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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Pflicht und das ist seine nächste Sorge. Ist dadurch für diese Erfindung die Ehre der ersten Ausführung gesichert, so wird nun jeder Patriot gern beitragen, daß die eingegangene Schuld möglichst bald von Bauer’s ohnedies schwer genug gedrückten Schultern genommen und damit endlich auch diese Summe für seinen Lieblingsplan, einer Nationalstiftung für deutsche Erfinder, frei werde.

Die 12,000 Thlr. nämlich, welche zur Erprobung der Erfindung im Großen, wie sich nunmehr berechnen läßt, bis zum letzten Groschen nothwendig sind, werden von Hrn. Bauer nicht als ein Geschenk, sondern als ein Darlehen der Nation betrachtet, das er derselben in folgender Weise zurückerstatten will: „Wenn es dem Central-Comité gelingt, durch freiwillige Beiträge so viel Mittel zu beschaffen, daß Bauer irgend ein gesunkenes Schiff von einiger Größe (hier den „Ludwig“) mittelst seiner Apparate zu heben vermag, so wird, nach dieser praktischen Bewährung, die Vervielfältigung der Hebekameele sowie die Ausführung seiner Taucherkammer für Friedenszwecke durch amortisirbare Actien bewerkstelligt. Die von der deutschen Nation beigesteuerte Summe tritt als Nationalactie in das Recht der Unkündbarkeit, und die darauf fälligen Gewinntheile werden einem zu bildenden Comité zur Erprobung und Unterstützung anderer deutscher Erfindungen übermittelt. Sobald das amortisirbare Actiencapital zurückbezahlt ist, zerfällt der fernere Gewinn in zwei Hälften, von denen die eine Bauer und seine Erben, die andere das Comité der Stiftung erhält.“ Das sind die einfachen Grundzüge von Bauer’s Plan. Man hat in demselben zu viel Philanthropie gefunden: er ist der wahrhafte Ausdruck von Bauer’s Patriotismus, und nachdem er selbst durch eine harte Leidensschule als deutscher Erfinder gegangen, glaubt er seinem Vaterlande einen guten Dienst zu leisten, wenn er die wirklichen Erfindertalente vor der Nothwendigkeit, im Ausland Hülfe suchen und schließlich sich dem Auslande verkaufen zu müssen, nach Möglichkeit bewahrt und somit Deutschland seine besten technischen Kräfte für die Zukunft zu erhalten sucht. Ueber die Pflichten, die Bauer dem Stiftungs-Comité auferlegt, sprechen wir, wenn uns der Generalbericht am Schluß der Sammlung die erfreuliche Veranlassung dazu giebt.

Mögen nun unsere Landsleute durch rasches Aufbringen der an der Gesammt-Bedarfsumme von 12,000 Thlr. jetzt noch fehlenden 6370 Thlr. zunächst die Mittel zur Erprobung der Erfindung im Großen vervollständigen! Sie thun es mit dem Bewußtsein, nicht blos dieser einen, sondern durch dieselbe noch mancher andern wichtigen Erfindung aufgeholfen zu haben. Insbesondere wenden wir uns an die vielen Vereine, Gesellschaften, festlichen Versammlungen und Anstalten aller Art, von denen so manche schon mit gutem Beispiele voranleuchten, ihre Theilnahme auch diesem deutschen Werke zuzuwenden. Die fehlende Summe ist für eine Nation, wie die deutsche, ja so gar bescheiden. Wahren wir uns vor dem Spott des Auslandes! Wissen wir auch, daß die Mehrzahl der Deutschen nicht reich genug zu großen Gaben ist, so glauben wir doch nicht, daß die Mehrzahl der Reichen nicht deutsch genug dazu sei.

An den deutschen Nationalverein, der in den nächsten Tagen abermals in einer General-Versammlung Beschlüsse faßt, richten wir die besondere Bitte, sich auch seines Theils dieser deutschen Sache endlich anzunehmen. Wir bitten nicht um einen Zuschuß zu den 12,000 Thlrn.; diese wird die Nation, vielleicht sogar mit Beihülfe deutscher Regierungen, aufbringen. Es wäre dieses großen Vereins würdig, eine der wichtigsten Erfindungen der Gegenwart, die der ersten deutschen Taucherkammer, zur Ausführung zu bringen: ein Doppelwerk, von großartiger Wirksamkeit im Frieden, und, wenn das Unglück eines Krieges unsere wehrlosen Küstenstädte mit seinen Feuerschlünden bedrohen sollte, der einzige Mahner, der jedem Feinde in’s Meer hinaus zurufen könnte: „Wahre dich vor diesen Wassern! Hier sind Fußangeln und Selbstschüsse gelegt!“

Dr. Friedr. Hofmann.




Blätter und Blüthen.

Das Bureau der „todten Briefe“ in Washington. Von allen gouvernementalen Verwaltungsfächern der Vereinigten Staaten von Nordamerika, die in Washington ihren Centralpunkt finden, steht keins in so directer, ich möchte fast sagen, intimer Beziehung zu der gesammten Bevölkerung des Landes, wie das General-Postamt. Von ihm aus erstrecken sich in vielfach sich kreuzenden Richtungen mehr als zehntausend Canäle durch den ganzen Continent, nicht allein nach den großen Verkehrsplätzen und Hauptstädten, sondern bis in den bescheidensten Weiler und in die Hütte des letzten Backwoodsmann. Mit der größern Verbreitung der Bildung ist auch der Postverkehr in’s Ungeheuere gewachsen. Der nordamerikanische Bürger fragt wenig danach, ob der Preis eines Pfundes Kaffee um fünf oder zehn Cents steigt, denn er kann zur Noth auch ohne Kaffee leben, aber seine Briefe, mögen diese geschäftlichen oder privaten Inhalts sein, müssen sicher, schnell und billig bestellt werden, wenn es nicht zu ernstlichen Demonstrationen kommen soll. Auch die Zeitungen, welche der Vermittlung der Post bedürfen, sind in Amerika ein allgemeines Bedürfniß geworden, und der Bürger, der sich keine solche hält, wird als außerhalb der Grenzen moderner Civilisation stehend betrachtet. Die Zeitungen gehören zum „täglichen Brod“ von Millionen, und wird durch irgend einen Zufall ihr pünktliches Eintreffen verzögert, so pflegt dies gewiß nicht ohne harte Worte und offene Beleidigungen für den betreffenden Postmeister abzugehen.

Der gegenwärtige General-Postdirector hat sich übrigens durch die vortreffliche Einrichtung der complicirten Maschinerie seines Departements die allgemeinste Anerkennung erworben. Namentlich sind die Maßregeln, sogenannte „todte“, d. h. unbestellbare Briefe (dead letters) an den Absender zurückgehen zu lassen, zweckentsprechend, und ein Besuch in dem „Bureau der todten Briefe“ zu Washington dürfte vielleicht auch für den Ausländer nicht ohne Interesse sein.

In dem ersten Zimmer, das wir unter Führung eines Assistenten des General-Postdirectors betreten, finden wir zwölf bis fünfzehn Beamte hinter ungeheuern Haufen unbestellbarer Briefe, die aus allen Richtungen der Windrose und aus allen Ländern der Welt hier zusammen gekommen sind.

Sie werden hier geöffnet und nach Inhalt und Werth in fünf verschiedene Classen eingetheilt.

Die erste und werthvollste Classe sind die Geldbriefe, welche einen Dollar oder mehr enthalten. Ist ein Brief mit dieser Werthdeclaration geöffnet, so wird der Inhalt geprüft und dann in das Couvert zurückgelegt, auf dem der Beamte mit Beifügung seines Namens den Betrag und die Geldsorte bemerkt. Man registrirt solche Briefe sorgfältig, dann gehen sie in die Hände eines obern Beamten über, dessen Ausgabe es ist, sie an den betreffenden Absender zurückzubefördern und dem betreffenden Postamte die Weisung zur Rückzahlung der Summe gegen Quittung zu geben. Die Sorgfalt und Aufmerksamkeit, welche auf diese Art von Briefen verwendet wird, ist eine so große, daß jeder an das Hauptpostamt abgelieferte „todte Brief“ an den Absender zurückgelangen muß, wenn sich seine Adresse nur aus irgend einer Andeutung ermitteln läßt. Die täglich auf diese Weise aufgefundene Summe beläuft sich auf durchschnittlich zweihundert Dollars.

Im vergangenen Jahre wurden durch das Bureau mehr als fünfzigtausend Dollars an die Eigenthümer zurückgegeben. Zuweilen umschließt das geöffnete Couvert Gold ohne einen begleitenden Brief, oder was ebenso schlimm ist, der Brief ist ohne bezeichnende Unterschrift. In solchem Falle wird ein nochmaliger Versuch gemacht, den Adressaten aufzufinden, und schlägt auch das fehl, so deponirt man das Geld bei dem Haupt-Postamte zur Verfügung des sich etwa später meldenden rechtmäßigen Eigenthümers.

Die zweite Classe unbestellbarer Briefe ist unter dem technischen Ausdrucke „minors“ begriffen. Sie enthalten Anweisungen, Versicherungspolicen, Wechsel, Pfandbriefe und andere Papiere, welche einen Geldwerth repräsentiren, sowie Gegenstände verschiedener Art, z. B. Schmucksachen, Bilder u. s. w. Alle Briefe dieser Classe werden in ihre Couverts zurückgelegt, sorgfältig registrirt und einem andern Bureau zur Rückbeförderung an den Absender zugewiesen.

Die dritte Classe von Briefen enthält geringere Summen als einen Dollar, Muster, Empfangsbescheinigungen u. s. w., und diese werden nicht einzeln registrirt – aber ein Beamter ist ausschließlich damit beschäftigt, sie an ihre Absender zurück zu expediren.

Der vierten Abtheilung gehören Briefe an, welche keine Werthgegenstände enthalten, aber so unterzeichnet sind, daß man den Absender auffinden kann. Die Postverwaltung geht dabei von dem Grundsatze aus, daß Jeder gern das aufgelaufene Porto zahlt, um seine verlorenen, wenn auch unwichtigen Briefe wieder zu erhalten und damit zugleich die Gewißheit, daß der Adressat sie nicht empfangen hat. Sie bleiben, wie die Werthbriefe, zwei Monate in der Local-Postexpedition liegen, gehen nach Ablauf dieser Zeit an das General-Postamt zu Washington und werden von hier ab gegen Erlegung des doppelten Porto dem Absender zugestellt. Die Zahl dieser an und für sich werthlosen „todten“ Briefe belaufen sich im Durchschnitt täglich auf 5–6000.

Ebenso groß ist die Zahl der fünften und letzten Classe, nämlich solcher Briefe, deren Absendungsort und Absender sich weder aus der Unterschrift und dem Inhalte, noch aus dem Poststempel entziffern lassen. Diese Briefe werden in eine Stampfmaschine gebracht, die sie unleserlich macht, und dann an die Papiermühle verkauft. Im Ganzen sind dreißig Officianten mit dem Oeffnen und Zurücksenden sogenannter „todter“ Briefe beschäftigt. Sie expediren täglich im Durchschnitt 12,000 Stück – jährlich also mehrere Millionen.

Der Grund, daß so viele Briefe ihre Adresse nicht erreichen, liegt zum Theil in der Ruhelosigkeit der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, in dem schnellen Wechsel des Aufenthaltsortes, zum Theil in schlecht geschriebenen Adressen, zum Theil aber auch in der großen Anzahl gleichnamiger Städte und Orte – es giebt z. B. 150 Jacksons in der Union – und in den oft angebrachten Abbreviaturen bei der Bezeichnung der Staaten. Es giebt z. B. sieben Staaten, welche mit dem M anfangen: Maine, Massachusetts, Maryland, Michigan, Minnesota, Missouri und Mississippi, und eine undeutliche Abbreviatur derselben kann leicht die Ursache werden, daß der Brief Tausende von Meilen in falscher Richtung befördert wird.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 623. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_623.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)