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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Sobald es das Kabel gefunden, macht es (durch einen elektrischen Draht) oben Mittheilung davon; das Kabel hängt dann in einer Scheere; durch einen Zug von oben öffnet sich ein Cylinder, das mit mächtigem Druck hineinstürzende Wasser übt die Kraft aus, welche zum Zerschneiden des Kabels nothwendig ist, und die beiden Hälften können nun, jedes von seinem Theile des Instruments festgehalten, ohne weitere Beschädigung des Kabels vorsichtig an das Niveau gezogen werden.

Zum Schluß dieser Uebersicht seiner Erfindungen können wir nur noch andeuten, daß Bauer auch an eine andere, vor ihm noch ungelöste Aufgabe ging: er glaubt, auch für die Luftschifffahrt das bis jetzt unerreichte beliebige Sinken und Steigen, Verharren und Incliniren des Fahrzeugs gewonnen und dazu auch die rechte Fortbewegungskraft gefunden zu haben. (Man vergleiche hierüber Ludwig Hauffs bereits erwähnte Schrift über „Die unterseeische Schifffahrt, erfunden und ausgeführt von W. Bauer,“ Bamberg, bei Büchner, 1859.) Bauer selbst hat diese Erfindung oft seine zweite Lebensaufgabe genannt. Hoffen und wünschen wir, daß sein Plan gelinge, daß er einst siegreich in den Lüften herrsche, wenn sein Sohn, Wilhelm Bauer der Zweite, die Tiefen der Meere durchfurcht.

Nach dieser Ueberschau einer Reihe durchweg genialer und großartiger Erfindungen, welche wenigstens darthun wird, daß Wilhelm Bauer für jedes Land, das Männer besitzt, welche Großes zu würdigen wissen und vor dem Kühnen nicht zurückschrecken, wirklich ein sehr achtbarer Gewinn ist, stehen wir vor der Frage: was ist bis jetzt für die Ausführung und Ausbreitung seiner Erfindungen geschehen? Was hat insbesondere Deutschland für sie gethan?

Die Beantwortung dieser Fragen in Nr. 39.




Die neueste Luftfahrt in Deutschland.
Dargestellt von Dr. W. Pitschner.

Wenn der Mensch mit offnem, unbefangenem Sinne es versucht, sich in dem fast verwirrenden Reichthum der irdischen Lebensformen zu orientiren, und ihrem geheimnißvollen Ursprunge und Entwicklungsgange nachspürt, wenn sein bewaffnetes Auge von der Unendlichkeit des ihn begleitenden thierisch- und pflanzlich-organischen Lebens selbst in die sternenleeren Räume der unermeßlichen Welt forschend hineindringt und bis an den Markstein der Schöpfung den Schlüssel zum vollen Verständniß der irdischen Wunderheere aufsucht – dann fühlt er sich beinahe auf jedem Schritte seiner Wanderung lebhaft angeregt, tiefer hineinzublicken in die ihn umgebende irdische Natur. Bei einer solchen Anregung zieht ihn der schaffende Geist in die verborgensten Schlupfwinkel hinein, in diejenigen Werkstätten, wo er selbst seit dem ersten Schöpfungsmorgen thätig war und bis zur gegenwärtigen Stunde wirkt und unaufhörlich schaffen wird bis zur dereinstigen Vollendung des großen Schöpfungswerkes.

So durchbohrte der Mensch mit rastloser Thätigkeit die Rinde der Erde und drang durch zum Theil senkrecht, zum Theil mehr oder weniger wagerecht angelegte unterirdische Canäle in alle Gebirgsschichten ein, die auf dem granitischen Erdfundamente ruhen – so versenkte er sich furchtlos bis auf den Grund des Meeres und brachte Kunde von der Bodenbeschaffenheit desselben – so durchwanderte er muthig und unerschrocken Steppen und Wüsten, Urwälder und Oceane, und wagte den Kampf mit den wildesten Elementen, mit allen Schrecken der Natur, wie sie der eisige Norden und die Gluth der Sahara, die schreckenerregenden Lawinen und der über Alles furchtbare Schneesturm des Hochgebirges in sich bergen.

Aus diesem rastlosen und begeisternden Streben, welches den Schlüssel zum Verständniß der unbegreiflichen Welt ebenso im Mikrokosmos wie im Makrokosmos sucht, ging hauptsächlich die kühnste aller Ideen hervor, der Gedanke, die Erde zu verlassen und schwebend über ihr sich den trügerischen Winden anzuvertrauen.

Es findet sich dieser Gedanke, gleich einem Vogel die Luft zu durchsegeln, bereits in einigen fabelhaften Andeutungen und Erzählungen, die aus dem grauesten Alterthume auf uns gekommen sind; aber alle diese Erdichtungen, die an die Flügel des Saturn, an die Adler des Jupiter, an die Tauben der Venus, selbst an den Widder des Phrixus und der Helle und an die geflügelten Pferde der Sonne erinnern, können nur auf den geheimen Wunsch der Völker des Alterthums hindeuten, das Luftmeer zu durchschiffen und in seiner geheimnißvollen Werkstätte genauer kennen zu lernen.

Den ersten Anstoß zur Ausführung dieser kühnen Idee gaben die Gebrüder Stephan und Joseph von Montgolfier, die gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts im südlichen Frankreich, am Fuße der westlichen Hochalpen lebten. Hier hatten sie beinahe täglich Gelegenheit, das Schauspiel des Aufsteigens der Wolken beobachten zu können. Diese einfache Erscheinung führte sie zu dem Gedanken, als Nachahmung der natürlichen Wolken ein künstliches Wolkengebilde hervorzubringen und dasselbe der Luft frei zu überlassen.

Bald ward ein Ballon aus leinenem Zeuge bereitet, mit Papier gefüttert und mit erwärmter Luft gefüllt, die aus angezündetem Stroh entwickelt wurde; nachdem derselbe den Lüften übergeben worden war, erreichte er innerhalb zehn Minuten eine Höhe von 6000 Fuß und senkte sich alsdann allmählich wieder herunter. Dieser erste Versuch mit einer aerostatischen Maschine (Luftballon) wurde am 5. Juni 1783 zu Annonay im südlichen Frankreich ausgeführt. Ihm folgten sodann mehrere andere ähnliche Versuche. Endlich ward noch im Laufe desselben Jahres, am 21. November, im Schloßgarten von La Muette zu Paris die erste Luftreise veranstaltet, unter der Führung von Pilatre des Rosiers in Begleitung des Marquis d’Arlandes. Gewiß ist es die kühnste That, welche damals nur vollbracht werden konnte. Denn die aërostatische Maschine war zu jener Zeit als ein Feuerball noch nicht in einem Entwickelungsstadium, das den glücklichen Erfolg dieses Unternehmens selbst nur wahrscheinlich hätte machen können. Die unerschrockenen Männer befanden sich in einer leichten und niedrigen, aus trockenen Weiden geflochtenen Gallerie, die schneller als jeder andere Körper hätte Feuer fassen können; um sie herum lag dürres, brennbares Stroh, das, ein einziges Mal vom Feuer ergriffen, nimmermehr gelöscht worden wäre, und neben sich hatten sie die Gluthpfanne und das helle auflodernde, heftigste Flammenfeuer, das die erhitzte Luft erzeugen sollte. Außer diesen gefahrdrohenden Umständen ist noch die Unvollkommenheit der ersten Montgolfière[1] in Betracht zu ziehen. Sie hatte keine Gondel und kein Netz, kein Ventil, keinen Kautschuküberzug, auch trug sie keinen Ballast zur Regulirung während der Auf- und Niederfahrt. Alle diese wesentlichen Verbesserungen wurden erst einige Wochen später vom Physiker Charles[2] angebracht, der dadurch die Kunst der Aëronautik plötzlich wie mit einem Zauberschlage zu einer Vollkommenheit erhob, die bis zum heutigen Tage beinahe um nichts Wesentliches erweitert worden ist.

Unter diesen Umständen und bei der großen Wichtigkeit der Luftfahrten, als Mittel zur Lösung vieler noch unerledigter Fragen aus dem Gebiete der Meteorologie, darf es wohl mit Befremden erfüllen, daß seit dem ersten berühmten Versuche zu Paris, am 21. November 1783, nur sehr wenige Fahrten für wissenschaftliche Zwecke unternommen worden sind. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß solche Fahrten zur genaueren Kenntniß des unsern Erdkörper umgebenden Luftmeeres von hoher Bedeutung sind. Diese Bedeutung bezieht Alexander von Humboldt namentlich auf die Stärke der elektrischen und magnetischen Ladung in den verschiedenen Zonen und Höhen der Atmosphäre, auf die hygroskopische[3] und chemische Beschaffenheit der Luft, auf die jährliche, monatliche und stündliche mittlere Wärmeabnahme der Temperatur in den

  1. Die Montgolfièren sind, wie das Obige schon andeutet, auf den Gedanken hin construirt, daß die dünnere, durch Wärme ausgedehnte Luft leichter ist, als die gewöhnliche, nicht ausgedehnte.
  2. Die nach ihm benannten Charlièren bekommen zu ihrer Füllung das leichte Wasserstoffgas, dessen specifisches Gewicht, wenn wir das der atmosphärischen Luft = 1 setzen, 0,0688 beträgt.
  3. Das Hygroskop, wörtlich Feuchtigkeitszeiger, ein meteorologischer Apparat, welcher anzeigt, ob überhaupt Feuchtigkeit in der Luft vorhanden; das Messen der Menge dieser Feuchtigkeit geschieht mittelst des Hygrometers, dessen vollkommenste Ausbildung der Haarhygrometer ist.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 568. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_568.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)