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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

ekelhaft und nicht ausführbar, wenn sie scheffelweise eingeliefert werden, und sie in Erdlöcher vergraben, heißt den Fisch in’s Wasser werfen, um ihn zu ersäufen. Ich habe im Canton Bern die Verwaltungsbehörden einiger Orte förmlich rathlos gesehen, bis man endlich auf den Gedanken kam, eine Oelstampfe zu miethen und darin die Maikäfer zerstampfen zu lassen, die dann später einen ganz vortrefflichen Dünger abgeben. Leider habe ich die Menge von Simri, wie man dort das kleinste Getreidemaß nennt, zu notiren vergessen, die man nur in Thun, wo ich mich damals gerade aufhielt, gegen einen Centime per Simri ablieferte – es grenzte an’s Fabelhafte! Wenn man aber bedenkt, daß am 18. Mai 1832 Abends 9 Uhr die mit sechs Pferden bespannte Diligence zwischen Gournay und Gisors gezwungen wurde, umzukehren, weil ein ungeheurer Schwarm von Maikäfern ihr entgegenkam, der die Pferde scheu machte – wenn man bedenkt, daß im Mai 1841 die Brücken über die Saone in Macon an einigen Abenden nicht passirt werden konnten wegen der Maikäferschwärme, welche die Luft erfüllten: so begreift man die ungeheuren Zerstörungen in Garten, Feld und Wald, welche diese Thiere zuweilen anrichten.

Die Mittel, welche man gegen die Maikäfer vorgeschlagen hat, sind meistens vollkommen unzureichend bei größeren Verheerungen, und im Allgemeinen kann man sie nur gegen das vollkommene Insect richten, indem der Engerling unter der Erde, besonders in solchen Gegenden, wie Wiesen und Waldbüsche, wo der Boden nicht aufgerissen wird, vollkommen entgeht, während in Gärten und Feldern Spaten und Pflug ihn doch einigermaßen an die Oberfläche bringen. Und da muß man denn sagen, daß die Abschaffung der Brache in der neueren Landwirthschaft und das mehrfache Umwerfen des Bodens von Zeit zu Zeit auch den wesentlichsten mittelbaren Vortheil durch Zerstörung der Larven bringt. Man sehe nur, wie emsig alle rabenartigen Vögel, wie Krähen, Dohlen und Stahre, dem Pflug folgen, rechts und links pickend und mit wahrer Wollust die fetten Engerlinge aufzehrend, die in den Schollen zappeln; wie Rebhühner und kleinere Vögel nach der Entfernung des Pflügenden in dem frischgewendeten Erdreich umherscharren: und man wird sich auf’s Neue überzeugen, wie segensreich für den Landmann dieses häufige Umstürzen des Bodens ist.

Wie aber in Wiese und Wald dem Engerling beikommen, dem selbst starker Frost nichts schadet und der sogar vierwöchentlicher Ueberschwemmung der Wiesen ungefährdet widersteht? Ich kenne in der That nur ein einziges Mittel, und das ist die Vervielfältigung des Maulwurfes! Die Frage stellt sich meines Erachtens leicht: Was kostet mehr – die zeitweise Umarbeitung der ganzen Wiese und der an Graswuchs erlittene Verlust, oder das Umrechen der Maulwurfshügel, das man im Frühjahr etwa einen Monat lang wiederholen muß? Hat man die Frage mit Soll und Haben berechnet, so wird man wissen, was man zu thun hat.

Gegen den Maikäfer selbst ist aber am Ende nichts Anderes hülfreich, als vom Staate begünstigtes Ablesen der Käfer, das am besten frühmorgens bei Sonnenaufgang geschieht, wo die Insecten noch starrsüchtig sind und beim Schütteln herabfallen. Denn die Feinde, welche die Käfer haben, und wohin alle insectenfressenden Vögel gehören, haben nicht dieselbe Periodicität in der Entwicklung und können auch bei größter Anstrengung den übermäßigen Anforderungen, welche die entsetzliche Käfermenge an sie stellt, nicht im Entferntesten genügen. Die Maßregeln aber, die getroffen werden müssen und die hauptsächlich darin bestehen, daß man für das eingelieferte Maß Maikäfer eine gewisse Summe bezahlt, müssen von dem Staate aus getroffen werden, da das Uebel ein allgemeines ist und nicht bloß einzelne Striche oder Districte, sondern weite Länderstrecken betrifft. Was hilft es z. B., wenn eine Gemeinde auf ihrem Gebiete Käfer sammeln, die benachbarte dagegen sie ungestört walten läßt? Was hilft es uns Genfern, selbst im ganzen Gebiete des Cantons die Käfer sammeln zu lassen, wenn unsere französischen Nachbarn, die wir nach allen Richtungen hin in einer Stunde begrüßen können, nicht gleiche Maßnahmen treffen? Vor einigen Jahren sah der nur eine Stunde von Genf gelegene Salève im Mai nicht grün, sondern braun aus, und bei einer Excursion dorthin hörten wir in dem niedrigen Walde ein Rauschen wie von niederfallendem Gewitterregen, was von den Millionen Maikäfern herrührte, welche die letzten Knospen der Gesträuche abfraßen. Glaubt man, diese Schwärme seien nicht auf Genfer Gebiet gekommen, und ihre Nachkommen würden die Grenzpfähle der Republik respectiren?

Die Zahl der übrigen schädlichen Käfer ist zu groß, als daß ich sie alle nur anführen könnte. Da sind die Schnellkäfer oder Springkäfer, Schmiede (Elater), die mittelst eines eigenthümlichen, an der Brust angebrachten Apparates sich in die Höhe schnellen, sobald man sie auf den Rücken legt, und deren unter dem Namen der Drahtwürmer bekannte steife Larven, namentlich in nördlichen Gegenden, dem Getreide empfindlichen Schaden zufügen; die breiten schwarzen Stinkkäfer oder Aaskäfer (Silpha), die sich hauptsächlich von Aas nähren, deren Larve aber unter den jungen Rüben und Runkelrüben viel Schaden anrichtet; die Glanzkäfer (Nitidula), welche die Blüthen des Rapses angreifen und die inneren Organe verzehren, sodaß dieselben keinen Samen tragen; die Speck- und Pelzkäfer (Dermestes), deren steifbehaarte Larven uns so empfindlichen Schaden in unseren Vorräthen und Winterkleidern zufügen, und endlich die Mehlkäfer (Tenebrio molitor), deren Larven, Mehlwürmer genannt, vorzugsweise im Mehl, in der Kleie und im Brode hausen. Da die Nachtigallen die Mehlwürmer aller anderen Nahrung vorziehen, so ist das Züchten von Mehlwürmern in solchen Städten, wo man barbarischer Weise Nachtigallen in Bauern hält, ein kleiner Nebenverdienst für Bäcker und Müller; sonst aber sind die gelben, harten Larven mit ihrem schwarzen Unrathe höchst unangenehme Gäste in den Mehlkästen. Die Larven der verwandten Küchenkäfer (Tenebrio culinaris) und Todtenkäfer (Blaps mortisaga) leben im Mulm und Kehricht unreinlicher Häuser. Vor einigen Jahren wurden mir einige dieser Larven gebracht, welche eine an einer organischen Magenkrankheit leidende Frau ausgebrochen haben sollte. Die Frau behauptete steif und fest, sie habe die Würmer im Magen gehabt, und diese seien die Ursache ihrer jahrelangen Krankheit. Der Arzt schien nicht abgeneigt, dieser Ansicht beizupflichten, und ich hatte ziemliche Mühe, ihn zu überzeugen, daß die Würmer nicht in dem Magen gelebt haben könnten, sondern im Gegentheile aus den Ritzen des Fußbodens zu dem leckeren Mahle, welches ihnen das Erbrechen bot, hinzugekrochen sei. Es fiel mir dabei die Geschichte jenes Hypochonders ein, der nach der Weise jener Leute mit großer Aufmerksamkeit seine tägliche Leibesentleerung untersuchte und eines Tags voll Schrecken seinem Arzte einige haarige Würmer brachte, die ihm als Ursache seiner Unbehaglichkeiten im Unterleibe galten. Der Arzt erkannte sogleich die behaarten Larven des Diebskäfers (Ptinus fur) und überzeugte sich bei genauerer Untersuchung, daß eine ganze Colonie dieser Käfer in dem schadhaft gewordenen Polster des Leibstuhls hauste, von wo aus sie in das Gefäß gefallen waren.

Der schwarze, stinkende Todtenkäfer (Blaps mortisaga), der nächtlich in den Wohnungen herumschleicht und den man zuweilen in der Küche antrifft, wenn Kranken in der Nacht etwas zubereitet werden soll, gilt ebensowohl für eine Vorbedeutung des Todes, wie der halsstarrige Klopfkäfer (Anobium pertinax), den man auch die Todtenuhr genannt hat und dessen leises Klopfen im Holze, worin er bohrt, dem Picken einer Taschenuhr gleicht. Indem aber der Käfer dieses thut, denkt er viel weniger an den Tod, als an das zukünftige Leben, welches er selber erwecken will: mit diesem Klopfen lockt er sein Weibchen.




Blätter und Blüthen.


Das Manna der Israeliten. Für Jung und Alt liegt ein eigenthümlicher Reiz in den biblischen Erzählungen, denn sie sind ja meistens unsere ersten Nachrichten über die Geschichte längst entschwundener Zeiten, die uns deshalb wie Nebelbilder in einem magischen Lichte erscheinen, mit Menschen und Verhältnissen, himmelweit verschieden von denen der Gegenwart. Dazu gesellt sich nun noch der Nimbus des Wunderbaren, das Walten einer unsichtbaren höheren Macht, und nun vollends noch die eigenthümliche gemüthliche Darstellungsweise! Da darf es denn nicht auffallen, wenn sich diese ersten Eindrücke bis in unser hohes Alter in ungeschwächter Lebhaftigkeit zu erhalten pflegen. Mich hat immer die Geschichte der Auswanderung des jüdischen Volkes aus Aegypten und sein an Abenteuern reicher Eroberungszug nach Palästina am lebhaftesten interessirt, mit dem beständigen Hervortreten eines höheren Schutzes, eine wahre israelitische Odyssee. Als nun noch das Manna der Apotheke dazu kam, war ich erst recht für eine Wüstenreise enthusiasmirt.

Da kam aber nun die leidige Aufklärung und streifte mit rauher Hand

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 607. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_607.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)