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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


so unähnlich, daß man sie leicht als verschiedenen Arten angehörig betrachten könnte. Endlich drittens sind in der angegebenen Jahreszeit die Pflanzen fast durchweg mit äußerst feinen Fäden, sogenannten Gliederfäden bedeckt. Diese und seine, schmarotzende Gebilden besonders aus der so reichen mikroskopischen Welt der Diatomeen, aber auch andere Algen aller Gruppen, theils als junge Keimlinge und Sprößlinge, theils in ausgewachsenen mikroskopisch kleinen Arten, geben den ohnehin sehr zierlichen Formen eine Zartheit der Umrisse, wie wir sie bei Landpflanzen, selbst bei den feinsten Bärlapppflanzen und Farrenkräutern, niemals antreffen. Die eigentlichen Gliederfäden, welche an unzähligen Algen zu bestimmter Zeit hervortreten, um später völlig wieder zu verschwinden, sind eine den Forschern noch sehr dunkle Erscheinung, die aber höchst wahrscheinlich mit der Fortpflanzung in nahem Zusammenhange steht. Sie zeigt sich schon bei manchen der größeren Tange, so bei Sporochnus. Der gewöhnliche Stacheltang, zu allen übrigen Jahreszeiten nur als ein abwechselnd fiederig verzweigter Strauch von dunkelbrauner Farbe erscheinend, an den Endzweigen fiederförmig mit feinen Stacheln besetzt, trägt jetzt an der Stelle jener Stacheln zarte, hellgrüne Pinsel, aus äußerst feinen Fäden zusammengesetzt, und interessant ist es, daß man gerade bei dieser Pflanze bisher die Früchte nicht hat auffinden können. Viele der größeren Formen, so die Gattungen Chorda, Chordaria, Mesogloea und andere, finden wir jetzt mit einem zarten Ueberzug schleimiger Fäden wie mit einem neuen Kleide überzogen; lange, gegliederte Fäden, einzeln oder in Endbüscheln, sind bei manchen Gattungen besonders auffallend, so bei Lophura und Polysiphonia, wo sie theils auf den gewöhnlichen Fruchtexemplaren, theils aber auch auf besonderen, von jenen verschiedenen Individuen vorkommen und die durch die zarte Gliederung ihrer Aeste und zierliche Anordnung der Fruchtzweige ohnedies entzückend schönen Formen noch reizender erscheinen lassen.

Aber werfen wir jetzt einen Blick hinab in das zierliche Gewirre von Tausenden kleiner Stämme, Zweige und Zweigelchen, die mit den verschiedensten Farben vom hellsten Gelbgrün bis zum dunklen Olivenbraun, vom zartesten Weiß und Rosa bis zum tiefsten Purpur und Schwarzviolett geschmückt sind, um auch das Treiben der zahllosen belebten Bewohner dieser herrlichen Waldungen wahrzunehmen. Beim Beschreiten des tangbewachsenen Bodens hören wir ein beständiges Knacken und Knistern unter den Füßen, hervorgerufen durch das Zerplatzen der Vesikeln des Blasentanges, welcher nebst seinem in tieferem Wasser vorkommenden Bruder, dem einreihigen Blasentang durch im Stengel vertheilte Luftblasen sich ausgezeichnet, die ihn schwimmend erhalten und unter unseren Fußtritten die eingepreßte Luft durch eine kleine Explosion entlassen. Zahlreiche Schnecken aus den Gattungen Litorina, Patella, Purpura, Trochus, Buccinum u. s. w. finden auf diesem wie auf einigen anderen der größeren Tange ihre Nahrung; diese Gewächse sind außerdem mit pflanzenartigen Polypen bedeckt, neben Corallinen, welche man, obschon sie echte Pflanzen sind, wegen ihrer zierlichen Kalkbedeckung weit eher für Korallenbildungen ansieht. Ueberhaupt gilt im Meere das Faustrecht im Bezug auf den Grundbesitz. Nicht nur die Algen wachsen beständig eine auf der anderen, sondern noch mehr sind manche Thiere geplagt, die nicht nur Thiere anderer Geschlechter, sondern außerdem oft ganze Algenwaldungen auf dem Rücken tragen. Wir treten auf einen bräunlichen Stein, plötzlich bewegt er sich seitlich fort, dem Wasser zueilend, und wir erkennen in ihm einen großen Taschenkrebs. Wie der Arme sich plagen muß! Auf jeder Seite des großen, starken Brustpanzers hat sich eine Auster angeheftet, und er ist verdammt, diese beiden Insassen beständig mit umherzuschleppen, und selbst wenn sie sterben sollten, weiß er sich doch ihrer Schalen nicht zu entledigen. Sein Hinterleib trägt außerdem einen ganzen Wald kleiner Polypen und einen großen Büschel des purpurrothen Horntangs, dessen zierlich gegliederte Zweige in zangenförmige Zweigelchen endigen. Freilich trägt der Taschenkrebs nur die gerechte Strafe für seine eigenen Vergehen mit sich umher, denn, wie alle Krebse, ist er ein Räuber und daher der schlechteste Bewohner für ein Aquarium. Ist doch nicht einmal die Schnecke sicher in ihrem festen Kalkgehäuse. Wir haben hier die beste Gelegenheit, den von Lewes in seinen „sea side studies“ so anziehend beschriebenen Kampf der Einsiedlerkrebse um leere oder bewohnte Schneckenhäuser zu beobachten. Hier kriecht eine arme Kegelschnecke einher. Sie kann sich kaum fortbewegen, denn ein ursprünglich zarter Büschel der Lophura gracilis, einer purpurfarbenen Alge, welcher sich auf der Spitze des Gehäuses angesiedelt, ist zu einem wahren Riesen herangewachsen. Aber auch diese kümmerliche Existenz sucht ein kleiner Eremit ihr zu rauben, dem die Schale der Uferschnecke, in die er seinen von Geburt an kahlen Hinterleib gesteckt hat, zu eng geworden ist. Sobald der Trochus seinen zierlichen Deckel öffnet, dringt der Krebs ein, es gelingt ihm bald, die Schnecke zu verspeisen, schon versucht er, den nackten Hinterleib in das leere Haus hineinzuschieben, da fährt blitzschnell ein anderer Krebs aus seinem Gehäuse hervor, kneipt jenem den wehrlosen Hinterleib ab und flüchtet sich in die geraubte Schale. In großer Anzahl sieht man überall diese merkwürdigen Einsiedler mit Schneckenhäusern auf dem Rücken, die sich in seltsamer Schnelligkeit fortbewegen, in sonderbarem Contrast zu denjenigen, welche noch ihre rechtmäßigen Insassen bergen.

Ueberall strecken, an den Klippengrund geheftet, Anemonen ihre hundert in bunten Farben schillernden Fangarme hervor; auch einige Arten von Medusen glaube ich schon zu so früher Jahreszeit gesehen zu haben, obwohl es vielfach bestritten worden. Hie und da treffen wir eine der sonderbar gestalteten, zierlichen Nacktschnecken Doris und Aeolis in einem seichteren Tümpel, während am Felsen, soweit er nur vom Meere bespült wird, weiße Balanen haften, die ihre Schalen abwechselnd öffnen und schließen, wobei sie ihre feinen Rankenfüße ausschieben und einziehen, nach Beute begierig. Kleine seltsam gestaltete Fische durchstreifen, bald langsam und bedächtig, bald, durch irgend ein Geräusch erschreckt, pfeilschnell diese Wälder, deren Boden mit purpurfarbenen Seesternen der verschiedensten Größen übersät ist. Hier windet sich langsam der kaum fingerdicke, ellenlange, schlangenförmige Windfisch mit seinem schnabelförmigen Kopf zwischen den Stämmchen hindurch, dort schießt schnurgerade sein Bruder, der Stechfisch durch die klare Fluth mit sechseckigem Körper und langem, nadelförmigem Schwanz, welcher in die breite, fächerartige Schwanzflosse endigt. Zahlreiche Meerscorpione, von den Helgoländern Störe genannt, mit breitem, stacheligem, gepanzertem Kopf, der sich plötzlich in den ganz kleinen Leib zusammenzieht, wandern beutelustig umher und geben uns das lebhafteste Bild von der unglaublichen Gefräßigkeit der meisten Seegeschöpfe. So fand ich in dem Magen eines kaum spannelangen Exemplares über ein Dutzend Litorinen mit ihren Gehäusen, mehrere kleine Taschenkrebse und verschiedene Würmer. Seltener und nur nach heftigen Stürmen sind wir so glücklich, eines echten Seeteufels, eines Knurrhahns, eines Lumps oder wohl auch eines der verschiedenen kleinen Haie habhaft zu werden, welche die Nordsee bewohnen. Repräsentiren die genannten Fische die abenteuerlichsten, fast dämonischen Thiergestalten des Erdballs, so treffen wir andererseits in den Gattungen Blennius, Golius und anderen uns geläufigere und daher weniger unheimliche Fischformen.

Während wir indessen versunken hinabschauen in das bunte, wunderbare Treiben da unten, umfließt uns ein lichter Glanz und mahnt an die Heimkehr. Die untergehende Sonne hat die rothen Felsen in Purpur getaucht, welcher weithin seinen magischen Schein der ganzen Umgebung mittheilt. Es ist ein wunderbar ergreifender Naturgenuß, hinter den riesigen Felsenthoren des Jung-Gatts und Mörmers-Gatts die Sonne untergehen zu sehen. Dort taucht sie hinab hinter der weiten, weiten, stillen Meeresfläche. Uns, die wir noch berauscht sind von der Fülle der ewig regen lebendigen Wasserwelt, läßt sie allein und einsam zurück mit dem Gefühl der Winzigkeit unseres eigenen Daseins gegenüber dem Allleben der Natur.



Ein deutscher Fürst für Wilhelm Bauer und seine Erfindungen.


Die Klage, mit welcher unsere „Schicksals-Parallele“ (in Nr. 8 der Gartenlaube) geschlossen werden mußte, ist in Deutschland nicht unbeachtet verhallt. Mit freudigem Herzen ergreife ich heute die Feder, um allen Freunden unseres Blattes, durch deren werkthätige Theilnahme für Bauer dessen Erfindungen wenigstens vor dem Schicksal eines stillen Untergangs bewahrt worden sind, nun eine Nachricht zu bringen, die sie alle ebenso freudig willkommen heißen werden.

Einem deutschen Manne, wie dem Herzog Ernst von Coburg-Gotha, konnten die Bestrebungen Wilhelm Bauer’s nicht unbekannt bleiben; war er es doch, welcher Bauer, nachdem dessen Erfindungen von den größten deutschen Regierungen zurückgewiesen worden waren, seinem Bruder, dem unvergeßlichen Prinzen Albert, empfahl, und hatte Bauer die Aufnahme und die Unterstützungen, die er in England fand, mittelbar dem Herzog Ernst zu verdanken. Daß die eingeleiteten Unternehmungemn dort

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_159.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2020)