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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

ließ. Er sah seine Schuld schneller und tiefer ein, als ich erwartet, und nun, da er sein Weib auf immer und wirklich verloren, begann er ihren Werth richtiger und höher anzuschlagen, als er es jemals zur Zeit ihres Besitzes gethan. Denn was auch versucht wurde, Livia zu ihm zurückzubringen, sie gab niemals nach und hat ihn, so viel ich weiß, nicht wieder gesehen. Der wahnsinnige Verdacht, den der Unselige gegen sie angedeutet, hatte sie ihm für immer entzogen. Gerichtlich geschieden wurden sie nicht; man scheute allerseits das Aufsehen eines solchen Schrittes. – Nach drei Jahren starb sie auch schon und hinterließ ihre damals zweijährige Tochter ohne Einwendung dem Vater. Er hat das als ein Zeichen genommen, daß sie dennoch versöhnt geschieden.

Mit meinem Bruder vereint rückte ich dem Baron Gerold zu Leibe. Davon will ich jedoch nicht mehr reden, es würde ein Mißklang sein nach all dem zwar Traurigen, aber auch Guten und Schönen, was ich Euch zuletzt berichten mußte. Es genüge Euch zu hören, daß ich auch mit ihm leichter fertig wurde, als ich gerechnet, denn er war, wie die meisten Tyrannen und Eisenfresser, im Grunde eine durch und durch feige Seele.

Zwei Tage später war ich daheim und ordnete meine Angelegenheiten, und nach weiteren acht Tagen schrieb ich Livia den Abschiedsbrief, den ersten und letzten, den sie von mir erhalten, und zog wieder für manche Jahre in die Welt hinaus, ein ruhloser Wanderer. Wiedersehen wollte ich sie jetzt nicht – ich traute meiner Kraft nicht. Nachher, da ich ruhiger geworden, war es zu spät, sie war todt, und da konnte ich noch weniger daheim sein.

Erst im Jahre 1802 kehrte ich zurück und hauste auf den Gütern, mit aller Welt, nur mit den Meinen nicht, in Verkehr. Der Vater, der alte Hans Peter und Baron Gerold waren auch bereits gestorben; zu meiner Mutter und meinem Bruder wollte sich aber kein Verhältniß finden. Als Julius an dem unglücklichen Schuß, der ihn das Leben kostete und den, wie man ja weiß, armselige Thoren auf meine Rechnung schrieben, auf den Tod darniederlag, kam es dennoch zwischen uns zur vollen Versöhnung, und er befahl mir seine beiden Kinder an. So zog ich wohl oder übel nach Hohensee herüber und that für die Kleinen, was ich vermochte. Mein Neffe war aber eben ein Hohensee und ließ sich, da die Trommeln schlugen, nicht halten; er fiel bei Aspern. Meine Nichte kennt Ihr; sie ist nicht schön wie ihre Mutter, aber brav und edel wie sie, und mein ganzer Stolz’, mein ganzes Glück.“

Er stand auf und stampfte mit dem Fuß nieder, um die verschobenen Kleider wieder in Ordnung zu bringen. „Die Sonne geht unter,“ sagte er. „Es war ein schöner Tag, Vetter. Wer hätte das nach der rauhen Nacht, nach dem stürmischen Morgen gedacht! Aber es ist in der Natur wie im Leben. Als ich damals Livia entsagen mußte, war mir’s zuweilen, als werde es um mich her ewig Nacht bleiben, und nun – was habe ich doch für ein reiches, warmes, schönes und heiteres Leben gehabt, so viel Glück und Freude an den Kindern, so viel Glück und Segen von der Erinnerung an sie! – Fürwahr, Vetter, der Junker von Hohensee tauscht mit Keinem!“

Ich drückte ihm die Hand. Wir gingen schweigend nach Hause.



Wilhelm Bauer’s diesjährige Herbstarbeiten am Taucherwerke.

Von Dr. Fr. Hofmann.

Ehe ich an die Beschreibung der Herbstarbeiten unseres Wilhelm Bauer an dem Dampfschiff „Ludwig“ im Bodensee gehe, halte ich es für nöthig, die Leser und alle Freunde und Förderer des vom Leipziger Central-Comité in’s Leben gerufenen nationalen Unternehmens auf den richtigen Standpunkt zurück zu versetzen, von welchem sie durch den falschen Zeitungsjubel: „der Ludwig ist gehoben!“ und die Hiobspost: „die Hebearbeiten sind für dieses Jahr eingestellt!“ wohl zum großen Theil entfernt worden sein mögen.

Unser Aufruf an das deutsche Volk sprach es mit klaren Worten aus, daß wir nichts weniger, als die Unterstützung einer Privatspeculation bezweckten. Die Bestimmung der nationalen Beiträge war und ist noch heute einfach die: einem deutschen Manne, dessen bedeutendes Erfindertalent und ungewöhnliche geistige Begabung für die Lösung technischer Aufgaben von den Autoritäten der Naturwissenschaften und der Technik in verschiedenen Ländern einstimmig anerkannt worden ist, die nöthigen Mittel zur Erprobung derjenigen seiner Erfindungen zu bieten, welche für den allgemeinen Nutzen besonders werthvoll erschien. Man wählte nicht sofort eine seiner kriegerischen Erfindungen, weder den Brandtaucher noch die Revolverbatterie, sondern wandte sich vor der Hand der in klaren Plänen dargestellten und durch ein englisches Patent empfohlenen Hebung untergegangener Schiffe und Güter, zunächst aus Tiefen bis 100 Fuß, zu: die Erprobung dieser Erfindung sollte durch nationale Unterstützung möglich gemacht werden, mit der Ausbeutung der Erfindung hat jedoch das Central-Comité nichts zu schaffen, diese muß es seiner Zeit dem allgemeinen deutschen Unternehmungsgeist überlassen.

Von diesem klaren Standpunkt ist man so weit abgeirrt, daß man jetzt, die Hebung des Ludwig für den alleinigen Zweck des Unternehmens hält und somit leicht veranlaßt sein kann, das abermalige Mißlingen der Ausführung derselben als ein Mißlingen des ganzen Unternehmens zu deuten. Von diesem falschen Standpunkt müssen wir unsere Leser auf den richtigen zurückführen, dann werden sie erkennen, daß die Herbstarbeiten Bauer’s auf und in dem Bodensee für die Erprobung der Erfindung nichts weniger als verloren waren.

Jeder verständige Mensch sieht ein, daß eine Erfindung, welche abermals eine Schranke der Natur den Menschen zu durchbrechen und die Naturkraft in einen neuen Dienst für ihn zu zwingen strebt, nicht mit dem ersten Schritt fix und fertig in’s Leben treten kann. Wäre nun bei den bisherigen Versuchen das Princip derselben als falsch, ja selbst nur als zweifelhaft erkannt worden, so müßte man ein Aufgeben der ganzen Unternehmung in der Ordnung finden und die werkthätige Theilnahme, welche sich bis jetzt für dieselbe gezeigt hat, einer lohnsichernderen Sache zuwenden. Es steht jedoch das Gegentheil fest: die Bauer’sche Schiffhebeweise ist im Princip als durchaus richtig erwiesen, ihre Richtigkeit ist durch dreimalige Hebung des vielberufenen „Ludwig“ von dessen erster Lagerstätte bis nahe zum Niveau des Bodensees erprobt, die Fortbewegung des so gehobenen Schiffs mit Erfolg versucht worden; die Hindernisse, welche sich der vollständigen Durchführung der Erfindung auch bei dem letzten Hebeversuch noch entgegensetzten, sind an sich nicht bedeutend, am wenigsten bieten sie unüberwindliche Schwierigkeiten. Gegen die Feindseligkeiten der Elemente hat Bauer stets die rechten Schutzwaffen herzustellen gewußt, so lange ihm die Mittel dazu zu Gebote standen; sie würden auch diesmal überwunden worden, der „Ludwig“ würde sicherlich jetzt gehoben sein, wenn nicht weit schlimmere Tücken, als die der Natur, wenn nicht Selbstsucht, Bosheit und Unverstand der Menschen gerade an dieser Erprobung der Erfindung sich so schwer versündigt hätten. Der vorliegende Artikel kann nicht dazu bestimmt sein, den geheimen Theil der Geschichte dieser Unternehmung darzulegen; für die Wahrheit meiner Behauptung stelle ich jedoch einen Zeugen, den Niemand zurückweisen wird: Feodor Streit von Coburg, den deutschen Mann, dessen unermüdet thätiger, treuer und stets opferbereiter Patriotismus unserm Wilhelm Bauer die diesjährigen Hebungsarbeiten überhaupt möglich machte und der dem Beginn derselben beiwohnte, wie ich, im Auftrag des Central-Comité’s, dem Schluß derselben. Er wie ich haben das nöthige Material gesammelt, um seiner Zeit in dieser Sache – und zwar ohne Ansehen der Person – der Öffentlichkeit das rechte Licht aufzustecken. Hier und jetzt erzähle ich einfach den äußern Verlauf der Bauer’schen Herbstarbeiten an seinem Werke.

Ungefähr Mitte Juli dieses Jahres war Herr Bauer in den Stand gesetzt worden, an die Vorbereitungsarbeiten zu seinem Taucherwerk zu gehen. Das Nächste mußte die Herstellung der Hebeballons und der Tragkameele sein. Hier zeigte sich, als erste Störung der Kostenberechnung, der schlimme Einfluß des amerikanischen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 758. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_758.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)