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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

auch viele Juwelen, vertheilte dann Geld unter die Husaren und wollte noch zwei kleine Koffer voll Geld mitnehmen, die im Schlafzimmer standen, aber der Officier ließ es nicht zu, da sie vor einem Ueberfall der Preußen nicht sicher wären. Warkotsch befahl der Kappel, diese beiden Koffer nach Kloster Hennrichau zu schaffen. Dann nahm er noch Wäsche und seine Wildschur und verließ sein Schloß auf immer. Am folgenden Morgen ließ der König die Kappel und sämmtliches Geld nach Strehlen holen. Uebrigens war der Baron sehr glücklich. Es lag ein starkes preußisches Detachement im Hinterhalte, um ihn zu fangen. Der Commandant desselben, Lieutenant von Brausen, hatte Ordre bis zwölf Uhr zu bleiben, da man eine Zurückkunft des Verräthers erwartete. Brausen zog um zwölf Uhr ab, und Warkotsch kam erst um 1 Uhr an, entging also glücklich seinen Häschern. –

In Breslau nahm das Verhör seinen Anfang. Viele Zeugen traten auf, fast Alle gegen Warkotsch und Schmidt. Es wurden verhört: der Jäger Matthias Kappel; dessen Ehefrau; Anna Dutkin, Kammerjungfer der Baronin; Benjamin Gerlach, lutherischer Pastor zu Schönbrunn, und dessen Ehefrau; Gottlob Böhmelt, Jägerbursche; Joseph Reipricht, Verwalter auf Schönbrunn; die Baronin von Warkotsch; der Freiherr von Nimptsch; eine gewisse Eva Paul, Tochter einer Bewohnerin des Dorfes Siebenhuben. Diese Eva scheint der im Briefe angeführte „Wegweiser“ zu sein. Sie war dem „Curatus Schmidt“ wahrscheinlich mehr, als nur Hausmagd. Der Gang des Processes, so wie verschiedene untergeordnete Zeugenaussagen, als z. B. die des Koches, Portiers etc., bieten nichts Bemerkenswertheres dar. Für das Gericht fungirten: Generalfiscal Schultes, Criminalrath Böhm, Inquisitor Belach und als Vertheidiger des Angeklagten: Fiscal Gerlach. Dieser gab sich alle erdenkliche Mühe, für seinen Schutzbefohlenen zu wirken. Verschiedene Male ließ er Handschriften vergleichen, Zeugen verdächtigen etc. Seine ganze Vertheidigung zerfiel jedoch in Nichts, als ein aufgefangener Brief des Barons, an die Baronin gerichtet, bei der Verhandlung verlesen und als echt anerkannt wurde. Der Inhalt lautete:

„Mein Kind! Der verfluchte Gedanke, den ich gegen meinen König gefaßt habe, hat Mich in das Elend gestürzt. Und wenn ich den höchsten Berg bestiege, kann ich solches nicht übersehen. Lebe wohl. Ich befinde mich an der äußersten Grenze der Türkei.

Warkotsch.“[1]

Warkotsch erhielt den verdienten Lohn des Verrälhers. Er entrann zwar der Körperstrafe, starb aber verachtet und von Jedem gemieden, belastet mit dem Fluche der That, in der Nähe von Pesth. Die Kaiserin Maria Theresia bezeigte ihm ihre Verachtung und ließ ihm sagen: Er möge sich fortpacken. Er erhielt ein kleines Sündengehalt von 800 Gulden. Das gesammte österreichische Officiercorps, Laudon an der Spitze, erklärte sich für unbetheiligt bei dem Anschlage, obwohl es nicht wahrscheinlich ist, daß ein Hauptmann wie Wallis auf eigne Verantwortung einen Handstreich von solcher ungeheuren Tragweite, und mit so großen Vorbereitungen verknüpft, zu unternehmen gewagt hätte. Wallis’ Person selbst ist nie bekannt oder aufgeklärt worden, man scheint ihn sorgsam verborgen zu haben. Die gräfliche Familie Wallis machte öffentlich bekannt, daß der Verschworene Wallis nicht zu ihrer Verwandtschaft gehöre. – Die Baronin Warkotsch starb 1789 zu Raab, nachdem sie eine Art von Bußzwang durchgemacht hatte. Sie vermachte ihr Vermögen ihren Angehörigen und Domestiken. Für ihren Mann ließ sie 30 Seelenmessen lesen. Sie ward schon nach dem ersten Verhöre in Freiheit gesetzt.

Kappel erhielt die Hegemeisterstelle zu Oranienburg, und 1779 ließ der König ihm ein neues Haus erbauen, sah ihn aber sehr selten. Kurz nach dem Schlusse der Verhandlungen sagte der König zu ihm: „Lasse Er sich nicht von den Oesterreichern fassen, sonst wird Er in Oel gesotten.“ Dem Prediger Gerlach ward eine Pfarrstelle zu Brieg ertheilt. Böhmelt wurde Unterförster bei Bromberg. – Der Curatus Schmidt ist vollständig verschollen. Man hat niemals erfahren, wo er nach seiner Flucht hingekommen. Das aus der Warkotsch’schen Gesammtmasse stammende Vermögen ließ der König den Breslauer Schulen und Stiftungen überweisen.

Am 22. März 1762 ward das Urtheil des Breslauer Gerichts in contumaciam gegen Warkotsch und Schmidt veröffentlicht. Es lautete: Daß Heinrich Gottlob ehemals Freiherr von Warkotsch und Franz Schmidt durch die wider ihren Souverain geschmiedete Unternehmung, ersterer seines Adels verlustig, beide recht- und ehrlos werden, und ihr gesammtes Vermögen, beweg- und unbewegliches, mit Vorbehalt derer der Eheconsortin des ersteren Verbrechers und einem jeden davon zustehenden erweislichen Anforderungen, dem fisco als verwirktes Gut zu verabfolgen. – Daß demnächst Ersterer lebendig zu Viertheilen, der Zweite zuvörderst zu enthaupten, und sodann der Körper in vier Theile zu theilen, auch bis zu Erfolg ihrer Habhaftwerdung das Urtheil in effigie zu vollziehen und dabei des ersteren Verbrechers Wappen durch den Scharfrichter zu cassiren und zu zerbrechen. –

Diese Strafen wurden „im Bilde“ an den Verbrechern auf dem Salz-Ringe zu Breslau vollstreckt. Der König war innerlich sehr froh, daß Beide entkommen waren, denn er verabscheute die Todesstrafe, und es kostete ihm furchtbare Ueberwindung ein Todesurtheil zu unterschreiben. Auf den Rand des Erkenntnisses schrieb er: „Soll also geschehen; die Portraits werden wohl so wenig taugen, als die Originals.“

G. Hiltl.



Vorlesungen über nützliche, verkannte und verleumdete Thiere.
Von Carl Vogt in Genf.
Nr. 8. Die Schmetterlinge.
(Schluß)
Die Frostspanner und ihre Vertilgung – Schwarzweiße und schwarzgelbe Motten – Die Kornmotten – Hospitanten heraus!

Auch die sogenannten Eulen, deren kleiner Kopf tief in den Schultern steckt und deren Puppen meist nackt oder nur von sehr geringem Gespinnste umgeben in der Erde sich entwickeln, stellen ihr Contingent zu den Heeren unserer Feinde. Da ist namentlich die Kohleule, deren Raupe unter dem Namen des Herzwurmes bekannt ist, weil sie sich in das Innere der Kohlhäupter bohrt, das sie durch Anhäufung ihres ekelhaften Unrathes ungenießbar macht. Da ist die Latticheule, welche Salat und Kohl in unseren Gärten vernichtet; die Lolcheule, welche es namentlich auf künstliche Wiesen und Raygras abgesehen hat; die Erdraupe, welche erst im Herbste erscheint, die jungen Getreidepflanzen verwüstet und sich durch Eingraben in die Erde in der Nähe der Wurzel allen Nachforschungen zu entziehen weiß; die Graseule, welche namentlich im Norden weite Wiesenstriche förmlich abweidet, so daß nicht ein Hälmchen übrig bleibt, und endlich die Ypsiloneule, deren Raupe schon den Spannraupen ähnlich wird und namentlich Gemüse, sowie Flachsfelder verwüstet. Ich beeile mich, über all diese durch ihre Lebensart wenig interessanten Falter hinwegzugehen, um zu den Spannern zu gelangen, von denen einige in ihrer Lebensweise ganz eigenthümliche Verhältnisse darbieten.

Die Arten, welche ich hier im Auge habe, sind der große und kleine Frostspanner (Geometra defoliaria und brumata), von denen der letztere namentlich zuweilen in verheerender Menge erscheint und schon in manchem Jahre die Obsternte bis auf den letzten Stumpf zerstört hat. Die Schmetterlinge erscheinen erst im Spätherbste und Winter von Ende October bis in den December hinein, wo die Männchen mit ihren großen dünnen Flügeln überall in den Obstgärten umherschwärmen. Die Weibchen sind glücklicherweise der Fähigkeit zu fliegen gänzlich beraubt; denn das Weibchen des großen Frostspanners ist ganz ungeflügelt, dasjenige des kleinen dagegen nur mit sehr kurzen Stummeln versehen. Dagegen haben die Weibchen sehr lange, gedornte Beine, mit welchen sie sogar senkrechte, glatte Flächen hinaufklettern können und deren sie sich bedienen, um an den Stämmen der Bäume hinaufzusteigen und an den Zweigen die Eierchen einzeln abzusetzen. Es hält sehr schwer, die kleinen Eierchen zu entdecken, obgleich sie sich an allen Obst- und Gartenbäumen in manchen Jahren in ungeheuerer Menge finden. Sie überdauern die strengste Kälte, schlüpfen mit dem ersten Frühlinge aus und fressen sich sogleich in die Knospen hinein, wobei sie vorzugsweise die Blüthenknospen aufsuchen, indem sie zugleich zu Schutz und Obdach Blüthen und Blätter zusammenspinnen.

So werden namentlich von dem kleinen Frostspanner ganze Gemarkungen

  1. Prozeßacten, Fol. 68, 200.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 810. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_810.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)