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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

gehören, wohl geordnete und reiche Käfersammlungen aber schon deshalb eine Seltenheit sind, weil die Zahl der Arten außerordentlich groß und die Bestimmung bei der Feinheit der einzelnen Unterscheidungszeichen, namentlich an den Mundtheilen der kleinen, zuweilen fast mikroskopischen Arten äußerst schwierig ist. Eine der größten und reichhaltigsten Käfersammlungen der Neuzeit, namentlich was europäische Arten betrifft, war diejenige des Grafen Dejean. Wissen Sie, wie sie zusammengebracht wurde? Der Graf war unter Napoleon Oberst eines Reiterregiments, und so wie im österreichischen Heere die Artilleristen der Brigade Vega eine Blechbüchse trugen mit den Logarithmenrechnungen, die sie für ihren Chef anstellten, so hatte jeder Dejean’sche Reiter in der Satteltasche eine Spiritusflasche, worin er zu allen Zwischenzeiten, die ihm der Dienst ließ, Käfer sammelte. Da nun das Regiment in allen Ländern gebraucht wurde, in welchen Napoleon Krieg führte, so konnte es nicht fehlen, daß der größte Theil von Europa in das Bereich der sammelnden Reitertruppe fiel. Die Liebhaberei des Grafen war aber sogar bei den feindlichen Heeren so bekannt, daß man nach stattgehabten Gefechten und Schlachten die Käferflaschen der Getödteten und Gefangenen ihm mit ritterlichem Gruße zusandte.

Fassen wir in wenig Worten die Charaktere der Käfer, die uns hier interessiren können, zusammen. Betrachtet man einen Maikäfer von der oberen Fläche aus, so scheint derselbe aus drei Theilen zusammengesetzt: vorn der kleine, fast viereckige Kopf, der an seinem Grunde die dunkelschwarz glänzenden, vorzugsweise nach unten gerichteten Augen trägt, während vorn daran die Fühlhörner sitzen, deren vorderes Ende wie ein aus Blättern bestehender Kamm gebildet erscheint. Unten an dem Kopfe sitzen die Mundwerkzeuge, die scharfen Kinnladen nebst den gegliederten Tastern, welche fast in beständiger Bewegung sind. Hinter dem Kopfe zeigt sich ein breiter, schildförmiger Theil, braun oder schwärzlich mit grauen Haaren bewachsen: es ist der erste Brustring, der niemals Flügel, wohl aber an seiner unteren Fläche das erste Fußpaar trägt. Hinter diesem Halsschilde, das bei den Käfern oft sehr eigenthümliche Formen und Auswüchse zeigt, sind nun die harten Flügeldecken eingelenkt, welche nur zum Schutze des Hinterleibes, nicht aber zum Fliegen dienen und bei einigen Käfern sogar in der Mitte zusammengewachsen sind, so daß die eigentlichen Flügel, die auf dem dritten Brustringe angebracht sind, aus seitlichen Spalten hervorgestreckt werden müssen. Diese hinteren Flügel, die ganz unter den Flügeldecken versteckt getragen werden, sind gewöhnlich mehrfach zusammengefaltet und eingeknickt, lang und von starken Flügeladern durchzogen. Zwischen den Flügeldecken zeigt sich an ihrer Anheftungsstelle meist in der Mitte ein kleiner dreieckiger Raum, der beim Maikäfer glänzend schwarz ist und das Schildchen genannt wird. Häufig tritt, wie gerade beim Maikäfer, hinter den Flügeldecken noch das zuweilen in eine Spitze ausgezogene Ende des Hinterleibes hervor. Die drei Paar Beine, welche an den drei Brustringen befestigt sind, sind gewöhnlich nur zum Laufen, seltener zum Springen oder Schwimmen eingerichtet. Fast möchte man sagen, daß sie nach dem Typus der menschlichen Beine gebaut sind, denn sie haben eine Hüfte, einen Schenkel und ein Schienbein, die häufig noch mit Dornen und Borsten besetzt sind, und dann noch eine Reihe von Fußgliedern, fünf, vier oder drei, und tragen gewöhnlich am Ende zwei scharfe Krallen, mit welchen die Käfer fest einhaken und demnach leicht klettern können. Die Fühlhörner, deren Gestalt außerordentlich mannigfaltig ist, die Mundwerkzeuge und Füße dienen meistens in erster Linie als Unterscheidungszeichen, um die größeren Gruppen, Familien und Gattungen, zu erkennen. Nach diesen also hat man zuerst zu sehen, wenn es sich darum handelt, einen gefundenen Käfer zu bestimmen; nachher erst sucht man die übrigen Unterscheidungsmerkmale in Größe, Färbung und besonderen Gestaltungen zur Bestimmung der Art auf.

Die Käfer haben vollständige Metamorphose, und die meist walzigen Larven, deren einzelne Körperringe sehr leicht unterscheidbar sind, besitzen stets einen hornigen Kopf mit scharfen Kiefern, zuweilen ziemlich lange, gewöhnlich nur kurze, manchmal auch gar keine Füße, die nur an den drei Brustringen angebracht sind. Niemals besitzt eine Käferlarve falsche Bauchfüße, wie die Raupen und Afterraupen; selten auch sind sie behaart oder vielfarbig, gewöhnlich nur einfarbig, röthlich, gelblich oder schwarz. Manche sind Räuber und jagen von ihren Erdlöchern aus auf dem Boden anderen Insecten nach; die meisten aber leben verborgen in der Erde, im Mulm, in Aesern, im Miste, im Holze und in anderen lebenden Pflanzenstoffen. Die Puppen ruhen, sind nur selten eingesponnen, häufig aber in einem festen Erdklumpen wie eingebacken.

Unsere Freunde unter den Käfern sind bei weitem nicht so zahlreich, als unsere Feinde, und die wenigen, die wir besitzen, werden noch obendrein größtentheils von den Landleuten verfolgt und in ihrer nützlichen Thätigkeit gestört. Auch muß man zugestehen, daß die meisten von ihnen sich grade nicht durch allzu angenehme Eigenschaften auszeichnen. Fast alle Fleischfresser stinken, und die fleischfressenden Käfer, welche sich von lebender Beute nähren, oder diejenigen, welche, wie die Todtengräber, mit Vertilgung von Aas sich beschäftigen, können gerade nicht auf Wohlgeruch Anspruch machen. Die räuberischesten Familien sind die Sandkäfer (Cicindela), meist glänzend grün gefärbte Käfer mit hellen Tupfen, die man überall auf sonnigen Wegen und Plätzen findet, wo sie bald mit großer Schnelligkeit laufen oder auch streckenweit fliegen und nach Raub umherjagen. Ihre Larven sind seltsam gebaut, indem sie einen buckligen Halsring besitzen, der zur Schließung ihres in den Sand gegrabenen Ganges dient, aus dem heraus sie sich auf Mücken und andere Insecten stürzen.

Unsere wesentlichsten Freunde sind aber fast sämmtliche der Familie der Laufkäfer (Carabida) angehörige Arten und vor allem der goldene Laufkäfer (Carabus auratus), der Gärtner oder Goldschmied, jener prächtige Käfer mit goldgrünen Flügeldecken, schwarzem Bauche und braunrothen Füßen, der, einen Zoll lang, in allen unsern Gärten und Wiesen umherläuft und erstaunliche Verwüstungen unter dem Ungeziefer anrichtet. Denn nicht nur andere Insecten, sondern auch Gartenschnecken, Regenwürmer, Ohrwürmer und Tausendfüße greift er mit seinen starken Kiefern an, und wo er allein zur Bewältigung nicht hinreicht, helfen ihm auch wohl die Genossen, die sich mit großer Schnelligkeit versammeln. In dem Augenblicke, wo ich dieses niederschreibe, nähern sich schon die Maikäfer der Oberfläche, und gerade für dieses Jahr sagt man uns für die Umgegend von Genf die Wiederkehr eines Maikäferjahres an. Es wird also leicht sein, die Jagd des Laufkäfers auf den zwar schwereren, aber weit unbehülflicheren Maikäfer zu beobachten. In wenig Schritten hat der Räuber seine Beute erreicht, stürzt sich mit einem Sprunge auf sie und packt sie mit den scharfen Kiefern an dem spitzen Hinterende. Der Maikäfer sucht zu fliehen, der Laufkäfer aber hält fest und reißt seinem unglücklichen Opfer die letzten Hinterleibsringe ab. Der Darm und die übrigen Baucheingeweide sind aber an diesen Ringen befestigt, und so haspelt sich der Maikäfer, während er mit sinkender Kraft zu entfliehen strebt, die Eingeweide förmlich aus dem Leibe, während der Laufkäfer, beständig fressend und festhaltend, ihm nachfolgt und sein gräßliches Mahl in exquisit grausamer Weise fortsetzt, bis endlich der Maikäfer sterbend zusammenstürzt. Es bietet sich hier, wie man sieht, ein weites Feld für die Thätigkeit des Herrn Hofrath Perner und seiner hochgestellten Vereinsgenossen.

Denn wenn auch der Maikäfer keine Schonung verdient, so dürfte es doch von dem Standpunkte der sittlichen Weltordnung aus nicht ganz gerechtfertigt sein, daß man den Verbrecher auf so entsetzliche Weise vom Leben zum Tode bringt. Da wir aber an der Verantwortung unserer eigenen Sünden schwer genug zu tragen haben und man uns diejenigen der Laufkäfer nicht auch noch aufbürden kann, selbst in dem Falle, wo wir sie leben lassen, so glauben wir Gärtnern und Landbauern den wohlgemeinten Rath geben zu müssen, diese Käfer durchaus zu schonen und ihnen nicht, wie anderem Ungeziefer, mit Hacke oder Spaten einen Hieb zu versetzen, wenn sie ihnen gerade in den Wurf kommen. Denn ein lebender Laufkäfer wiegt eine Menge schädlicher Feinde auf.

Auch die schwarzen stinkenden Raubkäfer (Staphylinus) mit den kurzen, frackschößenähnlichen Flügeldecken und dem langen Hinterleibe, den sie bei der Berührung wie drohend in die Höhe richten, sowie die glänzend schwarzen, meist mir dunkelrothen Tupfen gezierten Todtengräber (Necrophorus) möge man ruhig gewähren lassen. Die ersteren sind nicht minder nützlich, als die Laufkäfer, die letzteren aber schaffen mit großer Emsigkeit die Aeser der kleineren Säugethiere und Vögel unter die Erde, um dann ihre Eier hineinzulegen und ihre Larven auf Kosten derselben zu ernähren. Sie scheinen viel Intelligenz in diesem Geschäfte zu bewähren, indem sie die leichteren Aeser in Gruben schleppen,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 583. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_583.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)