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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

No. 37.   1862.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen.    Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Sophie Dorothea.

eine Hofgeschichte.
(Fortsetzung.)


Philipp sah die Gräfin Platen durchdringend an, dann leerte er mit einem Zuge sein Glas und fuhr mit dem feinen Spitzentuche über sein blondes Schnurbärtchen, an dessen Spitzen einige Tropfen des Burgunders zitterten. Dann stand er auf und neigte sich vertraulich über den Stuhl der Gräfin. – Er war ein schöner, sehr schöner Mann, wie er so dastand – leicht vornübergebeugt, seine weiße, feine Hand auf den Sammt des Kissens gelegt, und seine dunklen Augen herabgesenkt. So etwas mußte die Gräfin denken, als sie zu ihm aufblickte.

„Gräfin,“ sagte er, „gestehen Sie, es handelt sich um eine Rache.“

Die Gräfin sah noch immer zu ihm auf. In der rechten Hand hielt sie einen schwarzseidenen Fächer, um sich vor der Gluth des Kaminfeuers zu schützen – vielleicht auch, um ihr Gesicht zu beschatten. Die Hand, welche diesen Fächer hielt, ruhte in der Luft, und das Kaminfeuer ließ Millionen Funken und Flammen aus ihren Diamantringen sprühen. Plötzlich klappte sie den Fächer zu. „Ja,“ sagte sie mit klarer und fester Stimme.

Die Augen des Grafen schossen einen Blitz, welcher sich mit den Strahlenreflexen der Ringe kreuzte. „Und das Opfer dieser Rache soll die Prinzessin Sophie Dorothea sein?“

Die Gräfin legte ihre weiße Hand auf seine Schulter, und ihre Augen hielten die des Grafen gleichsam gefangen. „Sie errathen gut, Graf,“ sagte sie. „Es ist so. Wollen Sie mir helfen, Philipp?“

Philipp hatte sich wieder aufgerichtet und trat einen Schritt zurück. „Gräfin,“ sagte er, „stellen Sie mich einem ganzen Bataillon von Feinden gegenüber, und ich will eine Schleife Ihres Corsets mit meinem letzten Blutstropfen vertheidigen. Aber was Sie mir da vorschlagen, ist kein Geschäft für einen Mann, für einen Cavalier.“

Die Gräfin lachte und faßte seine Hand. „Das sind große Worte, Philipp. Es handelt sich ja um eine bloße Intrigue. Die Prinzessin hat mich beleidigt, und ich will mich ein wenig rächen. Helfen Sie mir! Wollen Sie? Sie ist Ihnen ja doch gleichgültig. Nicht?“

Ein seltsames Lächeln spielte um Philipp’s Lippen. „Ja.“

Aber die Gräfin betrachtete ihn so aufmerksam, daß dieses Lächeln bald verschwand.

„Sie haben neulich bei der Vorstellung Muße gehabt, die Prinzessin zu mustern. Wie gefällt sie Ihnen?“

Philipp beugte seinen Kopf zurück, so daß sein Gesicht im Schatten war, und warf nachlässig hin: „Ich habe mir wahrlich nicht die Mühe genommen, dies zu thun.“

„Sie haben sich nicht die Mühe genommen!“ rief die Gräfin mit einem leichten Stirnrunzeln. „Sie, der Graf von Königsmark, der berüchtigte Libertin, Sie haben sich nicht die Mühe genommen, eine der schönsten Frauen unserer Zeit zu mustern? Und noch dazu eine Frau, welche Sie haßt! Denn sie muß Sie hassen, Philipp,“ fügte sie mit erhabener Keckheit hinzu – „sie ist eine ehrbare Frau.“

Königsmark lachte laut auf. „Sie haben Recht!“ rief er. „Alle ehrbaren Frauen hassen mich – ich vernichte ihrer aber auch, so viel ich kann!“

„Nun also – wollen Sie mir helfen?“ fragte die Gräfin hastig, indem sie ihre Hand ausstreckte. „Soyons amis, Cinnay!“

Der Graf trat einen Schritt zurück. „Gräfin,“ sagte er, „mein Grundsatz ist: Thue nichts ohne eine Ursache. Geben Sie mir also eine Ursache, einen Grund, die Prinzessin zu hassen, und ich stehe Ihnen mit allen Mitteln der Intrigue zu Gebote. Bis jetzt ist sie mir gleichgültig. Weshalb sollte ich sie also bekämpfen? Lassen Sie die Dame aber einmal feindlich gegen mich auftreten, und Sie sollen sehen, wie treu ich Ihnen dienen werde! Bis dahin aber werde ich neutral bleiben.“

Die Gräfin runzelte die Stirn. „Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich,“ sagte sie. „Sie sind der Jugendfreund, der Vertraute des Prinzen Georg. Sie theilen seit einer Woche schon alle Orgien und Tollheiten mit ihm. Und ist das nicht Grund genug, die zu hassen, die Ihr Freund haßt?“

Der Graf machte eine spöttische Grimasse. „Ich bin gewöhnt, meinen Haß und meine Liebe auf eigene Rechnung zu führen,“ sagte er. „Also bleibe ich, wie gesagt, für jetzt neutral.“

„Gut,“ sagte die Gräfin nach einem kurzen Nachdenken. „Ich gebe Ihnen vierzehn Tage Bedenkzeit. Sind Sie bis dahin entschlossen mein Bundesgenosse zu werden, so melden Sie mir’s persönlich. Nanette wird Sie einlassen. Ist aber das Gegentheil der Fall, so …“

„So sende ich Ihnen eine verwelkte Rose,“ sagte Königsmark lachend. „Ganz wie in dem Schäferspiele des Meister Gryphius.“

„Es sei. Ich werde dann wissen, daß ich Sie als Feind zu betrachten habe.“

„Als Feind? Nie!“ lächelte Königsmark galant, indem er die Fingerspitzen der schönen Gräfin küßte. „Höchstens als Gegner.“

Die Gräfin hatte sich erhoben. „Nehmen Sie sich in Acht, Graf!“ sagte sie. „Ich bin als Gegnerin unerbittlich und grausam.“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 577. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_577.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)