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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

stets „Federic“ unterzeichnet) zierlicher Handschrift stechen Ernst Moritz Arndt’s kühngeschwungene Schriftzüge in’s Auge. Die Verehrer Arndt’s werden auch seinen Stock, den er bis zu seinem Tode führte, mit Interesse betrachten. Von der Wittwe des Dichter als Andenken an ihn, der dem Grafen Giech befreundet gewesen, in die Sammlung verehrt, erhöht sich sein Werth, daß er, ein von Arndt im eigenen Garten gezogener junger Eichenstamm, von diesem eigenhändig abgeschnitten wurde. Ein schwarz-roth-goldenes Band ist um ihn geschlungen. Ferner eine Kupferstich- und Holzschnittsammlung von zum Theil sehr werthvollen Blättern. Eine in einem Thurme befindliche Sammlung von Petrefacten, welche die Jurakalk- und Keupersandsteinformation enthält, hat auch, was Franken an Quarzen, Kalkspathen, Eisenerzen etc. besitzt. Endlich ist noch eine Urkunden- und Druckschriftensammlung zur Geschichte des dreißigjährigen Kriegs zu erwähnen.

Das Kostbarste unter den Werthgegenständen der Curiositätensammlung ist in aufsteigender Linie ein aus Elfenbein sehr zierlich geschnittenes Schiff, Kunstwerk aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts; ein silbernes und vergoldetes Trinkgeschirr in Form eines Mörsers auf einer Lafette. (Mir fiel dabei das alte Studentenlied ein:

„Lasset die feurigen Bomben erschallen,
Piff, paff, puff, piff, trallerallera!“)

Ein großes Trinkhorn mit vergoldeten und gravirten Silberreisen. Ein anderes 1½ Fuß hohes silbernes und reich vergoldetes Trinkgeschirr oder vielmehr Tafelaufsatz, den Ritter St. Georg als Drachentödter vorstellend, wahrscheinlich ein Denkmal des früher in Kärnthen bestandenen St. Georgenordens und Kunstwerk eines Goldschmieds aus Benvenuto Cellini’s Schule, wenn nicht gar von diesem selbst. Endlich vier Hautelissetapeten, von welchen die erste wegen ihres hohen Kunstwerthes die Krone dieser Sammlung bildet. Kunstwerk eines niederländischen Teppichwebers aus dem 16. Jahrhundert, nach dem Carton eines vorzüglichen Meisters aus Raphael’s Schule, 8 Fuß hoch und 13 Fuß breit, prangt sie in reichster Kunst- und Farbenschöne, hat aber in Bezug auf ihre zweifelsohne mythologische Darstellung noch nicht erklärt werden können. Die übrigen drei Tapeten sind von genealogischer Bedeutung für die gräfliche Familie Khevenhüller, indem sie wie auf Votivtafeln neben oder an dem Fuße einer Scene aus der heiligen Geschichte die Gestalten der Donatoren mit ihren Kindern in ganzer Figur mit unverkennbarer Portraitähnlichkeit darstellen.

Eine Menge sehr werthvoller und interessanter Gegenstände, namentlich im Bibliotheksaal, hat hier des Raumes Wegen nicht namhaft gemacht werden können. Sind doch die genannten schon hinreichend, zu einem Besuche des Grafenschlosses in Thurnau anzuspornen. Nachdem wir die genußreiche und belehrende Schloßreise vollbracht, zog es mich mit magischen Banden in den Park, dessen prachtvolle Baumwölbungen mir schon lange verlockend zugewinkt hatten. Vorher aber und gleichsam zur Vorbereitung auf den neuen von dem zeitherigen so verschiedenen und doch nicht minder poetischen Genuß legte uns der Graf ein Gedicht von Taubmann auf Thurnau und seine Umgegend vor. Es ist die einzige poetische Verherrlichung, welche Thurnau erfahren, und es wäre doch werth, daß unsere größten Dichter es besungen hätten. Und noch dazu ist die poetische Beschreibung des so echt gemüthlich deutschen Thurnau – lateinisch! Doch hat der bekannte geistliche Liederdichter Albert Knapp, der kurz vor uns Thurnau besuchte, eine vortreffliche Übersetzung davon gemacht. Es zählt nur wenige Verse, aber sie sind von der süßesten Erinnerung einer schönen Dichterseele an seine reizende Geburtsheimath dictirt. Wir lasen es mit Vergnügen und betraten dann mit gespannter Erwartung den Schloßgarten, in seiner Art so schön und so reich, wie das Schloß in der seinigen. Wir eilten die sanfte Anhöhe hinauf und traten in die Domwölbung der prächtigen, über anderthalb Jahrhunderte alten Lindenallee, welche den untern Theil des ziemlich ausgedehnten Parkes durchschneidet. Im höchsten Grade überrascht und hingerissen, brach ich in einen Jubelschrei aus, einen Naturlaut, der die Stelle eines begeisterten Gedichtes vertrat. Diese Lindenallee hat einst Jean Paul zu dem originellen Ausspruch angeregt, „sie sei würdig, daß Fichte in ihr als dem stolzesten Laubdome Deutschlands seine Reden an die deutsche Nation gehalten hätte.“

Wie wir auch den Garren nach allen Seiten hin durchstreiften, wie wir uns auch in den an üppiger exotischer Pflanzenpracht so reichen Gewächshäusern ergötzten, wie wir die reizend schattirten Berghöhen und Thäler ringsum auf uns einwirken ließen, immer kehrte ich doch zu erneutem Genuß in die Lindenallee zurück. Und wieder war es auch im Garten, wie im Schlosse, wie im Städtchen und der nächsten Umgegend, jener wohlthuende Geist der Ordnung, der Sauberkeit, der Keuschheit und des Friedens, der wie ein süßer poetischer Hauch verklärend über dem Ganzen liegt und schöne Kunde giebt von der antiken Ruhe und deutschen Gemüthstiefe des Mannes, von dem er ausgegangen.

Es wurde noch berichtet, daß Wilhelm von Humboldt in seinen berühmten „Briefen an eine Freundin“ Thurnaus und seines Grafenschlosses erwähnt, dessen Gast er 1828 war. Damals war Graf Hermann von Giech Besitzer der Herrschaft, dessen Gemahlin eine Tochter des großen Stein.




Die Zerstörung der deutsch-amerikanischen Stadt New-Ulm durch die Indianer.
(Original-Bericht.)

Der Leser dieses Blattes wird zweifellos in den jüngst vergangenen Monaten von dem Aufstande der Indianer in Minnesota (Nord-Amerika) gehört und gelesen haben. Bereits brachten verschiedene deutsche Zeitungen die traurigsten Nachrichten von dort über den Ocean in unser glücklicheres Vaterland, doch waren sie weniger ausführlich, und erst jetzt geben Privatnachrichten nähere Kunde über die dort stattgehabten Ereignisse, vor allen über die gänzliche Zerstörung der Stadt New-Ulm. Möge daher der nachfolgende Bericht eines jungen Deutschen, der vor 3 Jahren von Pennsylvanien, wo er 8 Jahre gelebt, nach Minnesota auswanderte und der die Schreckenstage in New-Ulm mit durchgemacht, hier eine Stelle finden. Derselbe lautet also:

Die Stadt New-Ulm mit 1400 meistentheils aus Deutschen bestehenden Einwohnern, eine der blühendsten Städte in Minnesota, wurde im August d. J. 1802 durch die Indianer zerstört. – Es ist dem deutschen Leser vielleicht nicht ohne Interesse, wenn ich – bevor ich den Aufstand der Indianer mit seinen traurigen Folgen schildere – einige Worte über den auswärts noch wenig gekannten Staat Minnesota im Allgemeinen voranschicke.

Minnesota, eine jetzt bereits von der Cultur theilweise eroberte Provinz, liegt, begrenzt von Canada, Iowa, Nebraska und Wisconsin, im fernsten Nordwesten Nord-Amerika’s, und war noch vor wenigen Jahrzehnten eine fast vollständige Wildniß, bewohnt von drei mächtigen indianischen Nationen verschiedenen Stammes, den Chippeways, Sioux und den Dacota’s, deren Ueberreste jetzt noch, auf ein kleines Gebiet beschränkt, an den Grenzen des Staates hausen. Noch vor wenigen Jahrzehnten war der weiße Mann in Minnesota nur ein gelegentlicher Besucher, und die Urgeschichte des Landes und seiner ältesten Bewohner ist diejenige eines unaufhörlichen Kampfes der bedeutendsten Stämme um seinen Besitz, eines Kampfes, von dessen mannigfaltigen Wechseln und Heldenthaten nur noch die indianische Sage meldet.

Französische Pelzhändler und Abenteurer, bald auch Verkündiger des Evangeliums waren die ersten Europäer, die sich vor zwei Jahrhunderten in die Wildniß am obern Mississippi wagten. Frankreichs Flagge wurde 1689 durch Nicolas Perrot hier aufgepflanzt, doch 1763, im Frieden zu Versailles, trat Frankreich jene Gegenden und die dort angelegten Forts an England ab, dessen Herrschaft wiederum 1815 dem nordamerikanischen Sternenbanner wich. Jetzt erst drang die Cultur in das Land, sie hielt mit dem ersten Dampfboote „Virginia“ ihren Einzug und blieb nur so lange noch unsicher, als die untereinander in mörderischem Kriege begriffenen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 743. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_743.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)