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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Mark benachbarten Fürsten. An der Spitze des märkischen Adels standen zwei Bruder, Dietrich und Johann von Quitzow, tapfere und talentvolle Männer, welche sich ein gewaltiges Ansehen unter ihren adligen Genossen verschafft halten. Ueber 24 feste Schlösser, welche theils ihnen selbst, theils ihren nächsten Freunden gehörten, konnten sie gebieten, und von diesen Festungen aus führten sie Krieg gegen Jedermann, der es wagen wollte, ihnen zu widerstreben. Der „böse Quitz“, so wurde Dietrich von Quitzow, der älteste der Brüder, seiner Härte und Grausamkeit wegen vom Volke genannt, herrschte fast unumschränkt in der Mark, denn willig beugten sich ihm die übrigen stolzen Adligen, welche ihn, seiner höhern geistigen Fähigkeiten wegen, als ihr Haupt anerkannten.

Die Adelsherrschaft war eine furchtbare Geißel für das unglückliche Land. Die Quitzow’s und ihr Anhang bekriegten die Städte nach frecher Willkür, meist ohne auch nur den Schein des Rechts zu wahren. Ihre räuberischen Knechte lagerten auf den Landstraßen und fingen die Kaufleute ab, sie raubten denselben ihre Güter, und glücklich der Bürger, der allein mit dem Verlust seines Eigenthums davon kam, oft genug wurden die Kaufleute gefangen in die Burgen geführt, in das tiefste Verließ geworfen und dort so lange in grausamster Gefangenschaft gehalten, bis ihre Freunde sich herbeiließen, sie aus derselben durch Zahlung großer Geldsummen zu lösen. Die Dörfer, welche den Städten oder geistlichen Stiften gehörten, mit denen irgend einer der adligen Räuber in zufälliger Fehde lag, wurden von den Rittern schonungslos verheert. In dunkler Nacht erschien plötzlich eine Räuberschaar, warf die Brandfackel in die Strohdächer, erbrach die Thüren der Häuser und trieb die jammernden Bewohner aus denselben. Die Männer wurden oft schonungslos, mitunter mit ausgesuchter Grausamkeit gemordet, die Frauen und Mädchen entehrt. Jedes werthvolle Eigenthum wurde zusammen geschleppt, was sich fortbringen ließ, packten die Räuber auf Wagen, das Uebrige überließen sie der Vernichtung durch die Flammen. Jubelnd und frohlockend zogen nach solcher Mordnacht die adligen Herren nach ihren festen Burgen, eine wüste Brandstätte da zurücklassend, wo am Tage vorher noch ein blühendes Dorf gestanden hatte.

So hatte der Adel seit langen Jahren in der Mark gehaust; war es da wohl ein Wunder, daß das unglückliche Land mehr und mehr in Armuth und Noth versank? „Rauben und Stehlen,“ so sagt ein Zeitgenosse, „war damals in der Mark die größte Kunst und das beste Handwerk,“ und ein Anderer erzählt, „daß, je näher Jemand den Marken gekommen ist, je gefährlicher er gereiset oder gewandert hat.“

Inmitten seiner tiefsten Noth leuchtete endlich dem Volke wieder ein Hoffnungsstern! Kaiser Sigismund hatte dem Burggrafen Friedrich IV. von Nürnberg, dem in ganz Deutschland seines trefflichen Charakters, seines Edelsinns, seiner Kraft wegen geachteten Hohenzollern, die Landeshauptmannschaft der Mark übertragen, dem Fürsten, dessen Wahlspruch: „Es ist die Pflicht der Fürsten, das Recht zu schirmen und das Unrecht zu kränken!“ im ganzen Volk bekannt war. Da athmeten die Bürger und Bauern wieder auf, sie hofften auf eine neue Zeit, sie jubelten dem Fürsten entgegen, und auch die Brandenburger hätten Friedrich gern mit lautem Jauchzen empfangen; aber als sie die kleine Reiterschaar sahen, an deren Spitze er in die Mark kam, da zagten sie und glaubten, daß der Landeshauptmann des mächtigen Adels nicht Herr werden möge, sie fürchteten die Rache des gewaltigen Johann von Quitzow, dessen uneinnehmbares Schloß Plaue ihnen so nah auf dem Nacken lag, des übermüthigen Wichard von Rochow, der seit langer Zeit das Einzugsrecht in Brandenburg hatte, wenn sie den Burggrafen zu laut und freudig begrüßten.

So hoffnungsvoll die Bürger und Bauern die Nachricht von der Ernennung Friedrich’s von Hohenzollern empfangen hatten, so widerwärtig war dieselbe dem Adel gewesen. Auf den Schlössern der Quitzow’s in Friesack und Plaue hatten sich die adligen Herren versammelt, um zu berathen, wie sie den Hohenzollern empfangen sollten, von dem sie im voraus wußten, daß er sich mit kräftiger Hand ihren Machtübergriffen, ihrem gesetzlosen Treiben, dem schandbaren Räuberunwesen, entgegenstellen werde. Da waren sie alle zusammengekommen, Dietrich und Johann von Quitzow, der Edle Kaspar Gans von Puttlitz[WS 1], Wichard von Rochow, die Holzendorffs, die Bredows und Alvenslebens, Albrecht von Uchtenhagen, die Brüder von Maltitz, die Gorentzke und so viele Andere, die an den Quitzow’s hingen.

Ein mächtiger Widerstand gegen den Hohenzollern! Das war das Losungswort der adligen Herren; einen „Nürnberger Tand“, so nannten sie den Fürsten. „Und wenn es alle Tage Burggrafen vom Himmel regnet,“ rief Dietrich von Quitzow, „wir wollen uns ihnen nicht unterwerfen!“ Damals, wie in allen Zeiten, hielten es die Adligen mit den Fürsten nur so lange, als sie durch dieselben einen Vortheil erwarten konnten.

Ein fester Adelsbund wurde gegen Friedrich von Hohenzollern geschlossen, und die Quitzows entblödeten sich nicht, zu diesem auch auswärtige Hülfe heranzuziehen, sie verbündeten sich mit Friedrich’s Feinden, den jungen Herzögen von Pommern-Stettin.

So standen die Verhältnisse, als der erste Hohenzoller einzog in die Mark Brandenburg; aber Friedrich zagte nicht, er war sich bewußt, das Rechte zu wollen, und er fühlte die Kraft in sich, es zu vollbringen. – Mit ruhiger Mäßigung und kraftvoller Entschiedenheit begann er die Regierung, fest entschlossen, das gebrochene Recht wieder herzustellen.

Vor allen Dingen kam es dem Burggrafen darauf an, die Stimmung im Lande kennen zu lernen, zu sehen, ob er sich auf die Sympathien des Volkes stützen könne; so zog er denn von Stadt zu Stadt, überall nach der Sitte der Zeit die Huldigung der Bürger entgegennehmend. – Wohin er kam, da wurde er von Bürgern und Bauern mit Jubel empfangen, das Volk stand zu ihm, darüber durfte er außer Sorge sein, und selbst manche der besser denkenden Edelleute, wie die trefflichen Grafen von Ruppin, wurden durch Friedrich’s einfache Rechtlichkeit für ihn gewonnen; aber die Mehrzahl des Adels blieb ihm fremd. – Wie sehr sich der Burggraf auch bemühte, die Widerstrebenden durch Milde und Freundlichkeit an sich heranzuziehen, alle seine Anstrengungen waren vergeblich, sie hatten nur den Erfolg, daß die stolzen Quitzows höhnend aussprachen, „der Nürnberger Krämer“ fürchte sich vor ihnen, sie wollten ihn bald genug mit Schimpf und Schand’ aus dem Lande jagen! – Sie weigerten sich der Huldigung, sie zogen das Raubgesindel aus dem ganzen Lande auf ihren Schlössern zusammen und rüsteten mächtig.

Die Langmuth des Burggrafen wurde endlich erschöpft, er sah ein, daß er gezwungen sei, mit Waffengewalt den rebellischen Adel zu Paaren zu treiben; aber er verhehlte sich auch nicht, daß dies ein gefährliches Unternehmen sei, denn aus seinen fränkischen Landen konnte er vorläufig nur eine kleine Kriegerschaar herbeiziehen, und die Zuzüge der Städte reichten nicht hin, um den Krieg gegen die mächtigen Quitzows zu beginnen. Friedrich suchte deshalb Bündnisse mit den benachbarten Fürsten zu schließen, und dies gelang ihm auch; aber ehe er noch vollkommen gerüstet war, kam es im October zum Kampf. – Friedrich’s kleines und aus wenigen fränkischen Rittern und Bürgern der Städte bestehendes Heer wurde von den Quitzows und den Pommern in großer Ueberzahl angegriffen und geschlagen, obgleich die Bürger mit wahrem Heldenmuthe gekämpft hatten.

Die Quitzows triumphirten, schon glaubten sie den Burggrafen vollständig besiegt zu haben, mordend und plündernd zogen sie mit ihren Schaaren umher und verwüsteten die Dörfer des Erzbischofs von Magdeburg, der ein Bündniß mit Friedrich geschlossen hatte; aber bald genug sollten sie zu ihrem Schrecken gewahren, daß sie zu früh frohlockt hatten; die Herzöge von Pommern weigerten sich, den Kampf fortzusetzen, und Kaiser Sigismund nahm sich plötzlich mit nicht geahnter Energie seines Freundes an; er bedrohte die Quitzows und ihre Freunde mit der Reichsacht und Oberacht, wenn sie sich länger der pflichtmäßigen Huldigung weigern würden.

Wieder fanden auf den Schlössern der Quitzows vielfache Zusammenkünfte der vornehmsten märkischen Adeligen statt, wieder ernste und oft aufgeregte Berathungen. – Des Kaisers Oberacht schreckte gar manche von denen, welche früher zu den festesten Verbündeten der Quitzows gehört hatten, die Schaar ihrer Anhänger verminderte sich, und endlich mußten sie sich überzeugen, daß sie bei einem erneuerten Kampfe Alles auf’s Spiel setzen, vielleicht Alles verlieren würden. – Sie entschlossen sich, nachzugeben, den Huldigungseid zu schwören, wenn Friedrich sie in ihren Rechten und Privilegien bestätigen würde; aber der Eid sollte ihnen nur ein Mittel sein, um den Burggrafen sicher zu machen, sie waren entschlossen, ihren Schwur zu brechen bei der ersten günstigen Gelegenheit. –

Am 4. April 1413 fand im hohen Hause in der Brüderstraße

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gand von Puttlitz
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 714. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_714.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)