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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

unter General Lyons, Miß,“ erwiderte ich ohne Zögern, „ich weiß, daß ein Angehöriger dieses Hauses sich zu der Macht des General Price geschlagen hat; aber wenn deutsches Blut in Ihnen fließt, wie ich es vermuthe, so weiß ich, daß Sie, Miß, einen todtmatten, deutschen Flüchtling nicht seinen Feinden und einem ehrlosen Tode preisgeben werden!“

Ich hatte die letzten Worte in fliegender Hast gesprochen, denn ich hörte in dem Obstgarten, aus welchem ich mich heraufgeflüchtet, eilige Männertritte die dürren Zweige am Boden zertreten. Ich hatte kaum geendet, als auch schon außen eine Stimme laut wurde, und ich erkannte nur zu gut das eigenthümliche Organ von Stevens: „Entweder hat ihn die Erde verschlungen, oder er hat sich dort oben in das Fenster hineingemacht – hier ist nirgends ein Loch, das ihn verbergen könnte.“ „Werden bald wissen, woran wir sind,“ klang eine andere Stimme; „zwei Mann hierher zur Beobachtung des Fensters und des hintern Theils des Hauses, zwei Mann zur Besetzung der Thür, und wir hier werden den Fuchs aus dem Baue holen, wenn er überhaupt darin steckt.“

Zwei Secunden darauf ertönten kräftige Schläge gegen die Hausthür, und das Mädchen hob mit einer raschen Bewegung den Arm. „Dort hinein, Sir!“ rief sie, auf eine schmale Seitenthür zeigend; „legen Sie sich für alle Fälle auf den Boden, decken Sie über sich, was Sie finden mögen, und rühren Sie sich nicht, bis ich Sie selbst aus dem Versteck hole!“

Ich ließ mir den Wink nicht zum zweiten Male geben; sicher, daß sie den besten Willen hatte, meine Rettung zu vollbringen, öffnete ich im Fluge die Thür zu einem kleinen Raume, welcher nur durch eine handgroße Scheibe im Dache einen schwachen Schein des Mondes empfing und den Garderobe-Raum für die Zimmerbewohnerin vorzustellen schien; ich stieß auf eine große Kiste, hinter welcher die schiefe Neigung des Daches einen leeren Raum bildete; dort hinter kroch ich und durfte mich hier jedenfalls so lange für sicher halten, als nicht die genaueste Untersuchung meines Verstecks angestellt wurde; kaum aber lag ich auf dem Boden, als ich auch schon in den untern Räumen meine Verfolger in lebhaftem Gespräche mit einem Manne, der ihnen jedenfalls das Haus geöffnet hatte, hörte, und bald darauf wurden die schweren Tritte mehrerer Personen auf der heraufführenden Treppe laut. Vor der Thür, welche zu dem Zimmer meiner Beschützerin führte, hielten sie an, und es ward plötzlich still. Dann klang ein rücksichtsvolles Klopfen und: „Maggy, Maggy!“ tönte es.

„Was ist es, Vater, was bedeutet der Lärm im Hause?“ gab das Mädchen mit vollkommen ruhiger Stimme zurück.

„Maggy, Du mußt für einige Minuten öffnen; es soll sich ein deutscher Spion in dein Zimmer geflüchtet haben, und die Gentlemen, die ihn verfolgt, bestehen auf einer Untersuchung!“

„Vater, ich bin im Bette, aber seit einer halben Stunde wach und weiß, daß in meinem Zimmer sich nichts außer mir befindet; sag’ ihnen das, und sie werden ihre Untersuchung nicht auf das Schlafzimmer einer jungen Lady ausdehnen wollen!“

Ein lebhaftes Gemurmel drang zu meinen Ohren, dann klang des Vaters Stimme mit größerer Bestimmtheit wieder. „Es hilft nichts, Maggy, wir leben in Kriegszeiten. Wirf rasch etwas über und sei überzeugt, daß mit voller Schonung verfahren werden wird!“

„Eine Minute Geduld denn, wenn es durchaus sein muß!“ rief Maggy und ich hörte den Fuß des Mädchens leicht den Boden berühren. Bald darauf schnappte der Riegel im Schlosse zurück, zugleich aber rief sie: „Nur noch zwei Secunden, dann mögen Sie eintreten!“

Sie war flüchtig nach meinem Versteck geeilt, die Thür desselben weit offen lassend, und rief leise: „Wo sind Sie?“

„Hier!“ gab ich ebenso zurück, und im nächsten Augenblicke hatte sie Platz auf der Kiste genommen, mit ihrer Umhüllung den Zwischenraum nach dem Dache, in welchem ich lag, verdeckend; gleichzeitig wurde aber auch das Oeffnen der Zimmerthür, sowie der Eintritt meiner Verfolger laut, und ich konnte einen hereinfallenden hellen Lichtschein wahrnehmen.

„Maggy?“ rief der Vater, der sich wahrscheinlich vergebens nach ihr umgeblickt.

„Ich bin hier, Vater, kann mich aber so nicht zeigen und rechne bestimmt auf die Schonung, die mir zugesagt worden; mir erscheint dieses ganze Eindringen überhaupt als ein Verfahren, das sich von Gentlemen kaum rechtfertigen läßt!“

Es erfolgte keine Antwort darauf, und nur ein beginnendes unbestimmtes Geräusch, hier und da von einzelnen halblauten Ausrufen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_205.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)