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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


und Herbst, daß seine edle Gattin und er sich noch in späteren Jahren gern dieses Aufenthalts erinnerten, und für diese ganze Zeit hat ein freundliches Geschick mir den treusten Berichterstatter gegeben – in meiner Mutter. Sie war, damals funfzehn Jahre alt, von Jean Paul’s Gattin als Dienstmädchen in’s Haus genommen worden, und sie blieb bei der Familie bis zu deren Abreise nach Baireuth.

Einem Jean Paul gegenüber ist die Bemerkung wohl kaum erlaubt, daß seine Persönlichkeit und sein ganzes ungewöhnliches Wesen auch der einfachsten Auffassung als etwas Besonderes erscheinen mußte, das bis in’s Einzelne sich zu unvergeßlichen Erinnerungen einprägte. So erging es auch meiner Mutter. Kein Ereigniß ihrer Jugend regte sie noch in den spätesten Jahren so freudig auf, als wenn sie von „Jean Pauls” erzählte und von den mancherlei „Wunderlichkeiten des guten Herrn”. Vermochte sie auch nie die eigentliche wahre Größe des Mannes zu würdigen, da ihrem Lebensgang, wie dem so vieler Millionen im armen Volke, der Blick zu den geistigen Schätzen des Lebens verschlossen blieb, so galt ihr doch der Mann als „etwas gar Seltsames unter den Menschen”, und was sie von ihm erzählte, zeugt ebenso für ihre richtige Auffassung und ihr rein natürliches Gefühl für das Große und selbst für das Dichterische, wie es auch Jean Paul’s vollkommen würdig ist. Davon möge nun hier nur das Folgende, als dem vorliegenden Zweck entsprechend, seine Stelle finden.

Jean Paul wohnte in Coburg in dem später sogenannten Prätorius’schen Hause in der Gymnasiumsgasse. Wie er aber stets für sein geistiges Schaffen während der schönen Jahreszeit auf eine freundliche Stätte in der freien Natur bedacht war, so hatte er mit seinem feinen Naturkennerauge bald auch in der reizenden Umgebung Coburgs das rechte Fleckchen für sich herausgefunden: das Gartenhaus auf der vordern Koppe des sogenannten Adamiberges. Wie später von Baireuth aus in die Rollwenzelei, so pilgerte er jeden Morgen von Coburg aus zu dieser Höhe. Im grauen Rock, eine Blume im Knopfloch, eine Mappe unterm Arm, den Stock in der Hand, auf dem Haupt die Mütze mit dem großen Schild, so sah man ihn den regelmäßigen Gang am Morgen dahin wandeln. Eine größere Mappe, einige Bücher und das Frühstück trug ihm, stets etwas später, meine Mutter nach. Bisweilen ließ er sich Mittags auch das Essen auf seinen Berg bringen. Erst gegen Abend stellte sich die Familie ein. Dann begann die Lust mit den Kindern, dann flossen ebenso schöne Lehren und Geschichten von seinen Lippen, als er in Scherz und Neckerei übersprudelte, da war er ein frommer sorglicher Vater und ein fröhlicher Mensch zugleich und glücklich in der herrlichen Fülle seines Herzens.

Als eines Morgens meine Mutter mit der vollen Mappe zu ihm in’s Gartenhaus trat, wo er an seinem Schreibtische saß, rief er ihr entgegen: „Liesle! (bekanntlich unsere fränkische Abkürzung des Namens Elisabeth) Weißt Du, was Du jetzt unterm Arm getragen hast?” – Nein, Herr Legationsrath! – „Siehst Du, wenn Du’s gewußt hättest, wärst Du am End’ davor erschrocken.” – I gar! Warum denn? – „Nu merk’ auf (Er öffnete die Mappe, in welcher viele große und kleine beschriebene Blätter und Papierschnitzel zum Vorschein kamen.) „Du hast ein ganzes Gewitter unterm Arm getragen. Siehst Du, die kleinen Blättle, das sind lauter Blitze, und die großen, das ist lauter Donner. Nu merk’ auf! Wenn Du die Mappe einmal fallen lassen solltest und der Wind jagt Dir die Blätter fort, so springe nur ja nach den kleinen, die raffe nur alle zusammen, die großen kannst Du fliegen lassen. Denn, siehst Du, den Donner, den mach’ ich selber und den kann ich immer machen, aber die Blitze kommen vom Himmel, und die kommen nicht wieder, wenn sie einmal fort sind!”

Das Gewitter, welches meine Mutter unterm Arm getragen, hat später mächtig über Deutschland gedonnert und in vielen Herzen eingeschlagen: es war das Manuscript zu den „Flegeljahren”, das Jean Paul zum größten Theil in dem Gartenhäuschen auf dem Adamiberg vollendet hat.

Noch heute steht das alte Gartenhaus unterm Schatten seiner nachbarlichen Bäume. Es wäre schön, wenn es erhalten würde und wenn der 21. März dieses Jahres Veranlassung böte, auch auf dieser Stätte des großen deutschen Geistes zu gedenken, der sie für alle Zeit geweiht hat. Eine Gedenktafel würde diese Geburtsstätte der „Flegeljahre“ am besten vor der Vernichtung schützen und sie zu einem lieben deutschen Wallfahrtsorte erheben, wie ein solcher aus so manchem einst unansehnlichen und stillen Dichterasyl geworden ist.

Friedr. Hofmann.


Erklärung. In dem zum Theil launig gehaltenen Artikel über den zoologischen Garten in Dresden (siehe Gartenl. 1862, Nr. 44) heißt es unter Anderm: daß sich das Kameel dadurch von dem Baier unterscheide, weil es größern Durst als dieser zu ertragen vermöge. Dieser ebenso wohlfeile, wie harmlose Scherz hat bei einigen baierischen Staatsbürgern eine so hohe Entrüstung hervorgerufen, daß man sich gemüßigt gesehen, derselben in öffentlichen Blättern Ausdruck zu geben. Hierauf ist zu erwidern: daß kein einsichtsvoller Patriot sein Volk für beleidigt erachten wird, sobald eine Schwäche desselben – und eine Tugend kann man die große baierische Bierliebe doch wohl kaum nennen – gegeißelt wird, zumal wenn es auf so harmlose Weise geschieht, wie in dem betreffenden Artikel. Ja es ist sogar eine Pflicht der Presse, ein Volk auf seine Schwächen und Leidenschaften aufmerksam zu machen, geschehe dies nun in ernsterer oder scherzhafter Form. Bei den Münchner „Fliegenden Blättern“ z. B. ist die harmlose Geißelung der baierischen Bierseligkeit, so zu sagen, zum stehenden Artikel geworden. Wer entsinnt sich nicht der zahlreichen dicken Bäuche, die alle jene übergroße Bierliebhaberei versinnbildlichen. Selbst in politischen Dingen, wenn Baiernland ein Wort mit redet, wie oft findet man als charakteristisches Merkmal das Biertöpfchen auf seinem Haupte! aber kein Verständiger wird hierin eine Beleidigung des so trefflichen baierischen Volksstammes erkennen, der auf der andern Seite auch wieder manchen Vorzug darbietet, auf welchen andere deutsche Bruderstämme verzichten müssen. Es handelt sich, wie gesagt, lediglich um eine Schattenseite, die ihrer Natur nach Scherz und Satire von selbst herausfordert.

(F. St-e, der Verf. d. betr. Art.)


Duncker’s Geschichte der deutschen Freiheitskriege in Bildern von Bleibtreu und Pietsch, die wir bereits früher zwei Mal unsern Lesern avisierten, ist nunmehr in der ersten Lieferung erschienen und enthält zwei größere Holzschnitte: „Unterredung der Königin Louise mit Napoleon“ und „Andreas Hofer’s Gebet nach dem Treffen am Berge Isel“ – beide, besonders der letztere, sehr charakteristisch und gut ausgeführt. Das Werk wird, wie wir hören, aus 10 Lieferungen, à 15 Sgr., bestehen und mit Text eines unserer tüchtigsten Historiker begleitet sein. Die Schilderung der Unterredung der Königin mit Napoleon, auf die wir hiermit aufmerksam machen, zeigt schon die kundige Feder.


Frühlingslied.


Jede Blume ist ein Ton
In dem Frühlingslied, dem holden,
Jede Blume ist ein Stern,
Uns den Frühling zu vergolden.

5
Jedes Rehlein, das im Wald

Sorglich durch die Blätter lauschet,
Jedes Bächlein, das im Moos
Silbern über Kiesel rauschet;

Jede Lerche, die im Grau

10
Uns das Morgenroth verkündet,

Jedes Mädchen, das uns hold
Blaue Veilchenkränze windet;

Jeder Schmetterling, der leis
Aus der Blume Nektar trinket,

15
Jedes Abendroth, das still

Hinter grünem Wald versinket;

Jede weiche Maiennacht,
Wo wir lauschen mit Entzücken,
Wie der warme Tropfen fällt,

20
Blatt und Blüthe zu erquicken;


Jeder Demant und Rubin,
Den der Morgen wirft auf Rosen –
Alles sind nur Melodien
In dem Frühlingslied, dem großen.

25
Wunderherrliches Gedicht,

Wie kein schönres je gewesen –
Doch das Schönste bleibt ein Herz,
Das darin versteht zu lesen.

F. St.
Kleiner Briefkasten.


Den „Freunden der Gartenlaube“ in Moskau zur Nachricht, daß die „Deutschen Blätter“ allerdings besonders bestellt werden müssen, wenn das Postamt sich dieselben aber bezahlen läßt, es auch zur Lieferung verpflichtet ist. Wahrscheinlich hat der betreffende Beamte es unterlassen, das Beiblatt in Deutschland besonders zu bestellen; machen Sie ihn gefälligst darauf aufmerksam, daß dies nöthig sei, um es zugeschickt zu erhalten.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_144.jpg&oldid=- (Version vom 23.6.2022)