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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Ein Abendbesuch bei Pelekanen.
Von Brehm.

Mein letzter Jagdausflug, welchen ich im Auftrage und später im Geleit seiner Hoheit des Herzogs von Coburg-Gotha unternahm, war eben keine Lustreise. Dazu gab es zu wenig Zeit. Ich reiste mit der englischen Ueberlandpost binnen noch nicht ganz vierzehn Tagen von Leipzig bis Aden und fuhr von dort noch am Tage meiner Ankunft auf einer eigens gemietheten Fischerbarke wieder ab nach Massaua.

Ein Blick auf die Karte genügt, um festzustellen, daß man zur Fahrt von Aden nach letzgenannter Stadt den ganzen Meerbusen von Aden und das Babel Mandeb durchschneiden und dann noch in schiefer Richtung das rothe Meer überfahren muß. Bei recht günstigem Winde kann solche Reise in drei bis vier Tagen zurückgelegt werden; bei widrigem Wetter kommt es vor, daß man über einen Monat vor dem Bab el Mandeb liegen muß, ehe der Schiffsführer im Stande ist, die starke Strömung zu überwinden und in das rothe Meer einzufahren, wo er dann, so gut oder so schlecht als möglich, mühsam zwischen den Klippen dahinkreuzt, wenn es irgend geht, in nächster Nähe der Küste. Wir hatten anfänglich guten, dann aber sehr schlechten Wind, und deshalb mußten wir bei der Eile, welche ich hatte, jeden Augenblick wahrnehmen, um noch rechtzeitig in Massaua einzulaufen. Dies bedauerte ich um so lebhafter, weil das rothe Meer im Süden ein überaus ergiebiges Gebiet der anziehendsten Jagden ist, welche ein Forscher nur machen kann.

So vogelarm der lange, schmale Meerbusen im Norden ist, so großen Reichthum entfaltet er im Süden. Es giebt dort wirkliche Vogelberge, wie im hohen Norden. Manche der kleinen vulcanischen Felseilande sind seit Jahrhunderten so beliebte und besuchte Wohnorte der Vögel, daß man hier mit gutem Gewinn und leichter Mühe ihren Dünger aufsammeln könnte. Eine dichte Schaar von zwei verschiedenen Arten Tölpel, sechs bis acht Arten Möven, mehreren Arten Seeschwalben und Pelekane sitzt hier Tag und Nacht zu Hunderten vereinigt, um zu verdauen, und eine dichte lebendige Wolke umgiebt die Gipfel vom Morgen bis zum Abend.

Hart an solchen Eilanden ging unsere Fahrt vorüber, aber, weil das Glück mir nicht wohl zu wollen schien, regelmäßig mit dem vortrefflichsten Winde, so daß unser leichtes Boot mit seinen großen Segeln in Nichts zu wünschen lassender Eile dahinjagte. Einige Male kamen wir förmlich in jene Vogelwolken hinein, und da wurde dann natürlich auch das treue, auf meinen früheren Reisen in Spanien, Norwegen und Lappland erprobte Jagdgewehr vorgenommen, und rechts und links stürzten die längst bekannten, aber immer noch seltenen, und die erst vor wenigen Jahren von Heuglin entdeckten, in allen Museen noch fehlenden Tölpel in die salzigen Wellen; – aber an ein Aufhalten der Fahrt, an ein Herausfischen der Beute war nicht zu denken! Die Takelung der arabischen Schiffe des rothen Meeres ist so vorweltlicher Art, daß zu jede Segelwendung die Raa im Mast niedergelassen, mühsam herumgedreht und dann wieder aufgezogen werden muß. Mehr brauche ich gar nicht zu sagen, um zu beweisen, daß wir längst auf mehrere hundert Ellen weit an den Erlegten vorbeigeschossen waren, ehe nur ein Anhalten hätte bewirkt werden können; denn daß ein Reffen des Segels mehr Arbeit macht, als das bloße Wenden, versteht sich von selbst. Und mit dem Reffen wäre es überdies noch nicht abgemacht gewesen; man hätte auch noch das kleine Boot, welches im Bauche des größeren lag, in’s Meer lassen müssen. Kurz, jeder aufzunehmende Vogel hätte mindestens einen Aufenthalt von einer halben bis dreiviertel Stunden verursacht; und diese halben Stunden hatte ich eben nicht.

So schien es, daß ich, ohne einen Vogel erbeutet zu haben, nach Massaua gelangen würde. Ich schmollte natürlich mit meinem widrigen Geschick, ergab mich aber so gut als thunlich in das Unvermeidliche. Doch sollte es noch anders kommen; ich fand Gelegenheit, eine Jagd auf Pelekane zu machen, wie sie mir vorher noch nie geboten worden war.

Der Pelekan, welchen unsere Thierbudenbesitzer regelmäßig als Aushängeschild zu benutzen pflegen, und welcher deshalb wohl allen meinen Lesern bekannt sein dürfte, bewohnt in mehreren Arten Afrika, welches als sein eigentliches Heimathsland angesehen werden muß. Zwar kommen drei verschiedene Arten dieser merkwürdigen Sippe auch in Europa vor, niemals aber in den ungeheuren Schaaren, in welchen sie sich in Afrika finden. Schon in den Strandseen Aegyptens vereinigen sich während des Winters, welcher auch die nördlicher wohnenden nach dem gastlichen Erdtheil treibt, Gesellschaften, von deren Stärke man sich keinen Begriff machen kann, wenn man sie nicht selbst gesehen hat. Auf weite Strecken hin bedecken sie den See; aus der Ferne betrachtet, erscheinen sie wie ungeheuere weiße Seerosen. Zur Zeit der Nilüberschwemmung sieht man Heere von ihnen aus den unter Wasser gesetzten Fluren des Deltas, zwischen den Dämmen, welche die Dörfer miteinander verbinden, dahin rudern und fischen; und einzelne, rings vom Wasser umfluthete Sandbänke sind zuweilen von ihnen so überfüllt, daß Kampf und Streit um die Sitzplätze entsteht, wenn neue hinzukommen. Auf den einzelnen Mimosengruppen, welche auf den Strominseln des weißen und blauen Nils sich finden, sitzen sie manchmal in solcher Menge, daß es scheint, als wäre der ganze Hain mit großen, weißen Blüthen bedeckt, und die gewaltigen Adansonien, nahe an den Flüssen, erhalten gerade zu der Zeit, wo sie blätterlos sind und ihre dicken Aeste und Zweige so sonderbar in die Luft hinausrecken, durch sie einen gar wunderbaren Schmuck. In eben so großer Anzahl, obgleich der vielen günstigen Stellen halber mehr vertheilt, finden sie sich auf dem rothen Meere. Dieses ist ein wahres El-Dorado für sie. Es ist reicher an Fischen als irgend ein anderes Meer, und die schuppigen Wasserbewohner, die Beute, welcher die Pelekane eifrig nachstreben, bevölkern gerade jene großen, seichten, von der Sonne so recht durchglühten, pflanzenreichen Stellen in besonderer Menge, bis zu deren Grunde der langhalsige Vogel mit seinem Hamenschnabel hinabreichen kann. Es ist also kein Wunder, daß hier unsere Thiere sich bleibend angesiedelt haben und mit unermüdlicher Ausdauer Guano bereiten, vielleicht in der Hoffnung, sich hierdurch noch als recht nützliche Mitglieder der Vogelclasse zu beweisen.

In einer Versammlung unserer deutschen Vogelkundigen erzählte einmal ein junger Mann von seinen Reisen, welche er in die Donautiefländer unternommen hatte, ausschließlich zu dem Zweck, die dort lebende Vogelwelt zu beobachten. In seinem Berichte wiederholte er dreimal, daß er Pelekane gesehen, sich mühsam an dieselben herangeschlichen und dieselben auch erlegt haben würde, wenn – nun kam das Pferdefutter des dicken Abtes, welchen der Kaiser, laut Bürger, so sehr aus seiner nichtsnutzigen Behäbigkeit aufstörte. Ich konnte mich bei jenem Vortrage des Lächelns nicht erwehren, wenn ich daran dachte, wie ich früher in Afrika dem Pelekan mitgespielt hatte, fühlte aber in die tiefste Seele unseres jungen Vogelkundigen hinein, wie nahe es ihm gegangen sein mochte, die schönen Vögel ziehen lassen zu müssen. Denn Derjenige, in dessen Brust auch nur ein Funke von dem Jagdfeuer glüht, versteht ohne Worte, daß ein so sonderbar gestalteter, schöner, großer Vogel, dessen ganzes Wesen und Leben ebenso eigenthümlich ist, als seine Gestalt, nothwendiger Weise zur Jagd auffordern muß. Ich meinestheils hätte eigentlich zufrieden sein können mit den Jagderfolgen, welche ich gerade bei den Pelekanen gehabt hatte; aber mir kam es darauf an, die im rothen Meere wohnenden, früher nicht beobachteten Arten zu erbeuten, um auf den großen Altar der Wissenschaft wieder ein Scherflein werfen zu können, wie sie es verlangt.

Am fünften oder sechsten Tage unserer Fahrt auf dem rothen Meere gelangten wir in eine jener Gegenden, wo die Pelekane als gemeine Thiere angesehen werden müssen, d. h. wo sie kaum minder häufig sind, als bei uns zu Lande die Sperlinge. Wir waren in die Nähe der Dahlakinseln gekommen und schon an einigen Eilanden vorübergefahren, welche der braune Eingeborne nur zeitweilig mit seinen Viehheerden besucht, während der übrigen Zeit aber dem Geflügel des Meeres zur alleinigen Benutzung überläßt. Hier saßen die Pelekane, Regimentern vergleichbar, in unglaublicher Menge am Strande, theils um verdauend auszuruhen, theils beschäftigt mit dem zeitraubenden Putzen, Ordnen, Glätten und Einfetten des Gefieders, welche Arbeit ja den Vögeln, wie bekannt, einen guten Theil ihrer Zeit wegnimmt. Manchmal hatte es den Anschein, als ob große Heerden blendend weißer Schafe

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