Seite:Die Gartenlaube (1863) 202.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


Hoiermühle führt, dahin wandeln und eine nicht zu steile Anhöhe emporsteigen.

Hier stand ein prächtiger alter Eichbaum, der seine grünen Arme weit hinauf streckte zum blauen Himmel und an dessen Stamm eine kleine Breterbank angebracht war.

„Sie haben Recht, Seume, das ist ein köstlicher Punkt,“ sprach Göschen, der auf der Bank Platz genommen und den Blick entzückt über die schöne Thallandschaft auf- und niederwärts schweifen ließ.

Jenseits schaute von umwaldeter Höhe das alte Schloß Döben mit seinen grauen, zum Theil von Epheu umsponnenen Mauern in ernster Stille auf das lachende Thal hernieder. Ein Strecke thalabwärts die im Eichendunkel vergrabene Golzermühle, zu welcher ein zwar schmaler, aber von Erlen umschatteter Fußpfad längst der Felsenwände führte. Gleich am Fuße des Schloßbergs das idyllisch zwischen Obstbäumen hervorlauschende Dörfchen Golzern. Weiter aufwärts sanftgrüne fruchtbare Wiesenfläche lieblich an Waldberge sich anlehnend. Weiter im Vordergrunde, am linken Muldenufer, das stattliche, von schönen Gärten umgebene Herrenhaus von Böhlen und in nächster Nähe am Bergesabhange die ebenfalls reich umgrünte Neumühle. Inmitten der schönen Landschaft zog sich die Mulde silbernd durch die Thalebene, hier und da von Erlen umsäumt und die weichen Moos- und Blumenufer küssend. Da die Mulde in der Nähe des Schlosses Döben um einen bewachsenen Landvorsprung einen anmuthigen Bogen beschreibt, konnte man das blaue Band des freundlichen Flusses von Aufgang bis Niedergang eine weite Strecke in’s Land hinein verfolgen. Ueber die Landschaft hinaus weitete sich die Aussicht nach Süden, und der Blick fiel in duftblaue Berge.

„Ich habe,“ begann Seume, „von Sicilien bis Schweden, ja bis jenseit des Oceans manch großartiges und prachtvolles Landschaftsbild genossen, aber kein anmuthigeres und lieblicheres als von diesem Plätzchen. – Ach,“ fügte er, stets seines deutschen Vaterlandes in Wehmuth gedenkend, düster lächelnd bei, „an schönen Aussichten fehlt es uns Deutschen überhaupt nicht, wenn nur die Einsicht der Leute da unten eine bessere wäre.“

„Sie wird nicht ausbleiben,“ tröstete der mildere Göschen, „sobald die Zeit gekommen. Unser himmlischer Vater wird sicher nicht wollen, daß seine schönen Landschaften nicht auch von einem erleuchteteren und bessern Geschlechte bewohnt werden.“

Die beiden Freunde saßen noch lange auf der Bank, sich des reizenden Landschaftsbildes erfreuend. Da begannen allmählich die Spitzen der gegenüber gelegenen Waldberge sich zu röthen, die Sonne sank tiefer; mehr und mehr zog das Thal den Purpurmantel des Abends an, und vom Kirchlein zu Hohenstädt tönte fromm die Abendglocke, Frieden verkündend über Berg und Thal.


Die Bank unter der alten Eiche hat sich lange Jahre erhalten. Ob sie jetzt noch steht, müssen die Bewohner von Grimma am besten wissen. Auch der Eichbaum grünte noch fröhlich vor nicht zu langer Zeit; aber heutigen Tags noch heißt im Munde des Volks jene Anhöhe „Seume’s Höhe“ oder „Seume’s Ruhe“.

Außer ihr giebt es noch eine zweite Seume’s Ruhe ganz in der Nähe von Grimma. Gleich bei der Gattersburg führt von der Colditzer Chaussee ein ziemlich abschüssiger und beschwerlicher Pfad hinab zum umwaldeten Muldenufer. Hier trifft man auf ein heimlich Plätzchen, wo der deutsche Mann ebenfalls oft gesessen und in philosophischer Abgeschiedenheit dem Gemurmel der Wellen gelauscht haben soll.


Der junge Kuhhirt aus Bahren ist bald nach der oben beschriebenen Scene unter der Leitung des tüchtigen Factors Langbein ein eben so fleißiger, als gewissenhafter, intelligenter und geschickter Setzer in der Göschen’schen Officin zu Grimma geworden und hat später sein gutes Auskommen als Buchdruckereibesitzer in einer Provinzialstadt Sachsens gefunden. Als er ungefähr zwei Jahre nach dem erzählten Vorfall, dem er sein glücklich Geschick verdankte, erfuhr, daß der Herr Hauptmann wieder bei Göschen’s zu Besuch sei, konnte seine dankbare Gesinnung es nicht unterlassen, dem wackern Seume ein Zeichen seines Dankes und seiner Verehrung darzubringen. Er kleidete sich daher sonntäglich an und wanderte, einen frischen Blumenstrauß in der Hand, fürbaß nach Hohenstädt. Seine zweite Absicht war, dem Herrn Hauptmann sein Stammbuch, das er vom Buchbinder Ziegenbalk erhandelt, mit der Bitte zu überreichen, dasselbe mit einem Spruche zu eröffnen.

Nachdem der junge Kunstgenosse Guttenberg’s Dank, Strauß und Buch glücklich an den Mann gebracht hatte, war Seume ungemein erfreut über diesen Act der Dankbarkeit, wie ihn auch das offne, aber bescheidene Auftreten des jungen Burschen ungemein ansprach. Gern erfüllte er darum die Bitte desselben wegen eines Stammbuchspruchs, und sich der Scene mit den Cavalieren vor zwei Jahren erinnernd, schrieb er auch diesmal das Bonmot seines Vaters in das Buch:

     „Junge, laß Dich nicht verblüffen!
     Hohenstädt, 18. August 1808.
          Johann Gottfried Seume.“



Ein großartiges Unternehmen der Neuzeit.
(Mit Abbildung.)

In Frankreichs Hauptstadt, dicht am Bois de Boulogne im Quartier Auteuil, arbeiten schon seit Monaten Tausende von fleißigen Händen unter der Leitung des berühmten Architekten Liandier an Erbauung eines Riesenpalastes, in welchem bereits am 10. August dieses Jahres eine immerwährende Weltausstellung eröffnet werden soll. Schon erheben sich die massiven Mauern, die gußeisernen Säulen und Bogen des kolossalen Gebäudes mit zauberhafter Schnelligkeit. Dasselbe wird nach einem von dem bereits erwähnten Architekten entworfenen riesigen Plane errichtet und wird an Großartigkeit alles Bekannte, bis jetzt Dagewesene übertreffen. Nach diesem Plane hat dasselbe eine Länge von 500 Metres, eine Breite von 100 Metres und die in der Mitte sich erhebende Glaskuppel eine Höhe von 105 Metres. Baumgänge ziehen sich durch diese Riesenhalle hin, an welche sich ein herrlicher Wintergarten schließt. Der Haupteingang, an einem neu eröffneten Boulevard mündend, bildet eine Triumphpforte. Die Nebengebäude sind in bequemster und der Großartigkeit des Ganzen entsprechender Weise ausgeführt. Der Werth der zu diesem Unternehmen von den Gründern angekauften Bodenfläche von 126,000 Metres beträgt 7 Millionen, die Erbauung des Palastes und aller Nebengebände kostet laut den abgeschlossenen Contracten 8 Millionen Franken.

Die Idee einer bleibenden, sogenannten permanenten Weltausstellung ist nicht neu, dieselbe entstand bereits durch den außerordentlichen Erfolg der ersten Weltausstellung in London im Jahre 1851 und wurde, durch die später in den Jahren 1855 und 1862 mit gleichen Erfolgenen abgehaltenen von Neuem angeregt. Es wurden nun zwar in verschiedenen Städten einzelner Länder Versuche gemacht, jene Idee zu verwirklichen, welche jedoch an dem Mangel genügender Verbindungen und Mittel scheiterten. Jetzt nun ist der Gedanke einer großartigen, die ganze Welt mit ihren verschiedenen Erzeugnissen der Künste und Wissenschaften, des Ackerbaues, des Handels und der Gewerbe umfassenden immerwährenden Ausstellung zur Wahrheit geworden; es hat sich in Paris, nachdem dort alle Tagesblätter, die bedeutendsten journalistischen Federn und die Fachschriftsteller sich mit Lösung dieser Frage beschäftigt und dieselbe sowohl theoretisch, wie in der Ausführung bis in die kleinsten Details beleuchtet hatten, eine Gesellschaft gebildet, deren Bestehen, ohngeachtet der gewaltigen Dimensionen ihres Planes, doch bereits in wenigen Tagen gesichert war, da man von Seiten der Regierung ihr allen möglichen Vorschub leistete und das handel- und gewerbetreibende Publicum die segensreichen Wirkungen des Unternehmens nicht unterschätzte.

Die bisherigen vorübergehenden Weltausstellungen haben von Seiten der Erzeuger stets bedeutende Kunstfertigkeit, aber auch großen Aufwand erfordert, es boten sich dem Auge des Beschauers fast durchgehend Meisterwerke und Gipfelschöpfungen der Industrie und Kunst dar, vollendete Erzeugnisse, gleich ruhmvoll für die Erfinder, wie ehrenvoll für ihr Vaterland; jedoch nur den reichbegüterten

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_202.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)