Seite:Die Gartenlaube (1863) 096.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


bürgerliche Mädchen könnten höchstens beanspruchen, daß das Wort Jungfer oder Jungfrau ihrem Namen vorgesetzt werde. Aber wer nicht blind war, konnte schon vor vierzig, funfzig Jahren sehen, daß nicht mehr der bloße Adel, sondern lediglich die höhere Geistesbildung den höhern Schichten der staatsbürgerlichen Gesellschaft beigezählt zu werden berechtigte. – Wenn wir nun vor mehr als vierzig Jahren das Bastard-Wort Mamsell aus unserer herrlichen Sprache ausmerzten, sollte es da nach Verlauf eines Schwabenalters nicht an der Zeit sein, das Wort Madame ebenso abzuwerfen? Sollte nicht jede verheiratete Deutsche sich damit hinreichend geehrt finden, wenn ihrem Namen das schöne deutsche Wort Frau vorgesetzt wird? meinetwegen in manchen Fällen noch verziert mit dem Beiwort gnädig, obwohl es an der Zeit wäre, auch dies in den meisten Fällen jedes Sinnes baare Wort als abgestorben anzusehen, gleich den leidigen Wörtern wohl-, hoch- und wohl-, hochwohl-, hoch- und wer weiß wie noch geboren. Doch nun zu der eigentlichen Bocksbeutelei!

Unsere Frauen lassen sich schon längst das Wort Frau gefallen, aber doch mit einem – oft über alle Begriffe abgeschmackten – Zusatz, als: Frau Doctor A., Frau Director B., Frau Regierungsrath C., Frau Forstmeister D. etc. Abgeschmackt sind diese Zusätze, weil sie unwahr sind, denn Frau General E., Frau Amtmann F. etc. ist der weibliche General E., der weibliche Amtmann F., oder Frau Kreisphysikus G. ist die zum Kreisphysikus ernannte Frau G. – Die Sache wird auch nicht besser, wenn man Frau Generalin E., Frau Amtmännin F., Frau Lieutenantin M. etc. sagt, und man kann sich dabei durchaus nicht auf die Ausdrücke Frau Prinzeß (Prinzessin) Georg, Frau Fürstin Liegnitz, Frau Gräfin Hahn, Frau Baronin Staël etc. beziehen; denn die Frau Prinzessin G. ist die geborene (oder dazu erhobene) Fürstin, welche die Frau des Prinzen G. geworden ist; ebenso ist es mir der Frau Fürstin, Frau Gräfin etc. und allen andern von der Geburt oder dem Stande abhängigen Titelwörtern; aber die Frau des Doctor N. ist weder durch Geburt noch durch Promotion die Frau Doctor oder Doctorin, noch weniger die Frau Doctern; vielleicht ist auch der Herr Doctor nur gekauft.

Man meine nicht, daß es selber eine Bocksbeutelei sei, gegen diese im ganzen Volke gang und gäbe Benennung solcher Frauen, die an betitelte Männer verheirathet sind, zu kämpfen; denn geben die Frauen erst nichts mehr auf Titelworte, so werden sich auch die Männer schämen, nach Titeln, Orden, Standeserhöhungen – was ja oft den Frauen zu Gefallen erst geschieht – zu haschen. Das steht doch fest, die kommenden Geschlechter werden nur und am nachhaltigsten von ihren Müttern, also von Frauen erzogen; haben also unsere Frauen durch und durch deutsche, edle, einfache Sitten sich eingelebt, so werden auch die künftigen Männer deutscher, edler und einfacher sein. und nun noch Eins! Wenn man eine anständige Gesellschaft, die aus Frauen und Männern besteht, anreden will, so klingt die Anrede: geehrte Frauen und Herren! jedenfalls besser, als: meine Damen und Herren!

Dixi.


Ein Seitenstück zu „Rothschild’s Jagd“. Fast die gesammte Presse des cultivirten Europas schenkte der großen Jagd, welche der französische Börsenkönig seinem Kaiser veranstaltete, eine außergewöhnliche Aufmerksamkeit. Die französischen Journale wußten nicht genug Worte zu finden für die Pracht, welche Rothschild bei dieser Gelegenheit entfaltete, und für die Leutseligkeit, mit welcher ihm ihr Kaiser begegnete. Die englischen Blätter ergossen sich in beißendem Witz, und die deutschen belächelten und bespöttelten – den gastfreien Juden. Gerade der deutschen Presse, gerade die reactionären Blätter der preußischen Metropole fehlt alles Recht, solche zur Ehre des Regenten gegebene Feste für ihre Zwecke zu benutzen, gerade sie sollten auf die Geschichte ihres Königshauses zurückblicken, dann würden sie finden, daß die preußischen Könige, die alten Stammhalter des preußischen Regentenhauses, es nicht verschmähten, sich von ihrem Juden fètieren zu lassen. Freilich ist noch ein himmelweiter Unterschied zwischen der Rothschild’schen „Jagd“ und den Fèten der Berliner Juden. Rothschild lud Napoleon freiwillig zum Jagen ein; die preußischen Könige meldeten sich ungebeten bei ihren Juden und nöthigten dieselben zu einem Aufwand, den sie sonst wohl füglich hätten bleiben lassen.

Das Fest, welches wir als Seitenstück zur Rothschild’schen „Jagd“, unseren Lesern vorführen wollen, versetzt uns in die preußische Hauptstadt und in das letzte Lebensjahr des zweiten preußischen Königs, Friedrich Wilhelm I. Er war bekanntlich nicht nur ein ausgemachter Gegner alles Aufwandes, sondern sogar von einer Sparsamkeit besessen, die oft an’s Unglaubliche grenzte, wie sich das namentlich aus seiner Korrespondenz mit seinem „ungerathenen“ Sohne, dem großen Friedrich, deutlich ergiebt. Freigebig war er nur, sobald es sein Heer betraf – um dieses so glänzend wie möglich aufmarschiren zu lassen, scheuete er die größten Summen nicht und war ihm keinerlei Steuer zu hoch – wenn es darauf ankam, gekrönten Häuptern zu imponiren. Um sich und seinem Hofe eine Kurzweil zu verschaffen, wurde die Berliner Judenschaft in Contribution gesetzt: auf besonderen Befehl mußte in dem in der Spandauer Straße gelegenen Hause des bekannten Juweliers und Münzmeisters Veitel Ephraim am 7. Januar 1740 ein großes Fest stattfinden. Kommt der bei dieser Gelegenheit „auf höchsten Befehl“ entfaltete Luxus dem der Rothschild’schen Jagd auch nicht gleich, so müssen die Verhältnisse und Persönlichkeiten, der hohe Gast und der einäugige Gastgeber in Betracht gezogen werden. Soviel ist gewiß, Ephraim hatte Alles prächtig arrangirt. Das Haus war zu beiden Seiten mit kostbaren Teppichen behangen und das Innere desselben gleichsam in einen türkischen Bazar verwandelt. In dem einen Zimmer hatten verschiedene jüdische Kaufleute allerhand Brabanter Spitzelt feil, in einem andern waren Galanteriewaaren ausgelegt; dem gegenüber befand sich ein Saal mit reichen französischen Stoffen. In einem vierten Zimmer hatte der Juwelier selbst mit Juwelen seinen Stand. Von da trat man in zwei Säle, von denen der eine mit reichgestickten Kleidern, der andere mit feinen und seltenen Schildereien aus Italien und Holland ausgeputzt war. Vom Eingang des Hauses bis zum Ende des großen Hofes waren die Fußböden mit prächtigen Brabanter Tapeten belegt, die Wände mit Orangerien bekleidet und mit vielen hundert Lampen und Lichtern illuminirt. Auf dem Hofe zur rechten Hand waren die Zimmer zur „unterthänigsten“ Aufwartung für die königlichen Herrschaften kostbar meublirt. Nachmittags gegen 3½ Uhr gelangte die königliche Familie in Begleitung der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Herrschaften und vieler Standespersonen vor Ephraim’s Haus, an dessen Eingänge sie von dem „riesenhaften“ Juden und seinen galanten Söhnen empfangen wurden. Nachdem sie einige Erfrischungen angenommen hatten, schritten sie zur Besichtigung der für sie ausgelegten Kostbarkeiten und geruhten einige als Geschenk huldvoll entgegen zu nehmen, andere durch Kauf an sich zu bringen. Sodann wohnten die hohen Herrschaften einer Festlichkeit bei, welche von Ephraim „auf besondern Befehl“ seiner Gäste mit dem königlichen Besuche in Verbindung gebracht worden. Es war die eheliche Verbindung eines von dem reichen Ephraim erzogenen jüdischen Waisenpaares. Die Trauung fand nach damaligem Gebrauch auf freiem Hofe unter einem mit Silber und Gold gewirkten Trauhimmel statt. Nach beendeter Feier begann der Tanz der jungen Leute, dem die „höchste Gesellschaft“ noch einige Zeit zuschauten und sich dann nach Hofe zurück begaben.

Dieses Fest wurde von der königlichen Familie gewiß schneller vergessen, als die Jagdlust des Königs von den Juden. Friedrich Wilhelm war ein besonderer Freund der Sauhetze. Im Jahr 1729 wurden allein in der Mark und in Pommern 3602 wilde Schweine erlegt. Bei seinem Geize wollte er seine Beute auch versilbern und kam daher auf den originellen Einfall, der Judenschaft eine große Menge wilder Schweine zuzutheilen. Da er wußte, daß die Juden ihrem Religionsgesetze zufolge sich des Genusses des Schweinefleisches enthielten. so verordnete er zugleich, nach erfolgter Zahlung das Wild an die Armenhäuser und das große Hospital zu schicken.

M. K.
Kleiner Briefkasten.

A. in W. Der „Hermann“ erscheint wöchentlich in London und verdient Ihre Sympathien vollständig.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_096.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)