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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Dahl – an einem Sonntagsmorgen auf dem Kampfplatze, einem Gehölze bei dem Dorfe Eutritzsch, gegen eine Stunde den Leipzig entfernt, zufammengetroffen. Da Körner ein guter Fechter war, so hatten ihn die Secundanten gebeten, seinen Gegner zu schonen, weil dieser weniger in Führung der Waffen geübt. Körner hatte dies auch beobachtet, damit nicht eine erhebliche Verwundung stattfände, durch die das Duell leicht verrathen werden konnte. Der ungeübte Gegner hatte aber weder Schonung noch Rücksicht genommen, und Körnern eine Prima mit dem Schläger über den Kopf gehauen, durch welche nach Spaltung des Hutes die Spitze des Schlägers an der Stirn herabgeglitten war, und am Bogen der Augenbrauen die Augenhöhlenschlagader an derjenigen Stelle zerschnitten, wo diese durch die Oeffnung am Augenhöhlenrande auf die Stirn tritt, worauf sich die Schlagader offenbar in die Augenhöhle zurückgezogen hatte, ein Fall, der für die Technik unerfahrener und ungeübter Wundärzte eine schwere Aufgabe war. Auf dem Kampfplatze war Dahl zwar schon bemüht gewesen, die Blutung zu stillen, da dieses jedoch nicht hatte gelingen wollen und die Spaziergänger aus Leipzig bei der vorschreitenden Tageszeit Störung veranlaßten, so war beschlossen worden, den Verwundeten nach der Stadt zu bringen. In Ermangelung eines Wagens war nun Körner mit einem leichten Verbande um den Kopf zu Fuße fortgewandert. Wenn aber an einem warmen Sommermorgen ein junger Mann in einen langen Mantel gehüllt mit verbundenem Kopfe auf einer Promenade einherschreitet und von Zeit zu Zeit Blut von sich giebt, da das über das Gesicht fließende Blut sich stets im Munde sammelte, so ist dieses in einer kleinen Stadt, wie es Leipzig damals war, eine Erscheinung, die bald zum Tagesgespräch wurde, und deshalb war Körner’s Duell so bald dem Universitätsgerichte verrathen worden.“

An demselben Morgen wollte unser Berichterstatter einen Freund, der in Leipzig Arzt war, in dessen Wohnung in der Grimmaischen Vorstadt besuchen. Erst nach wiederholtem Klopfen öffnete man ihm, und er fand in jener Wohnung den verwundeten Körner, mit dessen Behandlung jener Arzt und zwei Studenten der Medicin beschäftigt waren. Es wollte diesen wenig erfahrenen jungen Leuten nicht gelingen, die starke Blutung zu stillen, und man befand sich in großer Verlegenheit, da man sich um so mehr hüten mußte, weitere ärztliche Hülfe zu requiriren, als nach damaligen Gesetzen in Sachsen noch die Aerzte der Duellanten stets bestraft wurden. Müller sah jedoch ein, daß bei längerem Zögern eine Verblutung erfolgen mußte, und er übernahm es, selbst einen erfahrenen Wundarzt herbei zu holen. Glücklicher Weise wurde jedoch, als er zu jenem Zwecke das Haus kaum verlassen hatte, die Blutung gestillt und alle Gefahr damit beseitigt. Es wurde nun beschlossen, Körner in die Wohnung eines Freundes zu schaffen, da in seiner eigenen Wohnung das stattgefundene Duell leichter verrathen werden konnte. Nach Müller’s Bericht sollte Körner, sobald er geheilt wäre, auf die neu errichtete Universität nach Berlin gehen, wo man es hoffentlich mit den Zeugnissen nicht so genau nehmen würde, für den Fall nämlich, daß jenes Duell entdeckt und wie gewöhnlich mit Relegation von der Leipziger Universität bestraft werden möchte. Schon am nächsten Tage war denn auch wirklich eine Vorladung vor das Universitätsgericht erfolgt, der Körner allerdings nicht Folge leisten konnte, worauf denn auch dessen Relegation durch Anschlag an das schwarze Bret erfolgte. In Berlin aber wurde er später wegen nicht ausreichender Zeugnisse dennoch nicht zur Universität zugelassen.

Im August des Jahres 1811 ging Körner nach Wien, und hier begann für ihn ein neues Leben, denn er hatte sich das Ziel gestellt, fortan nur der Dichtkunst seine Kräfte zu weihen. Mit welchem Erfolge er dies that, ist bekannt. Hauptsächlich beschäftigte er sich in Wien mit dramatischen Arbeiten, durch die der zwanzigjährige junge Mann bald die Stelle eines k. k. Hoftheaterdichters erhielt. Er glaubte sich am Ziele seiner Wünsche angelangt, denn auch die Liebe beglückte ihn. Eine vorzügliche, tugendhafte und schöne Schauspielerin, Toni Adamsberger, hatte sein Herz gewonnen, und selbst Körner’s Eltern segneten diesen Bund, da auch sie von den Vorzügen dieses holden Mädchens bezaubert waren.

Unterdessen aber zogen von Westen her die verderbenschwangern Gewitterwolken immer dichter über Deutschland zusammen; der französische Usurpator traf alle Anstalten, unserm geknechteten Vaterlande den Todesstoß zu versetzen. Allein jetzt regte sich auch mächtiger als je die Vaterlandsliebe und gab sich durch Tausende von erhebenden Beispielen kund. Im Frühjahr 1813 erschien der Ausruf an die deutsche Jugend zur Bildung von Freicorps und fand in Körner’s Herzen sogleich den lautesten Wiederhall. Das Vaterland war in Gefahr! Sollte der hochherzige Körner da allein zurückbleiben und nichts für die Rettung der Freiheit seines Volkes wagen? Er verließ die geliebte Braut, gab seine glänzende Stellung auf und eilte nach Breslau, wo er unter Lützow’s Schaaren als Jäger eintrat. Begeisterung erfüllte ihn, als er die Menge edelmüthiger Waffengenossen um sich sah, und rasch entstanden jene feurigen Kriegslieder, die bald Gemeingut aller Befreiungskämpfer wurden.

„Im April 1813,“ berichtet Kunze, „kam Lützow’s Freischaar nach Leipzig, und Körner, als Oberjäger, ließ sich bei mir einquartieren. Er beabsichtigte damals zwölf freie deutsche Lieder herauszugeben und brachte deren elf mit, als er zu mir kam. Das zwölfte „Lützow’s wilde, verwegene Jagd“ schrieb er am 24. April 1813 hier auf dem Schneckenberge. Hierauf dictirte er es mir in die Feder, gab mir die übrigen elf Lieder sammt dem Titel als Manuscript und wünschte, daß ich für die Herausgabe besorgt sein möchte.“

Die Herausgabe jener Lieder unterblieb damals noch, doch waren die meisten derselben bereits in Aller Munde.

„Es war an einem Sonnabende,“ fährt Kunze sort, „als Körner das erwähnte zwölfte Lied vollendete; am Tage darauf sollte das Corps abmarschiren. Bei der Aufstellung auf dem Markte wurde Körner zum Officier ernannt. Seine Uniform erforderte wenig Abänderung, und auch dabei konnte ich ihm helfen. Die Uniform wurde bei mir in der Eile mit der Officiersabzeichnung versehen; einen Säbel konnte ich ihm geben, dagegen ließ er mir den Hirschfänger, den er bisher getragen hatte, zurück. Gegen Mittag rückte das Corps aus, und lange Zeit erfuhr ich nichts von ihm.“

Bei der Unsicherheit der damaligen Verkehrswege darf dies nicht auffallen; nicht allein Kunze, sondern auch Körner’s übrige Leipziger Freunde, deren er eine Menge zählte, blieben ohne Nachricht von ihm. Wir wissen, welche Ungeduld sich der kühnen Lützow’schen Freischaar bemächtigte, als sie die ersehnte Thätigkeit so lange nicht entfalten konnte und meist größern Armeecorps zugetheilt wurde. Die Verzweiflung erreichte den höchsten Grad, als der am 4. Juni 1813 zwischen den Franzosen einerseits und von Preußen und Russen andererseits geschlossene Waffenstillstand bekannt ward. Der Kampfesmuth der Lützower sollte also wieder ohne Nahrung bleiben. Lützow, der inzwischen Körnern zu seinem Adjutanten erhoben hatte, beschloß, mit seiner Reiterschaar vom sächsischen Voigtlande aus sich mit der Infanterie seines Corps zu vereinigen.

Von französischer Seite hatte man Lützow von dem abgeschlossenen Waffenstillstand in Kenntniß gesetzt, allein die kampfesmuthige Schaar stellte die Feindseligkeiten nicht ein, weil Lützow vorgab, diesen Waffenstillstand nicht respectiren zu können, da er keine officielle Anzeige desselben von seinen Vergesetzten erhalten habe. Die Franzosen geriethen hierüber in die äußerste Wuth, und Napoleon gab den Befehl, das Lützow’sche Corps – diese brigands wie er sie nannte – aufzusuchen und zu vernichten.

Der Herzog von Padua, welcher damals Befehlshaber der französischen Truppen in Leipzig war, erhielt die Weisung, den Plan seines kaiserlichen Protectors sofort in’s Werk zu setzen, und alsbald ließ jener General mobile Colonnen bilden, welche das Lützow’sche Corps aufsuchen sollten. Eine dieser Colonnen bestand aus einem Bataillon württembergischer Infanterie unter dem Commando des Oberstlieutenant Kechler, und derselbe Officier, welcher damals Adjutant Kechler’s war, hat uns die folgenden nähern Umstände mitgetheilt, damit seine so oft geschmähten Landsleute eine Rechtfertigung finden möchten.

In Zeitz erfuhr Kechler. daß Lützow’s Corps in der fünf Stunden entfernten Stadt Gera angelangt sei, und er sandte deshalb seinen Adjutanten als Courier nach Leipzig, um schleunig Verhaltungsbefehle einzuholen. Der Adjutant, den man von Seiten des französischen Generalstabes in Leipzig höchst mißtrauisch behandelte, erhielt die Weisung: daß Kechler’s Colonne dem Lützow’schen Corps, sobald dies bei Zeitz vorübermarschirt sei, auf dem Fuße folgen solle, jedoch ohne einen Angriff zu unternehmen. Am nächsten Tage fand auch bei Zeitz der Vorbeimarsch der Lützower statt, und Kechler’s Truppen folgten jenen, dem erhaltenen Befehle gehorchend.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_118.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)