegen sie nehmen.

„Monsieur le comte de Königsmark, général de son altesse l'électeur de Saxe,“ sagte der Kurfürst.

Königsmark verbeugte sich. Sophie nickte leicht mit dem Kopfe, sagte ein leises: „Seien Sie willkommen!“ und schritt weiter.

Während des Weiterschreitens machte sie einige Schwingungen

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