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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

mögen sie grimmig auf den Boden picken, offenbar um zu zeigen, daß ihnen der Aerger keineswegs den Appetit genommen, oder mag der Sieger nach dem Kampf sich aufblähen und seinen Sieg laut verkünden, stets macht dieses Gethue den entgegengesetzten Eindruck, als ihn das Thier beabsichtigen mag.

Wo Alles so bekannt unter einander ist, wie auf unserm Hof, da kommt es übrigens häufig vor, daß Andere sich in solche Kämpfe einmischen, und besonders fühlen sich die Truthähne manchmal berufen, den Frieden wieder herzustellen, wozu sie sich gewöhnlich erst gehörig aufblähen, denn der Truthahn ist vielleicht derjenige Vogel, der am meisten auf imponirendes Aeußere hält, wo der Moment wichtig ist. Daher ist er es auch, der, wenn er sein Rad schlägt und die Flügel am Boden schleift, kaum wieder zu erkennen ist. Dabei genirt es ihn keineswegs, wenn die Schwanzfedern nicht mehr vollständig sind und das Rad große Lücken zeigt, denn ihm ist die Haltung das Wichtigste, kurz, er ist ein Mann von höherm Stande.

Natürlich bleibt der Pfau, insbesondere der gewöhnliche bunte, immer die schönste Zierde eines Meierhofes, und auch hier ziehen diese Vögel, wenn sie gerade im vollen Schmuck ihres Federkleides prangen, die Augen Aller zumeist auf sich. Ein Gedanke wird sich übrigens bei solchem Anblick schon Manchem aufgedrängt haben, nämlich der, welche wichtige und verschiedene Rolle doch der Schwanz bei den Thieren, insbesondere auch bei den Vögeln spielt. Nur im Vorübergehen sei erwähnt, daß viele Thiere der niederen Ordnungen ihren Schwanz zum Feststehen verwenden können, während wir bei den Fischen finden, daß er hier fast durchgängig ein Hauptorgan zum Schwimmen bildet; auch bei den Reptilien hat er wohl nichts weiter zu thun, als zur Fortbewegung, resp. zum Anhalten auf dem Lande und im Wasser mitzuwirken. Sehr mannigfaltig hingegen stellen sich die Aufgaben, die dem Schwanz gesetzt sind, bei den verschiedenen Säugethieren. Zwar die Hufthiere, d. h. also die Wiederkäuer, die Einhufer und die eigentlichen Dickhäute (Elephanten etc.) verwenden ihren Schwanz, wenn sie einen haben, sämmtlich blos dazu, die Fliegen und dergleichen aus seiner Umgegend zu verscheuchen, doch schon bei den Affen ist er in Aussehen und Zweck höchst verschieden. Die mit Greifschwanz versehenen halten sich nicht nur damit fest, sondern sie langen sich auch damit Gegenstände zu, welche sie mit den Händen nicht erreichen können. Andere Affen haben ihren Schwanz hingegen offenbar nur zur Zierde, oder um bequem daran festgehalten zu werden, bei manchen wieder ist er so klein, daß er nur zum Spaß da sein kann oder um eben anzuzeigen, wo das Thier aufhört, und viele endlich laufen leider ganz ohne Schwanz auf der Welt herum, und da sie’s nicht anders gewohnt sind, so muß es auch gehen.

Wenn bei den Säugethieren, was hier noch nachzuholen ist, nur einzelne Gattungen den Schwanz zur Fortbewegung gebrauchen, wie z. B. die Walthiere, die Eichhörnchen, die Känguruhs, manche Affen, die Biber, so scheint hingegen bei den Vögeln der Nutzen des Schwanzes nur darin zu bestehen, eben bei der Fortbewegung, d. h. im Wasser oder in der Luft mitzuwirken. Eine Taube, wenn sie auffliegt oder sich niederläßt, entfaltet ihre Schwanzfedern zum vollkommenen Halbkreis, selbst das Huhn macht höchst anerkennenswerthe Versuche, bei seinen kurzen Flügen den ungünstig geformten Flügeln durch Ausbreiten seines Schwanzes nachzuhelfen. Neben diesem Nutzen ist es aber dann hauptsächlich die Aufgabe des Vogelschwanzes, seinen Eigenthümer zu verschönern, so zwar, daß viele uns Allen bekannte Vögel nur durch den Schwanz das Gepräge ihrer Gestalt bekommen. Was ist ein Pfau, ein Truthahn, ein Haushahn, ein Fasan ohne denselben? Fällt es Jemandem ein, sie zur Verschönerung zu englisiren, wie man es doch bei dem Pferd, dessen Zierde gerade ein schöner Schweif ist, so lange gethan hat? Und doch würde dieses viel leichter sein, denn ein Hauptunterschied zwischen den Säugethieren und Vögeln besteht eben darin, daß es ersteren sehr weh thut, wenn ihnen der Schwanz abgeschnitten wird (auch wo es stückchenweise geschieht), den Vögeln aber nicht. Wie traurig sehen langschwänzige Vögel aus, wenn sie in der Mauser sind, wie lächerlich sieht ein Haushahn aus, wenn er vielleicht mit nur noch einer großen Feder in seinem Schwanz umherstolzirt, und der Pfau vollends ist ohne diese seine Zierde gar nicht mehr er selbst.

Eine Anzahl Pfauen ihr Rad schlagen zu sehen, ist gewiß ein herrlicher Anblick. Weniger ist dies allerdings bei der weißen Spielart der Fall, denn abgesehen davon, daß das herrliche Farbenspiel fehlt, läßt auch das Weiß der Farben jeden Schmutzflecken zu deutlich sehen. Was übrigens den radschlagenden Pfau von hinten anbelangt, so bietet derselbe einen wesentlich andern Anblick, der allerdings mehr instructiv als schön ist. Es zeigt sich da, daß die eigentlichen Schwanzfedern keineswegs das Rad bilden, sondern daß dies die darüber sitzenden Bürzelfedern sind, denn der Schwanz bildet ein viel kleineres, von vorn gar nicht sichtbares Rad. Auch den Pfauen selbst scheint, da sie sich natürlich nicht erst über ihre eignen Federn zu unterrichten brauchen, die Kehrseite nicht zu gefallen. Wenigstens kann man es manchmal sehen, daß, wenn der eine sich eben recht brüstet, plötzlich ein anderer von hinten sich naht und dem Verwandten schnell eins versetzt, was jedenfalls nur einen Tadel aussprechen soll, denn auf einen Kampf ist es dabei nicht abgesehen.

Die Pfauen lieben es bekanntlich, auf hohen Punkten zu übernachten, und es kostet daher auch auf unserm Hofe immer einige Mühe sie Abends in den Stall zu bringen, denn wenn es ihnen gelänge sich auf das hohe Dach zu schwingen, so würden sie dann etwaigen Witterungsunbilden ausgesetzt sein; auch soll, wenn sie doch manchmal das Dach glücklich erreicht hatten, ihr nächtliches Geschrei, welches bekanntlich nicht mit Nachtigallgesang zu verwechseln ist, vielen Schläfern der Umgegend zu störend geworden sein.

Alle Bewohner dieses Hofes haben übrigens, da das Hofthor stets offen steht, volle Freiheit, die gegenüber und am Wasser liegende Wiese des Besitzers zu besuchen, und machen davon auch ausgedehnten Gebrauch, so ausgedehnt, daß insbesondere die Pfau- und Perlhühner den nahen Wald manchmal für den Stall halten, wo sie ihre Eier legen und bebrüten sollen. Natürlich kann der Förster nicht jeden Winkel des Waldes täglich ausspähen, und da dies die Herren Bummler gütigst übernehmen, so fallen Nester, Eier oder Junge, vielleicht auch die Bruthenne auf Nimmerwiedersehen in ihre Hände. Daher mag es wohl mit kommen, daß man nur selten junge Pfauen oder Perlhühner hier sieht.

Natürlich wird durch diese Freiheit, welche den Thieren gelassen wird, die Auswahl derselben beim Anschaffen sehr bedingt; es können blos solche in die Gesellschaft aufgenommen werden, bei welchen ein permanenter Ausflug in’s Freie oder wenigstens ein schwieriges Wiedereinfangen nicht zu fürchten ist. Uebrigens ist hierbei die Kartoffel ein mächtiges Bindemittel. Alles frißt Kartoffeln, selbst die Störche, an welche Franz Drake doch gewiß kaum gedacht hat, haben dieselben als Futter genehmigt.

Wenn ich nun schließen muß, weil Herr Keil den Aufsatz nicht zu lang haben will, so kann ich es nicht, ohne noch einige Worte der Anerkennung für den Mann zu sagen, welcher diese Thiersammlung geschaffen und sie unverdrossen pflegt. Es ist wahrlich nicht Jedermanns Sache, eine solche schöne Liebhaberei, deren Genuß dem Publicum vollkommen freisteht, unverdrossen fortzuführen. Denn wie sich schon in Menagerien viele Leute gar nicht amüsiren können, ohne mit Stöcken die Thiere zu necken, so kommt Aehnliches auch hier häufig vor, und wie schon Mancher seinen Park geschlossen hat, weil das liebe Publicum Unfug trieb, so würde auch hier von einem Andern dasselbe geschehen sein.

Daß es übrigens beim Eingang dieser Zeilen nicht übertrieben war, wenn der ganze Anblick als eines Eintrittsgeldes würdig hingestellt wurde, erhellt daraus, daß schon öfters „wandernde Künstler“, welche sich gerade zur Messe in Leipzig befanden, den Besitzer dringend ersucht haben, ihnen von seinen Thieren eins oder das andere zu verkaufen. Daß Herr Jahn nicht darauf eingegangen ist, hat es dem hiesigen Publicum erspart, in einem für einen Silbergroschen gezeigten höchst ausländischen Steinbock einen alten Bekannten aus Lindenau wieder erkennen zu müssen.

Möge nun solche Liebhaberei und solche Liberalität recht fleißige Nachahmung finden; den Bewohnern großer Städte, besonders der Kinderwelt wird stets dadurch ein großer Genuß gewährt werden. Selbst da, wo nicht Wohlwollen oder Liebe zur Thierwelt selbst die Hebel sind, würde die Speculation noch ihre Rechnung finden können. Ein glänzender Beweis sind die zoologischen Gärten, welche jetzt überall in den größern Städten entstehen, und welche hauptsächlich in der immer mehr wachsenden Liebe zur Natur ihre Begründung finden.

L.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_199.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)