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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


meinem braven Herrn zum Verräther zu werden, daß er nur darum in dessen Freundschaft und Vertrauen sich hineingelogen hatte, um ihm sein Glück, seine Ehre, um ihm Alles zu stehlen. Schon im verflossenen Winter hatte ich einmal zufällig ein Gespräch mit ihm und der Herrin belauscht, worin er dieser von seiner Liebe vorsprach ihr sagte, daß er ohne sie nicht leben könne, und dergleichen Worte. Die Freifrau wies ihn entschieden und mit Entrüstung zurück, und verbot ihm das Schloß, wenn er nicht sein Ehrenwort gebe, nie wieder so etwas zu ihr zu sprechen. Er gab das Versprechen. Ich sah die Herrin unbefangen, wie vorher, und hatte die Beiden nie wieder allein beisammen gesehen. Ich dachte, er habe sein Wort gehalten, und machte daher dem Herrn keine Mittheilung von dem, was ich gehört hatte. Ich glaubte, es nicht thun zu dürfen, um seiner und der Herrin Ruhe willen. Hätte ich es dennoch gethan! Der Graf war ein ehrloser, wortbrüchiger Mann gewesen –“

Vorn in den Bänken des Zuschauerraums entstand eine Unruhe. Die vornehmen Herren und Damen saßen da, Herren und Damen von Adel, Officiere und ihre Frauen. Zischeln des Unwillens wurde laut, drohende Blicke trafen den Zeugen. Der alte Mann hörte das Eine, sah das Andere. Der Präsident war der vornehmen Welt gegenüber verlegen geworden. Der greise Diener sah furchtlos nach den unruhigen Bänken hinüber und mit erhöhter Stimme fuhr er fort:

„Der Graf Hochhausen war ein Nichtswürdiger, ein Elender. Meine Herrin war eine brave, treue Gattin gewesen. Er hat sie verdorben, durch Künste der Hölle, durch ehrlose Büberei –“

Der Zeuge wurde noch einmal unterbrochen. Nicht von jenen vornehmen Zuschauerbänken aus. Der Angeklagte erhob sich plötzlich von der Anklagebank. Sein Gesicht glühte, seine Augen flammten, seine Lippen zuckten.

„Bartholomäus!“ rief er mit lauter, zorniger Stimme dem Zeugen zu. „Du verleumdest Deine Herrin! Du entehrst Deinen Herrn!“

Der Zeuge brach zusammen.

„Herr, Herr –“ rief er.

Der alte Mann mußte sich auf einem Stuhle niederlassen, der neben ihm stand. Er war den Officieren, als sie vorhin vernommen wurden, hingestellt worden. Der Präsident nahm strenge das Wort.

„Angeklagter, Sie haben nicht das Recht, den Zeugen zu unterbrechen. Sollte es noch einmal geschehen, so werde ich Sie sofort aus dem Saale hinausführen lassen und den Zeugen ohne Ihre Gegenwart vernehmen.“

Der Angeklagte hatte nur mit Ungeduld die Worte des Präsidenten anhören können.

„Lassen Sie mich hinausführen,“ rief er heftig, leidenschaftlich. „Glauben Sie, mein Herr, ich könne es ruhig anhören, daß meine und meiner Gattin Ehre geschmäht wird? Meine Frau ist das reinste, das treueste Weib auf der Erde, und dieser alte Mann ist ein Verleumder, ein elender, gemeiner, undankbarer Lügner. Mag er aufstehen und das Gegentheil sagen. He, Mensch, stehe auf. Wiederhole Deine erlogene Anklage gegen Deine Herrin, gegen die Ehre Deines Herrn. Stehe auf, befehle ich Dir.“

Es war dem Präsidenten nicht möglich gewesen, den Strom, den Sturm seiner Worte aufzuhalten. Der alte Diener saß wie vernichtet da. Er wollte sich erheben, dem Befehle seines Herrn zu gehorchen. Er sank zurück. Der Präsident nahm wieder das Wort.

„Angeklagter,“ sagte er, „ich bedauere, daß Sie mich dazu zwingen, von meinem Rechte und von meiner Pflicht Gebrauch machen zu müssen. Die Ruhe der Verhandlung darf hier nicht ferner gestört werden. Welchen Eindruck Ihr leidenschaftliches Benehmen, das Ihnen selbst an dieser Gerichtsstelle keine Mäßigung gestattet, auf die Herren Geschworenen machen muß, das mögen Sie sich selbst sagen. – Gerichtsdiener, führen Sie den Angeklagten aus dem Saale.“

Der Angeklagte hatte sich schon erhoben.

„Hinter dem Rücken des Gefesselten,“ sagte er stolz, „können Feigheit und Verrath Alles, eine edle Frau schmähen, einen Ehrenmann zum Schaffot verdammen.“

(Fortsetzung folgt.)



Theodor Körner’s Leier und Schwert.
Nach ungedruckten Privatmittheilungen zweier Zeitgenossen Körner’s.


Weint nicht um mich, beneidet mir mein Glück,
Denn was, berauscht, die Leier vorgesungen,
Das hat des Schwertes freie That errungen.
     (Aus der Zueignung vor Körner’s Liedercyklus.)

Von all den im Befreiungskriege gefallenen deutschen Helden hat wohl keiner im Herzen des ganzen Volkes sich ein bleibenderes und ehrenvolleres Angedenken zu erringen vermocht, als Körner. Er war „zugleich ein Sänger und ein Held“, begeistert von der erhabensten Liebe für sein geknechtetes Vaterland, für dessen Befreiung er sein junges, schönes und so unendlich viel versprechendes Leben opferte. Ganz abgesehen von seiner persönlichen Tapferkeit und von seinem keine Gefahr scheuenden Muthe, hat Körner an den Erfolgen jener blutigen Zeit einen bedeutenden Antheil, denn keiner verstand es so wie er, seine Begeisterung in Worte, in Lieder zu kleiden, die bei Alt und Jung von gleich erhebender Wirkung waren und die den Fahnen des Volksheeres so manchen heldenmüthigen Kämpfer zuführten.

Fünfzig Jahre sind seit der Entstehung jener Lieder verflossen, die inzwischen das geliebte Eigenthum der ganzen Nation geworden sind. Aber Hunderte von Jahren können noch vergehen, ohne daß sich die Wirkung dieser Kraftgesänge abschwächen wird. Der Hauch jener gewaltigen Zeit weht in erhebender Frische in den Körner’schen Vaterlandsliedern, und das ist es, was ihnen auch eine unvergängliche Dauer sichert.

Leier und Schwert“ ist der Titel, welcher der Sammlung jener Lieder in Körner’s Werken voransteht, und in diesen beiden Worten drückt sich das ganze Leben des Dichters aus: er sang und kämpfte; denn nicht blos durch seine Gesänge, auch durch seine That wollte er den wehrhaften Männern Deutschlands ein unsterbliches Beispiel geben.

In den früheren Jahren huldigte der Dichter gern romantischen Leidenschaften und gefiel sich besonders darin, als Troubadour mit seiner Laute umherzuschweifen. Er war ein vorzüglicher Lautenspieler, und, wie er oft sagte, seine Leier war auch sein Stolz, seine Geliebte. Später theilte er seine Liebe zwischen Leier und Schwert, seine Eisenbraut, die ihn in den Tod begleitete.

Allen Verehrern Körner’s – und wer wäre dies nicht! – ist es gewiß nicht uninteressant zu erfahren, daß die süßtönende Begleiterin seiner Streifzüge, die Leier, und auch das erste Schwert, mit dem der Dichter in den Kampf eilte, noch heute wohlbehalten im Besitze einer Leipziger Familie sich befinden. Derselben Familie verdanken wir auch nachfolgende Mittheilungen aus Körner’s Leben und besonders über dessen Erlebnisse und Rettung nach jenem mörderischen Ueberfall bei Kitzen.

Die Körner’sche Familie in Dresden war mit der des Kaufmann Kunze in Leipzig auf das Innigste befreundet, und es herrschte zwischen ihnen der herzlichste Verkehr. Der Appellationsrath Körner, des Dichters Vater, der edle, treue Freund Schiller’s, traf mit Letzterem mehrere Male in Leipzig zusammen; dann waren diese beiden Männer stets willkommene Gäste im Kunze’schen Hause, und dorthin brachte der Rath Körner im Jahre 1799 auch zum ersten Male seinen Sohn mit. Dieser war damals erst acht Jahre alt, fand jedoch in Wilhelm, dem mehrere Jahre älteren Sohne Kunze’s, sofort einen warmen Freund, denn der Knabe Körner muß es schon damals so gut als in späterer Zeit verstanden haben, sich die an Jahren reiferen Personen rasch zu Freunden zu machen.

Der Knabe Körner wurde Carl gerufen, denn Theodor war nur sein zweiter Taufname. Doch da er unter diesem später seine ersten dichterischen Versuche drucken ließ, so nannte man ihn allgemein von da an nur Theodor Körner. Seinem Vater war dies anfangs nicht ganz lieb, denn Schiller hatte aus herzlicher Liebe zu dem Freunde seinen eigenen 1793 geborenen Sohn

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_116.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2018)