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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

so trachtet es begierig danach, auf den Thronen solches Glück zu zerstören. Die mit Glanz aller Art umgebene Kaiserin sah an ihrer eigenen Schwester, wie wahr dieser Ausspruch ist. Nicht die Königin von Neapel, nein, das deutsche Weib trauert in den Mauern des Ursuliner-Klosters zu Augsburg um ihre Jugend, die an das Schicksal eines ruhmlos und unbedauert untergegangenen Gatten gekettet war. Wie oft hat doch eine Fürstin den traurigen Vorzug, das echte Weib verleugnen zu müssen! Sei es nun durch Erziehung oder durch die Intriguen, durch die ausmergelnde Luft der Höfe oder durch die Erfahrungen des Lebens – es wird schon dafür gesorgt, daß die weibliche Natur sich in das enge Corset der Fürstin füge und zuletzt auf die Glückseligkeiten reiner Frauenempfindungen freiwillig Verzicht leiste, um Ruhe zu haben und um ihrer Bestimmung gemäß das glänzende, prunkende Glück auf dem Throne zu genießen. Wohl sieht dies stolz und schön aus; aber wahrlich! ein braves, frohes, freies Weib aus dem Volke mit einem Mann von Redlichkeit und Fleiß, mit rosigen Kindern, die lustig den Tag begrüßen, mit einem frischen Herzen voll Liebe und Zufriedenheit, wird es nimmer zu beneiden haben!

Schmidt-Weißenfels.





Der Verrath des Barons Warkotsch gegen Friedrich den Großen.

Nach den Acten des Breslauer Oberamtes, datirt Breslau, den 22. März 1762.
(Schluß.)

Als der Baron Warkotsch und Kappel auf diesem Nachtritt bei der Treppendorfer Walkmühle ankamen, begann der Erstere eine Unterhaltung.[1] „Habt Ihr bemerkt, Kappel, wie schlecht der König von Preußen in seinem Quartier steht?“

„Ich denke, gnädiger Herr, er hat seine Garden?“

„Nur 13 Mann sind zur Bedeckung bei ihm. Ein österreichischer General stände nicht so bloß.“

Kappel antwortete Nichts. In diesem Augenblicke ritten sie durch ein Piquet der Zastrow’schen Dragoner; als sie dasselbe hinter sich hatten, begann der Baron wieder: „Wenn die Oesterreicher wüßten, wie der König steht, könnten sie ihn abholen und ohne alle Umstände gefangen nehmen.“

„Wer wird das den Oesterreichern sagen?“

„Ei, glaubt Ihr nicht, daß sie Spione haben?“

„Wenn sie auch Spione haben, so es Gott nicht zulassen will, werden sie den König nicht bekommen.“

„Narr Ihr! glaubt Ihr Gott kümmert sich um den König?

Das ist nur der großen Herren Sache.“

„Ums Himmelswillen, Herr Baron, redet nicht so laut; wenn man uns hörte!“

„Treibt Euer Pferd dicht an das meine, damit ich nicht so laut zu reden brauche.“ Kappel that es. „Wie oft sind wir,“ fuhr Warkotsch fort, „in der Nacht hier geritten, ohne Patrouillen zu sehen oder eine Wache. Es ist sehr kalt, und sie sitzen in den Quartieren, ohne sich zu fürchten, daß die Oesterreicher kommen sollten und sie angreifen. Es ließe sich schon was ausführen.“

Kappel bekreuzte sich im Stillen. Um zwei Uhr nach Mitternacht kamen sie in Schönbrunn an. Der Baron befahl dem Jäger, er solle zu Bett gehen. Kappel trat in sein Zimmer, als seine Ehefrau mit besorgter Miene auf ihn zukam. „Matthias,“ rief sie, „hier ist ein Brief, den mir der Curatus Schmidt selbst überbracht hat. Der Herr, sagte er, müsse ihn haben und sei es noch so spät. Er war bei der Baronin sehr lange, warum gab er ihr das Schreiben nicht? nur Dir soll ich ihn geben! Matthes, was ist’s mit den Briefen? lieber Gott, es geht was vor! thust Du auch keine Sünde? dem Koch und dem Verwalter habe ich den Brief gezeigt, aber sie wollen ihn nicht aufmachen. Matthes, mir drückt’s das Herz ab.“[2]

Kappel beruhigte sie, obwohl er selbst erregt genug war. Der erhaltenen Weisung gemäß brachte er den Brief zu Warkotsch. Als er in das Schlafzimmer trat, fand er den Baron neben der Baronin auf dem Sopha sitzen. Die Dame wurde sehr ungehalten darüber, daß der Curatus ihr nicht den Brief übergeben habe. Warkotsch herrschte ihr zu: „Madame, begeben Sie sich in Ihr Schlafzimmer, Sie haben mit meinen Briefen nichts zu schaffen.“ Er schickte Kappel ebenfalls zu Bette. Dieser lag bald im ersten Halbschlummer. Plötzlich hörte er auf dem Corridor vor seiner Wohnung Jemand gehen. Seine Frau erwachte und sagte: „Hörst Du nichts?“ Beide hörten nun, wie eine Thür geöffnet ward, und die Stimme der Anne Dutkin, Kammerjungfer der Baronin, rief: „Wer ist da?“ Hierauf ward es still, fing aber nach einer Weile wieder zu gehen an. Kappel schlug Licht. Da klopfte es leise an seine Thüre. Er öffnete. Der Baron stand vor ihm, einen Brief in der Hand. „Kappel,“ flüsterte er, „Ihr müßt heute früh um 4 Uhr den Brief an Schmidt bringen.“

„Soll ich auf Antwort warten?“

„Nicht nöthig.“

„Kann ich morgen,“ fragte Kappel, „zu Schmidt in die Kirche gehen? wir Katholiken haben Andreastag.“

„Geht in die Kirche.“ Warkotsch schlich sich fort.

Kaum hatte Kappel die Thüre geschlossen, so warf sich seine Frau ihm zu Füßen, sie beschwor ihn, den Brief zu öffnen, der gewiß ein Verbrechen enthalte, dem er als Werkzeug dienen müsse, er möge bedenken, was er thue, und wie der Baron berüchtigt sei. Anderthalb Stunden wartete Kappel noch, ob Alles still bleibe. Dann löste er mit zitternder Hand das Siegel. Seine Ehefrau hielt das Licht. Beide athmeten kaum. Das erste Couvert, an Schmidt adressirt, enthielt inwendig nur die Worte: „Der Herr Curatus beliebe diesen Brief auf das Allerschleunigste zu bestellen.“ In dem Couverte lag ein zweiter Bries, adressirt: „A Monsieur le baron de Wallis“ Nachdem Kappel das Siegel erbrochen, las er folgendes Schreiben: „Mein lieber General von Wallis! Ich zeige Ihnen an, daß ich gestern in dem Hauptquartiere des Königs gewesen bin und genau alle Nachrichten gebe. Der König hat die mehrsten Regimenter unvermerkt gegen Breslau in die Winterquartiere abmarschiren lassen. Das Geschütz, wie auch die Kriegscasse ist auch bereits abgegangen, der König selbst, wie es sicher ist, wird den 30., als Mittwoch Nachts, nachfolgen. Sein Wagen steht vor der Thür; er ist nur des Regens wegen weggeschoben gewesen. Es ist Zeit; machen Sie Ihr Glück. Man muß den Vogel nicht ausfliegen lassen. Sie haben nichts zu riskiren, da Sie jetzo Wegweiser haben. Lassen Sie Treppendorf rechter Hand liegen, worin etwas Dragoner von Zastrow liegen. Eine halbe Meile am Gebirge linker Hand sind etliche Fußjäger auf Vorposten. Sie können hinten durch den Garten gerade in des Königs Quartier, wo eine Brücke geschlagen ist, eindringen. Bei sich hat der König, rechter Hand im Eingänge des Hauses, nur 13 Mann von seiner Garde zur Bedeckung.

Warkotsch.“[3]

Kappel zitierte während des Lesens an Händen und Füßen. Seine Haare sträubten sich, kalter Schweiß bedeckte seine Stirne. „Hast Du’s gelesen, Frau?“ rief er, „sie wollen den großen König abholen.“

„Sst! Mann,“ flüsterte die Frau, „kein Wort! die Wände haben Ohren. Du mußt ihnen zuvorkommen.“

„Ich liefere den Brief dem Könige aus.“

„Nein, Matthes, horch. Mir kommt ein Gedanke.“ Die Frau theilte nun dem Jäger einen Plan mit, den Kappel befolgte. Leise schlüpfte er aus dem Schlosse, und die Dorfstraße vermeidend, gelangte er an das Haus des lutherischen Predigers Gerlach im Dorfe Schönbrunn. Alles schlief noch im Predigerhofe. Geweckt durch das Klopfen an den Fensterladen, sprang Gerlach auf, erkannte Kappel an der Stimme und ließ ihn ein. Mit Grauen vernahm er die Nachricht. Beide kamen nun überein, daß Kappel sofort dem Könige Meldung machen solle. Um aber jeden Verdacht des Barons oder Wallis’ abzuwenden, copirte Gerlach die beiden Briefe an Schmidt und Wallis, während Kappel das Original dem Könige zustellen sollte. In’s Schloß zurückgekehrt fand

  1. Wörtliche Aussage des Jägers Kappel und seiner Ehefrau, Fol. 3.
  2. Verhörsacten des Jägers Kappel, Fol. 3. Die ganze Scene wörtlich nach Kappel’s Aussage und der seiner Gattin.
  3. Verhörsacten, Fol. 72 u. ff.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 808. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_808.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)