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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

den thörichten Michel höchstens zu einem neuen Denkmal zu begeistern.

Joseph Ressel’s Erfindungen sind nur zum kleinsten Theile bekannt geworden, da nur wenige zur Ausführung oder durch Patentirung wenigstens dem Namen nach in die Oeffentlichkeit kamen, die meisten und großartigsten handschriftlich in seinem Pulte der Auferstehng harrten. Es möge hier genügen, nach der Angabe öffentlicher Blätter und insbesondere Dr. Reitlingers (in seiner Festschrift zur Enthüllungsfeier des Ressel-Denkmals in Wien) die vorzüglichsten namentlich aufzuführen. Sie sind: ein neues und einfaches horizontal wirkendes Windflügelrad mit vertical stehendem Wellbaume, welches stets in Thätigkeit sein kann, ohne Rücksicht auf Stärke und Richtung des Windes; neue einfache Zapfenlager für Maschinen und Wagenachsen, um die Reibung auf ein Minimum zu reduciren; ein Schiff, welches mit der eigenen Kraft des abwärts fließenden Wassers, ohne Ruder, ohne Dampfmaschine, ohne Pferdezug, stromaufwärts fahren kann (1826 patentirt); eine Walzmühle zur Vermahlung des Getreides (1827 patentirt); ein einfacher Apparat, um aus den geeigneten Vegetabilien den Farbe-Gerbstoff zu ziehen und die Extracte in einen festen Zustand zu verwandeln (1829 patentirt); eine Presse mit Schrauben ohne Mutter zur Auspressung von Oliven etc. (1842 patentirt); eine neue Kanonenlaffete für Kriegsschiffe, um die Erschwerung der Seitenwände beim Rückstoß der Geschütze zu beseitigen; eine neue Boussole, welche unter jedem Längen- und Breitengrade, sowie unter jedem fremdartigen magnetischen Einfluß unverändert bleibt. Außer diesen und vielen anderen Erfindungen verbesserte er ferner noch das Lederzeug der Soldaten; er gab dem Bauer einen neuen Pflug, dem Salzmonopole eine billigere Salzgewinnung, lieferte Surrogate für das Schiffbauholz; ihm verdankt man die neue Bewaldung Istriens, er sorgte für die Entwässerung von Sümpfen und bot die Mittel zur Bewässerung der Sandebenen Aegyptens. Und wie er durch seine Einrichtung der Schraube das Kriegsschiff mit der Gewandtheit eines Ringers ausrüsten wollte, der am eigenen Platze sich wenden könne, so schreckte er auch nicht vor dem Gedanken zurück, einen Mechanismus herzustellen, um die Wasserkräfte in die Entfernung zu leiten und durch richtige Vertheilung ihrer Wirkung den Naturkräften in einem Lande den höchsten Werth zu verleihen. – „Ein Füllhorn des Segens und Reichthums hätte Ressel über Oesterreich ausgießen können“ – so ruft Reitlinger aus – „aber was fehlte, daß ein Ressel seinem Vaterlande eine eben solche Vermehrung seines National-Reichthums verschafft hätte, wie Watt und Stephenson dem ihren? – Englische Verhältnisse!“ –

Wie Joseph Ressel unter den deutschen, oder vielmehr den österreichischen Verhältnissen seiner Zeit elend zu Grunde ging, ist mit wenigen biographischen Worten angedeutet.

Wilhelm Bauer.

Ressel wurde im Jahre 1793 zu Chrudim in Böhmen von deutschen Eltern geboren. Er genoß das für ihn doppelt wichtige Glück einer wissenschaftlichen Vorbildung, mit der er einen theoretischen und praktischen Cursus des Land-Artilleriewesens verband, um sodann 1812 die Universität Wien zu beziehen. Hier waren Mechanik, Physik und Chemie seine Hauptstudien. Als aber nach zwei Jahren seine Eltern das Mißgeschick der Verarmung traf, mußte Ressel sich nach einem früher versorgenden Berufe umschauen; durch die besondere Vergünstigung eines kaiserlichen Kammerdieners erhielt er eine Freistelle an der Forstanstalt zu Mariabrunn und zeichnete sich hier so aus, daß er schon 1817 zum Districtsförster von Platerjach in Krain ernannt werden konnte. Von da wurde er im Jahr 1821 als k. k. Waldmeister nach Triest versetzt, der Stadt seines großen Wirkens und seiner bitteren Leiden.

Schon als Student, im Jahr 1812, hatte Ressel in der archimedischen Schraube eine neue Bewegungskraft erkannt und die Construction der Propellerschraube in einer Zeichnung dargestellt. In Triest sollte sie zur ersten Anwendung kommen; in der That, an einen günstigeren Ort konnte das Geschick Ressel nicht führen, wenn es auch die rechten Menschen für ihn dort hingestellt hätte. Diese waren jedoch so rar, daß Ressel erst nach fünf Jahren den aufopfernden Mann fand, der die Kosten einer Schraube, d. i. die Summe von 60 fl. (sechzig Gulden) daran wagte, – so vorlaut hatte sich in Triest bereits der Spott über die neue Sache ergossen. „Will er mit der Schraube das Meer anbohren?“ fragte man, man verlachte Ressel’s schöne Vorstellung vom Wasser als Schraubenmutter; ja selbst das, wodurch das schon oft angeregte Problem des Schraubenschiffes erst gelöst, erst zur wirklichen Erfindung erhoben wurde, Ressel’s Gedanke, für die Schraube einen neuen besonderen Raum am Hintertheile des Schiffs zwischen den Hintersteven und dem Steuerruder (jetzt Propellerbrunnen genannt) zu schaffen, ward nicht begriffen.

Endlich konnte mit einem kleinen Boot der erste Versuch gemacht werden, wobei die Schraube zwar nur von zwei Männern in Bewegung gebracht wurde, aber dennoch bewährte sich die Erfindung;

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_125.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)