Seite:Die Gartenlaube (1862) 766.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

nieder, um dem Wasser Ruhe zu geben, seinen Schlick absetzen zu können.

Die eigentlichen Parks liegen nun zwar etwas tiefer als die Reservoirs, aber immer noch höher als der umgebende Theil, und es kann also, wenn zur Zeit der Ebbe das Seewasser durch die Hauptschleuße sich hinaus in die Nordsee gezogen hat, das Wasser durch die hintersten Schleußen ab und dafür frisches aus den Reservoiren zugelassen werden, wodurch die Austern fortwährend gespült werden. Die Wände der Reservoirs sind Erdwälle mit Strohgeflecht besetzt; die Parks dagegen haben Wände von Erde mit Kleie vermischt und nach innen eine dicke Bohlenlage, welche ebensowohl wie der Fußboden massiv und so wasserdicht sein müssen, daß kein den Austern schädliches Untergrundwasser hinein dringen kann.

Die größte Reinlichkeit ist Hauptbedingung, denn die Anstalt ist gewissermaßen ein Rastort, wo die von Whitstable in England kommenden sogenannten Natives-Austern sich von den Anstrengungen der Reise erholen und erfrischen sollen. Die Schiffe legen an der Landungstreppe an; die Körbe werden ausgeladen und die Muscheln in den Parks untergebracht. Sollen sie aber weiter versandt werden, so werden sie wieder mit einer Art Netzschaufel herausgefischt, in dem nahe den Parks liegenden Winterhause sortirt und, in Körbe verpackt, von hier auf der Straße nach Husum gesandt, wo sie dann ihre Weiterreise auf der Eisenbahn fortsetzen.

Es leuchtet ein, daß die Austern jetzt in einem gesündern Zustande zu uns kommen, als wenn sie ohne Aufenthalt von England bezogen werden müßten, und die Austernesser können sich bei dem Herrn Joseph Miller in London bedanken, daß er trotz der großen ihm entgegenstehenden Hindernisse die Anlage dieser Parks bewerkstelligte. Seit dem Jahre 1858 hat die Husumer Austerncompagnie das Unternehmen in die Hände genommen, und unsere Zukunft, soweit sie von frischen Whitstabler Austern abhängig ist, dürfte dadurch gesichert sein.





Zwei Mecklenburger Leidensgenossen.

1. Ein Märtyrer aus der Reformationszeit.
Von Henriette v. Bissing.

Am 19. Mai dieses Jahres, während an vielen Orten unsers deutschen Vaterlandes Fichte’s hundertjähriger Geburtstag festlich begangen ward, fand in Rostock die Enthüllungsfeier eines Denkmals statt, das man dort dem Andenken eines andern hochverdienten deutschen Mannes errichtete, dessen Sterbetag der 19. Mai ist. Beide Gefeierte waren von armen Eltern geboren und hatten sich aus der Dunkelheit niedriger Verhältnisse aufgeschwungen zu Lehrern der Menschheit; beide wurden heldenmüthige, begeisterte und hochbefähigte Vorkämpfer für Licht und Freiheit, der eine auf dem Gebiete des Denkens, der andere auf dem des Glaubens; beide starben im schönsten Mannesalter, nachdem sie schon ihre Saaten reifen gesehen. Von dem Einen, weniger bekannten, will ich jetzt den Lesern der Gartenlaube ein Crayonbild zeichnen, so gut es eine Frauenhand oder doch die meine vermag.

Joachim Slüter erblickte um das Jahr 1496 als der Sohn eines Fuhrmannes zu Dömitz an der Elbe das Licht der Welt. Er war also nur 13 Jahre jünger als Luther, dessen Schüler er werden sollte. Im Jahre 1518 studirte er auf der Universität Rostock und vollendete seine Studien in Wittenberg, wo er bald öffentlich zum Protestantismus übertrat.

Bei seiner Rückkehr nach Rostock (1521) erhielt er sofort eine Anstellung als Lehrer an der Petrischule. Nachdem er diese Stelle zwei Jahre bekleidet hatte, beschloß der Herzog Heinrich zu Schwerin, der ebenfalls zum Protestantismus übergegangen und Patron der St. Petrikirche zu Rostock war, an dieser einen lutherischen Pfarrer anzustellen, und dies ward, auf Bitten der Petrigemeinde selbst, Joachim Slüter. Damit sah sich denn der junge begeisterte Glaubensheld auf den Standpunkt gestellt, der ihm zwar ein Märtyrerthum, aber dennoch die Erfüllung seines höchsten Strebens versprach.

Rostock war zu jener Zeit noch eine durch und durch katholische Stadt. Magistrat und Universität waren mit lauter eifrigen Papisten besetzt; im Dom und in den drei übrigen Hauptkirchen ward an 87 Altären von zahlreichen und zum Theil sehr vornehmen und mächtigen Geistlichen das Hochamt verrichtet und täglich Messe gelesen. Außerdem gab es noch sechs Nebenkirchen mit zusammen 64 Altären; ein Franziskaner- und ein Dominicanerkloster, deren 300 Mönche eben so viele erbitterte Feinde Slüter’s und des lutherischen Glaubens waren, den er jetzt öffentlich und mit täglich sich mehrendem Erfolge predigte. Selbst das Nonnenkloster suchte ihm durch Verleumdungen und Familienanhang zu schaden.

Die größte Gefahr für Slüter ging aber aus den Verhältnissen und der Schwäche des Herzogs hervor. Er war mit seinem Bruder, dem zu Güstrow residirenden Herzog Albrecht, in einen Erbschaftsproceß verwickelt, dessen Endurtheil der katholische deutsche Kaiser zu fällen hatte, den Heinrich deshalb nicht noch durch offene Gewalt gegen die papistische Partei mehr erzürnen durfte, als er es ohnehin schon durch seinen Glaubenswechsel gethan haben mußte. Außerdem nahm er Rücksicht auf den Kurfürsten von Brandenburg und auf seinen eigenen Sohn Magnus, der, obwohl noch minderjährig, zum Bischof von Schwerin ernannt worden war.

All dieser Gefahren war Slüter sich wohl bewußt, allein mit unerschütterlichem Gottvertrauen und der Opferfreudigkeit, wie sie einst die Märtyrer besaßen, trat er sein Amt an und verwaltete es offen und mit aller ihm innewohnenden Kraft. Von Tage zu Tage mehrte sich nun, von der Gewalt seiner Rede hingerissen, auch die Zahl seiner Zuhörer, und die Mauern der geräumigen Petrikirche vermochten bald nicht mehr dieselben zu umfassen. Der unerschrockene Slüter ließ sich daher eine transportable Kanzel anfertigen, von der herab er an schönen Tagen unter der großen Linde auf dem Kirchhofe predigte.

Lange wagten es die katholischen Behörden nicht, offen gegen den Schützling des Herzogs aufzutreten, bis sie endlich einen Augenblick ersahen, um, weil Schleichwege, Spott und Verleumdung nicht gefruchtet hatten, mit Gewalt gegen ihn, als „einen Irrlehrer und Aufrührer“, einzuschreiten. Slüter bewohnte ein kleines bescheidenes Häuschen in einer Ecke zwischen dem Petrithor und der Kirchhofsmauer eingeklemmt, das noch heute existirt. Hier lebte er einsam, nur seinem Berufe und Studium, und hier traten einst am hellen Tage die Büttel und Wächter des Rathes bei ihm ein, überfielen ihn und schleppten ihn gebunden, wie einen gemeinen Verbrecher, auf den Kirchhof, an seiner geliebten Kirche vorüber, auf den alten Markt hinaus, von wo sie mit ihm bis zum Rathhaus zu gelangen suchten, wo man dann kurzen Proceß mit ihm zu machen beabsichtigte. Allein das Gerücht von der Gefahr, mit der ihr angebeteter Lehrer bedroht war, lief wie der Blitz durch die Petrigemeinde, und Männer und Jünglinge, Weiber und Kinder, Alles stürzte tödtlich erschrocken aus den Häusern und suchte in Slüter’s Nähe zu kommen, so daß sich der Zug auf Schritt und Tritt vergrößerte. Man verlangte endlich laut und drohend die Freiheit des in der Hoheit der Unschuld würdevoll dahinschreitenden Opfers des Fanatismus, der Rachsucht und blinder Gewaltthätigkeit; und als die Schergen hierauf nicht achteten, sondern nur desto eiliger fortzukommen strebten, überfielen die Lutherischen sie, entledigten Slüter der Fesseln und führten ihn im Triumph auf den Kirchhof zurück.

Hatte Slüter sich vorhin mit dem freudigsten Gottvertrauen und dem Stolz der Unschuld zum Gericht hinweg führen lassen, so sah er es jetzt wieder als eine Fügung der Vorsehung an, daß seine Freunde ihn befreiten, und Angesichts seiner Kirche und seines noch offen, aber unberührt gebliebenen Häuschens, stimmte er in deutscher Sprache einen Dankpsalm an, in den die Versammelten tiefbewegt einfielen, worauf er sich wieder in seine Wohnung zurückzog. Die Männer aber verbanden sich sofort zu einer Art Leibwache für ihn, um ihn bei Tage und bei Nacht mit Leib und Leben zu bewachen und jede Gefahr von ihm abzuwenden.

Einem so deutlich und energisch ausgesprochenen Volkswillen wagten in jenen fernen Zeiten selbst Magistrat und Geistlichkeit nicht offen entgegen zu treten, besonders auch deshalb nicht, weil sie den Herzog auf Slüter’s Seite wußten, und man schlug nun wieder andere Wege ein, um ihn zu kränken und zu schaden. Es wurde zunächst sämmtlichen Schullehrern und andern dazu bestellten Personen auf das Strengste untersagt, einen Anhänger der neuen Lehre bei seinem Ableben mit Gesang zu Grabe zu geleiten,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 766. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_766.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)