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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

„Ich will Ihnen den Glauben in die Hand geben. Meine Seele, mein Geist, oder wie Sie es nennen wollen, soll vor Ihren Augen des Körpers Haus verlassen und sich an einen Ort begeben, den Sie selbst bestimmen werden. Nach der Rückkehr will ich Ihnen Beweise dafür liefern, daß meine Seele in Ihrem Dienst an dem von Ihnen bezeichneten Platze gewesen. Wollen Sie diese Ueberzeugung haben?“

„Die widerstreitendsten Empfindungen,“ fuhr der Erzbischof fort, „bemächtigten sich meiner. Furcht vor dem Bewußtsein, zu einem frevelhaften Spiel mit dem Heiligsten meine Hand zu bieten, der Wunsch, einem etwaigen Betrug auf die Spur zu kommen und ihn zu entlarven, und heftige Neugierde, zu erfahren, wie der schlichte Mann sein Wort lösen werde, kämpften in mir. Letztere, das Erbtheil aller Evakinder, trug den Sieg davon. Ich willigte in den Vorschlag und trug Lärdal auf, seine Seele in mein Haus zu senden, mir zu sagen, was in diesem Augenblick meine Frau beginne, und die Beweise für seine Anwesenheit daselbst zu liefern. Es versteht sich von selbst, daß meine Reisegefährten, von noch brennenderer Neugierde beseelt, als ich, mit meinem Thun vollständig einverstanden waren.

„Nun wohl, Ihr Herren,“ sprach Lärdal, „gönnen Sie mir eine Viertelstunde Zeit zu meinen Vorbereitungen.“ Kaum war diese verflossen, so erschien unser Hauswirth wieder, in der Hand eine Pfanne mit trockenen Kräutern tragend. „Ihr Herren,“ fuhr er fort, „ich werde diese Kräuter anzünden und den Duft derselben einathmen. In wenig Minuten wird mein Geist aus meinem Körper entweichen und alle Anzeichen des Todes an diesem sichtbar werden. Hüten Sie sich, meine Herren,“ fuhr er sehr ernst mit feierlich gehobener Stimme fort, „in diesem Zustande Versuche zu meiner Wiederbelebung zu machen, oder mich auch nur zu berühren, der Erfolg wäre mein sicherer Tod. In einer Stunde wird sich mein Körper von selbst wieder beleben und Ihnen Nachricht aus der Heimath bringen.“

Nach einer unheimlichen Pause, während welcher Keiner von uns ein Wort der Entgegnung finden konnte, setzte der Zauberer die trockenen Kräuter in Brand und hielt seinen Kopf über den übelriechenden, narkotischen Dampf derselben. In wenig Minuten bedeckte Leichenblässe sein Gesicht, der Körper fiel nach kurzen Zuckungen in den Lehnstuhl, in welchem jene Procedur vorgenommen wurde, zurück und lag regungslos, in Allem einem Todten gleichend, da.

„Um Gotteswillen,“ rief der Arzt entsetzt aus, „der Mensch scheint sich vergiftet zu haben, er stirbt wirklich, wenn man ihm nicht schnelle Hülfe bringt!“

Ich mußte ihn mit Gewalt zurückhalten, ehe er seinen Vorsatz ausführen und auf den Bewußtlosen hinstürzen konnte.

„Haben Sie vergessen, daß der Unglückliche uns beschwor, in dem jetzt eingetretenen Fall seinen Körper nicht zu berühren, wenn wir ihn nicht wirklich tödten wollen? Haben wir gegen unser Gewissen unsere Einwilligung zu dem unheimlichen Experiment gegeben, so müssen wir auch den Erfolg abwarten.“

Nach einer in athemloser Spannung verlebten endlosen Stunde kehrte langsam, aber sichtlich wieder die Farbe des Lebens auf die Wangen des Entseelten zurück, die Brust hob sich unter stürmischen Schlägen, die nach und nach in ein regelmäßiges Athemholen übergingen.

Bald darauf wendete er sich mit den Worten an mich: „Ihre Frau ist in diesem Augenblicke in der Küche.“

„Ja wohl,“ entgegnete lächelnd der Arzt, „um diese Stunde pflegen, wie Sie wohl wissen, alle Frauen bei uns in der Küche zu sein.“

Ohne diesen ungläubigen Einwand einer Entgegnung zu würdigen, beschrieb mir Lärdal meine Wohnung und Küchenräume, die er meines Wissens nie betreten hatte, bis in’s kleinste Detail mit der pünktlichsten Genauigkeit. „Zum Beweis, daß ich wirklich dort war,“ schloß er seinen Bericht, „habe ich den Ehering Ihrer Frau, den selbe bei der Zubereitung einer Speise vom Finger streifte, auf den Grund des Kohlenkorbes versteckt.“

Ich schrieb sofort – es war am 28. Mai – nach Hause, und frug meine Frau, was sie um elf Uhr an diesem Tage begonnen habe. Ich bat sie, ihr Gedächtniß recht genau zu prüfen und mir recht sorgfältig Bericht abzustatten. Nach funfzehn Tagen, so lange brauchte bei den schlechten Verbindungswegen der Brief und die Antwort Zeit, schrieb mir meine Frau, sie wäre den 28. Mai um elf Uhr mit der Bereitung einer Mehlspeise beschäftigt gewesen. Es wäre ihr der Tag unvergeßlich, weil ihr an demselben ihr Trauring verloren gegangen wäre, den sie kurz vorher am Finger gehabt habe und trotz alles Suchens nicht wieder finden könne. Wahrscheinlich habe ihn ein Mann entwendet, der sich, in der Kleidung eines wohlhabenden Bewohners der Lappmarken, einen Augenblick in der Küche gezeigt, aber, als er um sein Begehren gefragt worden sei, sich wortlos wieder entfernt habe.“

Der Trauring fand sich später in der Küche des Erzbischofs im Kohlenkorbe wieder vor.

Es versteht sich von selbst, daß die Mittheilung dieser Geschichte von allen Anwesenden mit ungläubigem Lächeln und nach Beendigung derselben unter lebhafter Debatte über die Möglichkeit des Ereignisses aufgenommen wurde. Alles lachte, und einige der Flüchtlinge stellten das Ganze als eine geistreiche Mystification des Königs hin. Der ehrwürdige General aber versicherte ernstlich, daß die Erzählung von dem betreffenden Würdenträger der Kirche wirklich vorgetragen worden war, und so gingen wir denn scherzend über die Gläubigkeit des neunzehnten Jahrhunderts bald auf ein anderes Thema über.

Franz Wallner.


Die deutsche Expedition nach Inner-Afrika und M. v. Beurmann.

Von Dr. Henry Lange.

Die deutsche Expedition nach Inner-Afrika hat, wie bekannt, den Zweck, das Schicksal unseres vielgenannten Landsmannes Dr. Eduard Vogel aufzuhellen und seine wissenschaftliche Mission – nämlich die Erforschung des Gebiets zwischen dem Nil und dem Tsad-See – zu vollenden.

Die Expedition wurde früher nach dem Führer derselben auch die Heuglin’sche Expedition genannt. Seit indeß Herr von Heuglin instructionswidrig, anstatt von Massaua aus nach Chartum, nach Abyssinien gegangen ist und in Folge dieser unerklärlichen und von seiner Seite nicht motivirten Handlungsweise von der Leitung der Expedition entbunden wurde, konnte fortan nur von der „deutschen Expedition“ die Rede sein.

Mit Herrn von Heuglin schieden aus der Expedition auch Dr. Steudner und der Gärtner Schubert, weil Beide Herrn von Heuglin folgten. Herr M. L. Hansel war von Keren am 23. Oct. 1861 aufgebrochen, um über Chartum nach Europa zurückzugehen. Hr. W. Munzinger und Hr. Th. Kinzelbach trennten sich im November vorigen Jahres in dem Dorfe Mai-Schecha in allem Frieden von Herrn von Heuglin und den andern Mitgliedern der Expedition, um, ihrer Aufgabe treu bleibend, ihrem fernern Ziele zuzuwandern. Sie erreichten im März d. J., also ein Jahr später, als sie den afrikanischen Boden betreten hatten, Chartum.

Beide Herren, Munzinger und Kinzelbach, werden von Chartum aus über El-Obed, Tendelti, Kobbeh nach Besché,[1] dem Ort, wo Dr. E. Vogel’s Spur verschwand, vorzudringen suchen.[2] Nur in großen Zeitabschnitten dürfen von diesen beiden braven und unverzagten Menschen Nachrichten zu erwarten sein. – Diese wenigen Worte vorauszuschicken schien mir nothwendig, bevor ich Herrn von Beurmann als Mitglied der Expedition einführe.

Es ist von verschiedenen Afrikakundigen lebhaft gewünscht worden, daß sich ein Reisender finden möchte, der geneigt wäre, den Versuch zu machen, von der Nordküste von Afrika und zwar von Bengasi aus nach Wara vorzudringen. Alex. Ziegler war vor einigen Jahren nahe daran, diesen Weg einzuschlagen, wurde aber


  1. Residenz des Sultans von Wadai.
  2. Hr. W. Munzinger hatte schon im Juli seine Ankunft in El-Obed mit der Aussicht auf die Erlaubniß, Darfur betreten zu dürfen, Hrn. Dr. H. Barth, der mich freundlichst davon benachrichtigte, mitgetheilt.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 682. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_682.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)