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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Sitz und besitzt höchst eigen construirte Fahrzeuge, welche reichlich bei diesem Feste vertreten waren und vielseitige Bewunderung und Belustigung erregten. Sie bestehen aus ganz schwachem Eisenblech und haben bei einer Länge von 30 Fuß englisch nur eine Breite von 14 Zoll, sodaß die hineingehörigen sieben Mann nur hintereinander sitzen können und ein von Mutter Natur in Bezug auf Unterbau reichlich bedachter Jüngling sich nicht behaglich in seinem Sitze fühlen würde. Der Cubikinhalt des Fahrzeuges ist so berechnet, daß bei voller Belastung der Bord noch drei Zoll über dem Wasser steht und der nach unten, sowie hinten und vorn conische Rumpf elf Zoll in’s Wasser taucht. Wo die beiden Enden dieser Molle beginnen conisch zu werden, also circa drei Fuß von außen, ist sie mit Eisenblech gedeckt und luftdicht vernietet, sodaß sie bei etwaigem Umsturz nicht untergehen kann. Die Sitze der sechs „Rameurs“ sind fein gepolstert und unterwärts mit zwei festen Schuhen versehen, in welche allemal der Folgende tritt, um Widerstand beim Rudern zu haben. Ihr Werkzeug (rame) ist aus leichtem, dauerhaftem Holz gearbeitet und sehr lang. Der Gouverneur, welcher am Ende auf dem Windkasten sitzt, führt mit dem Steuer den Oberbefehl, wie überhaupt durch die nothwendige Präcision und vorsichtige Bedienung die ganze Sache einen militärischen Anstrich erhält. Auf dem vorderen Windkasten ist das Banner und die Fahne der Gesellschaft ausgestellt, sodaß kein Plätzchen übrig bleibt, wohin man einen Hut oder Stock legen könnte. Die Uniform besteht in gelben engen Tuchhosen, rothen Hemden, Strohhüten mit schmalen Krämpen und schwarzem Wachstuch überzogen. Der Gouverneur trägt eine blaue Mütze mit breitem rothem Bunde, auf welchem die goldenen Buchstaben S P N zu sehen sind.

Exacte Bewegung und stetes Balanciren des Fahrzeuges ist unbedingt nöthig, bei seitlichem Uebergewichte schlägt es leicht um, wie man auch einige Male sieben rothe Gestalten um ihr Gig schwimmen sah, bemüht, dasselbe aufzurichten, mit einem Schwamme auszutrocknen und vorsichtig einer nach dem anderen wieder einzusteigen, welches Manöver unter dem allgemeinen Jubel der Zuschauer ausgeführt wurde und über die Fertigkeit der Spornauten Bewunderung erregte. Beim Concurse war ihre Laufbahn dieselbe, wie die der Dampfschiffe, ihre Geschwindigkeit jedoch noch größer, sie grenzte an’s Unglaubliche. Daher kein Wunder, daß sie auch am heutigen Tage den ersten Preis davon trugen, und könnte nur noch eine Einrichtung getroffen werden, unseren Helden während einer längeren Fahrt neue Kräfte einzuflößen, so dürfte der Vorschlag, sie als Telegraphen nach Amerika zu benutzen, nicht zu verwerfen sein.

Mit dem Vorrücken des Tages nahm die allgemeine Heiterkeit zu, der Holländer zeigte sich so recht in seiner zufriedenen Gemüthlichkeit. Im bunten Gewühl geselliger Plaudereien und endloser Scherze überschlich uns der Abend, der prächtigste und imposanteste, welchen ich je am Meeresgestade erlebt habe. Als später bei eintretender Dunkelheit ein großartiges Feuerwerk den herrlichen Tag krönte und bei unserer Einschiffung nach Amsterdam und während der Ueberfahrt uns noch Mancherlei zu sehen und zu bewundern gab, kehrte gewiß Jeder hochbefriedigt über den Verlauf dieses Festes heim.

G. L.




Der amerikanische Büffel[1] und die Büffeljagd.
Von Balduin Möllhausen.

Wie der Vogel mit dem Wechsel der Jahreszeiten von Zone zu Zone eilt, so wandert der zottige Bison beim Beginn des Frühlings von den texanischen Ebenen aus nordwärts, bis ihn endlich die herbstlichen Stürme, als Vorboten eines harten, unerbittlichen Winters, zur Umkehr mahnen und aus den canadischen Territorien fort und zurück gegen Süden treiben. Seine Straße, deren östliche Grenze immer zwei- bis fünfhundert englische Meilen weit westlich von der Civilisation liegt, während im Westen die große Wasserscheide der Rocky-Mountains die Grenze bildet, erstreckt sich also in ihrer Verlängerung über mehr als zwanzig Breitengrade. Einzelne Heerden, die von frühzeitigen Schneestürmen überrascht wurden, sich deshalb nicht aus dem Bereich Schutz gewährender Gebirgsschluchten und schroffer Thalsenkungen auf die kahle Prairie hinauswagen und lieber mit einem Gefühl von Sicherheit ihr kärgliches Futter unter tiefem Schnee hervorscharren, überwintern allerdings in den nordischen Regionen; ebenso wie kleine Gruppen alter Stiere, die zu träge oder schon zu steif, um ihren rüstigeren Gefährten auf der langen Reise zu folgen, die südlichen Breiten auch während des Sommers beleben und dort das von der tropischen Hitze gedörrte Gras abnagen; doch dieses sind nur Ausnahmen, und es steht fest, daß die Hauptmassen niemals ihre regelmäßige Wanderung aussetzen.

Seit aber die nordamerikanische Civilisation sich nicht mehr darauf beschränkt, als mächtige Woge von Osten nach Westen unaufhaltsam vorzudringen, sondern auch, den von den Rocky-Mountains dem Missouri und dem Mississippi zuströmenden Flüssen aufwärts folgend, die Prairien, mithin die Heerstraße der Büffel keilförmig durchschneidet, eilen diese stattlichen Thiere nur noch schneller ihrem unvermeidlichen Untergange entgegen. Es entstehen nämlich in den colonisirten Stromgebieten des Nebrasca, des Kansas und des Arkansas Stationen, auf welchen von den Ansiedlern die furchtbarsten Verheerungen unter den eintreffenden Heerden angerichtet werden, die, mit den zahlreichen Indianern und Wölfen in ihrem Gefolge, zuletzt dem von allen Seiten drohenden Verderben nach keiner Richtung hin mehr auszuweichen vermögen.

Auf diese Weise bedrängt und verfolgt, kann der Bison sich unmöglich noch lange halten, und die Zeit ist nicht mehr fern, in welcher 300,000 Eingeborene und Millionen von Wölfen, ihres Unterhaltes beraubt, den angrenzenden Colonien zur Last fallen und als Landplagen mit gleich unversöhnlichen Gefühlen ausgerottet werden. Denn wer gäbe sich wohl die Mühe, die ursprünglichen Herren der Steppe auf den Pfad der Gesittung zu führen, wenn dieselben nicht mitunter, aus eigenem natürlichem Antriebe, sich auf Ackerbau und Viehzucht verlegten? So lange die Büffel noch in manchen Beziehungen bei den Prairie-Indianern die Stelle von nützlichen Hausthieren vertraten und nur der aus ihren Häuten zu schaffenden Zelte und Bekleidung und des Fleisches wegen gejagt wurden, war eine Verminderung derselben nicht bemerkbar. Als aber die Weißen in den weichhaarigen Pelzen, in dem gedörrten Fleisch und in den schmackhaften Zungen gangbare Handelsartikel entdeckten, da wurde das erste vernichtende Urtheil über eine der Hauptzierden der westlichen Grasfluren ausgesprochen.

Man erweckte bei den sorglosen, wilden Steppenreitern die Begierde nach glänzenden und betäubenden Erzeugnissen, bot von diesen, aber in geringstem Maße, für die zu liefernde Jagdbeute, und die Verheerung nahm ihren Anfang. Wie weit diese sich aber ausdehnte, läßt sich daraus ermessen, daß allein von der St. Louiscompagnie in manchen Jahren gegen funfzigtausend gegerbte Büffelhäute den Missouri hinunter gebracht wurden, nicht zu gedenken der nur ihres Fleisches oder ihrer Zungen wegen erlegten Thiere, deren Zahl die eben angeführte mindestens um das Sechsfache überstieg.

Verschiedenartig, wie die Feinde des Büffels sind, ebenso verschiedenartiger Mittel bedienen sich dieselben, um seiner habhaft zu werden; jedenfalls aber steht die Hetzjagd der Prairie-Indianer obenan, und zwar nicht nur, weil sie gewöhnlich die erfolgreichste ist, sondern weil bei derselben auch die Kräfte und Gewandtheit der Reiter und Pferde am meisten in Anspruch genommen werden und sie dadurch einen gewissen Charakter von Ritterlichkeit erhält. Auf ihren flinken ausdauernden Pferden, die größtentheils wild in der Steppe eingefangen wurden, sind die Indianer im Stande, jedes Wild in der Ebene einzuholen; einen besonderen Ruhm suchen sie aber darin, mit größter Schnelligkeit und möglichst reichem Erfolg ihre Geschosse, seien es nun Kugeln oder Pfeile, vom Pferde herab unter eine fliehende Büffelheerde zu versenden. Zu einer solchen Hetzjagd entledigen sie sowohl sich selbst, als auch ihre


  1. Dem Bisonochsen (Bos bison) ist der Name „Büffel“ fälschlicher Weise beigelegt worden. Er trägt in seiner äußern Erscheinung eine so auffallende Aehnlichkeit mit dem litthauischen Auerochsen (Bos urus), daß man ihn als eine Abart desselben bezeichnen darf.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 618. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_618.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)