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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Geschichte meldet leider mit Vorliebe die Namen von Kriegern und läßt oft die Namen stiller Wohlthäter, welche der Menschheit dauernde Vermächtnisse gestiftet haben, in Dunkelheit versinken.

Wie hat die menschliche Pflege die heimischen Kinder der Wildniß zu veredeln gewußt! Der holzige Wurzelstock jener Doldenpflanzen ist in saftiges, schönfarbiges Rübchen umgewandelt; die unansehnliche wilde Kohlstaude hat eine große Reihe edler Spielarten getrieben, von denen sich jede durch besondere löbliche Eigenschaften hervorthut. Man wundert sich mit Recht über die mannigfaltigen Farben, mit denen in den Gärten die Aster und Georgine prangt; aber fast noch mehr Verwunderung sollten die Umwandlungen der Kohlpflanze erregen. Ihre Blätter zeigen fast alle Farbenstufen vom Weiß an durch das lichteste Grün bis zum Purpur und Veilchenblau, und die Formen der Stengel und Blätter erinnern an die phantastischen, umschnörkelten Masken, in denen die Tonkünstler eine einfache Melodie als immer neue und doch verwandte Variation erscheinen lassen. Man bedenke nur, daß das Kopfkraut (der Kabis), der Krauskohl, der Kohlrabi, der Spargelkohl und der Blumenkohl einer und derselben Mutterpflanze entstammen. Wie viele tausend Generationen der Abkömmlinge des wilden Kohls mußten blühen und fruchten, ehe durch zufällige und absichtliche Einwirkungen alle jene Spielarten entstehen konnten! Wie viele Gärtner verschiedener Länder mußten zusammenarbeiten, um dies Ziel zu erreichen! Der Blumenkohl scheint durch seine Empfindlichkeit gegen die Kälte anzudeuten, daß er eine in südlichen Ländern entstandene Abart ist; wahrscheinlich haben sich die Gärtner der sämmtlichen gebildeten Völker in die Ehre zu theilen, das schlichte Kind des Seestrandes ausgebildet zu haben. Von andern einheimischen Kohlpflanzen hat sich fast nur der Gemüseampfer (Rumex Patienta) in den Gärten erhalten, der Erdbeerspinat (Blitum) ist fast verschollen.

Neben diesen Gemüsepflanzen enthält der Küchengarten einige einheimische Gewächse, die man dem Obste beizählen muß. Die Johannisbeere und Stachelbeere scheinen erst spät im Mittelalter in die Gärten eingeführt worden zu sein, in England werden die letzteren mit dem Schlusse des 16. Jahrhunderts zuerst erwähnt. Die an unsern Felsen wild wachsenden Stachelbeersträucher tragen eine zwar süße, aber kleine, unansehnliche Frucht; der Gartenpflege, namentlich der Engländer, ist es gelungen, vierhundert Spielarten zu erzielen, deren Früchte an Größe und Schönheit die wilden Beeren außerordentlich übertreffen; dagegen hat man die schönblühenden amerikanischen Stachelbeersträucher bisher nicht zur Hervorbringung schmackhafter Früchte bringen können. Die Erdbeere wird kaum so lange Zeit in den Gärten gezogen wie die Stachelbeere, und welche Fülle neuer Spielarten hat sie nicht schon getrieben! Duftige Früchte von der Größe der Flintenkugeln erregen kaum noch Erstaunen. Die Himbeere, schon in den römischen Garten zur Kaiserzeit aufgenommen, hat sich bei weitem nicht so bildsam erwiesen. An die Gartenpflege mancher anderen wilden Obststräucher, wie der Brombeere, der Felsenmispel (Aronia), der Heidel- und Preiselbeere, scheint noch Niemand gedacht zu haben; vielleicht machen dereinst ausgewanderte Deutsche, die in fremden Erdtheilen diese Lieblinge ihrer Kindheit ungern missen, damit den Anfang.

Die bisher genannten, ursprünglich in Deutschland wachsenden Gartenpflanzen bilden nur einen kleinen Theil unserer Pfleglinge; wie sind wir in Besitz der aus fremden Ländern stammenden gekommen? Leider sind für viele Einwanderer die geschichtlichen Nachrichten verloren; wir finden die eine oder die andere fremde Pflanze in alten Urkunden gelegentlich erwähnt, aber ohne Näheres über die Zeit ihrer Einführung und über ihre ersten Pfleger zu erfahren. Karl der Große, der den Gartenbau liebte und beförderte, baute auf seinen Gütern Erbsen und Bohnen, gelbe Rüben (carruca) und Gurken. Auf den mittelalterlichen Speisezetteln von Festschmäusen spielten die Gemüse eine sehr untergeordnete Rolle, wahrscheinlich verstand man die Erziehung der feineren Küchenpflanzen nur unvollkommen. Zur Zeit der Hohenstaufen waren (nach Raumer) fast alle jetzt gepflegten Gemüsepflanzen in den „Krautgärten“ zu finden. Woher hatten nun unsere Altvordern ihre ausländischen Zöglinge erhalten?

Einzelne Culturpflanzen, z. B. (nach Wachsmuth), den Rettig, hatten die Germanen wohl schon aus ihrer Urheimath in Asien mitgebracht; weitaus die meisten jedoch bekamen sie von ihren Feinden, den Römern. Die deutschen Namen vieler Küchengewächse verrathen durch ihren Klang das Land, von welchem aus die Fremdlinge zunächst nach Deutschland kamen. Das Wort Lattich (Salat) stammt von lactuca, d. i. Milchsaftpflanze; Gurke oder Kukumer kommt von cucumis, Zwiebel (im Voksmunde Zepel) von cepa, Fasel (mundartlich für Bohne) von phaseolus, Porree von porrum, Petersilie von petroselinum, d. h. Felseneppich.

Die meisten unserer Gemüsepflanzen finden sich schon vor Christi Geburt in den römischen Gärten. Virgil und der spätere Columella beschreiben die Zucht des Kohls, der Zwiebel und des Knoblauchs, der Petersilie und Bohne, des Salats und Rettigs, der Gartenmohne, des Kürbis und der Gurke, welche das tägliche Leibgericht des Kaisers Tiberius war, ohne eine dieser Pflanzen als etwas Neues zu bezeichnen.

Manche dieser Gewächse mögen schon durch römische Soldaten und Ansiedler über den Rhein in’s Innere Deutschlands gekommen sein; andere wurden durch Mönche, namentlich die Benedictiner, welche den Gartenbau als Liebhaberei betrieben, eingeführt, einzelne sind vielleicht erst durch deutsche Krieger oder durch Handelsleute über die Alpen heimgebracht worden.

Eine ansehnliche Zahl unsrer Gemüsepflanzen sind in den um das Mittelmeer gelegenen Ländern heimathberechtigt. Indeß folgt daraus nicht, daß den Römern das Verdienst des ersten Anbaues gebührt; vielmehr haben diese gewiß den Unterricht älterer Culturvölker genossen. Dies ist bei mehreren Pflanzen, z. B. bei dem Porree, der bei den Aegyptern in göttlichem Ansehen stand und von den Juden und Griechen angebaut wurde, vollkommen erwiesen. Der Mangold, die Stammpflanze der Runkelrübe und rothen Rübe, wächst wild am Seestrande Griechenlands und wurde schon von den alten Hellenen gepflegt. Der Sellerie, als Wildling eine bittere, ungenießbare Meerstrandpflanze, die – wie ihr Name andeutet – den salzigen Boden liebt, wurde von den Griechen, die den Genuß desselben für glückbringend hielten, in Zucht genommen. Die Artischocke ist eine im südlichen Europa wild wachsende Distel. Der Spargel, der nunmehr bei uns als verwildert betrachtet werden darf, ist eine Ufer- und Strandpflanze des südlichen Europa; die Petersilie wächst wild in den macedonischen Gebirgen und war schon bei den Alten geschätzt. Auch andere Gewürzkräuter, wie der Majoran, das Bohnenkraut (Satureja), der Fenchel und Dill wachsen um das mittelländische Meer wild. Die Skorzonere, die jetzt nur selten in deutschen Gärten gehegt wird, stammt ebenfalls aus Südeuropa; der Meerrettig hat (nach Unger’s Angabe) seinen Ursitz im südlichen Rußland, der gemeine Rettig kommt wild in Südeuropa vor.

Neben den genannten Küchengewächsen enthalten unsere Gärten eine Reihe anderer, die nicht auf der italienischen und griechischen Halbinsel, sondern in weiter nach Osten gelegenen Ländern ihre Heimath haben, aber größtentheils schon von den Römern gepflegt wurden. Den Griechen und Römern unbekannt war der wahrscheinlich in Persien heimische Spinat, der seit unvordenklichen Zeiten auch in Gärten gebaut wird; durch welche Vermittlung er nach Europa gekommen, ist unbekannt. Die Schalotten-Zwiebel, die nach der syrischen Stadt Askalon benannt ist, soll in den Kreuzzügen nach Europa gebracht worden sein.

Die übrigen nun zu nennenden östlichen Gemüse- und Gewürzpflanzen, von denen einzelne nunmehr auch im freien Felde gebaut werden, hatten sich schon die Römer angeeignet.

Die Hülsenfrüchte, die wir genießen, sind sämmtlich Kinder des Ostens. Die Buffbohne (Vica faba), ursprünglich wohl am kaspischen Meere zu Hause, wurde schon von den alten Israeliten gebaut und von Griechen und Römern sehr werthgeschätzt; bei den ersteren wurde sogar ein besonderer Bohnengott, Namens Kyanetes, in einem Tempel verehrt und in Athen mit „Bohnenfesten“ verherrlicht. Bei den Aegyptern dagegen galt diese Bohne für unrein, und wohl in Folge dieses Aberglaubens wurde sie den Pythagoräern verboten. Die Schminkbohne, hier und da arabische Bohne genannt (Phaseolus), stammt nach einigen Angaben aus dem westlichen Asien, nach andern aus Ostindien; ihre Empfindlichkeit gegen die Kälte macht die letztere Annahme zur wahrscheinlichsten. Die Linse wächst wild am Kaukasus, und findet sich als Culturpflanze bei den alten Aegyptern, Israeliten und Griechen; bei uns wird sie jetzt fast nur im freien Feld angebaut. Auch die Erbse scheint in der Umgegend des schwarzen Meeres ursprünglich zu Hause zu sein, auf der Halbinsel Krim soll sie noch wild vorkommen; ihre Kältescheu dürfte eher für eine wärmere Heimath, vielleicht Indien, sprechen. Sie wurde von Griechen und Römern gepflegt und muß,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_186.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)