Seite:Die Gartenlaube (1863) 085.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Deutschlands Barde und Brahmane.
Von Friedr. Hofmann.


Friedrich Rückert.

Wir waren lockenköpfige Gymnasiasten zur Blüthezeit der altdeutschen Röcke und der Ziegenhainer und jubelten, so ein Dutzend, aus Coburg’s Thoren, um den Schleusingern, d. h. den Zöglingen des Schleusinger Gymnasiums, einen Besuch zu machen. Fröhlich zogen wir die Lossau (jetzt Bahnhof) dahin und an dem nahen Dorfe Neuseß vorüber; selbst die dort linker Hand von einem wohlgepflegten Hügel herabschauende schwarze Grabsäule Thümmel’s, des Dichters der Wilhelmine, konnte keinen Schatten auf die sonnenhellen Gesichter unserer Schaar werfen. Da schweigt auf einmal das muntere Durcheinander des Gesangs und Gesprächs. Einer stößt den Andern an, Aller Augen richten sich vorwärts auf eine Gestalt, die einsam und gemessenen Schritts des Weges daher wandelt. Es ist ein hochaufragender Mann in einfacher dunkler Kleidung. Er schreitet langsam daher, die Hände auf dem Rücken; die langen Locken des sinnend gesenkten Hauptes ruhen auf den Schultern. Je näher wir ihm kommen, desto rascher schlagen die jungen Herzen. Er ist’s! Ich zitterte vor Seligkeit, ich jauchzte innerlich über den kecken Gefühlsausbruch meiner Genossen, die plötzlich wie aus Einem Munde das Lied sangen:

„Bedeckt von Moos und Schorfe
Ein Eichbaum hoch und stark“ –

aber mitsingen konnte ich nicht, sah ich doch zum ersten Mal in

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_085.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2020)