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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

den vollen und kräftigen Gebrauch aller Gliedmaßen voraussetzt. –

Durch das Gebot der Verhältnisse auf das Wasser gleichsam angewiesen, sind die Engländer auch in Wahrheit zu dem ersten und unternehmendsten Schiffervolk des Erdballs geworden. Und so haben sie denn auch ihre besondern Wasserbelustigungen. Rudern und Segeln, in Verbindung mit Wettkämpfen, bilden den sogenannten aquatischen Sport.

Die Heimath des Ruderers ist der Fluß. Auf den bewegten lebendigen Wellen der Themse, des Tyne, des Clyde und der andern herrlichen Ströme der drei Königreiche, – da wo die Fluthung des Wassers selbst und der nie ruhende Verkehr von Dampfern und andern Fahrzeugen Schwierigkeit schaffen, – da ist am Ersten ein kräftiger Arm und eine sichere Hand zu erproben und zu zeigen. Das Rudern ist vorzugsweise ein Vergnügen des Knaben und Jünglings. Auf den Schulen der Aristokratie und auf den Universitäten ist es, wo dieser prächtige Sport vor Allem seine begeisterten Verehrer und seine tüchtigen Meister zählt. Der beliebteste Platz für Rowing-Matches oder Boat-Races, das sind die Ruderwettkämpfe, ist das Bett der Themse, von der London Brücke stromaufwärts. Bald sieht man dort Einzelne in langen pfeilgespitzten Flachbooten, bald ganze Gesellschaften in größeren Nachen sich messen. Keines dieser Feste ist aber berühmter, als der große Match, welcher alljährlich an der bezeichneten Stelle zwischen den Universitäten Oxford und Cambridge ausgerudert zu werden pflegt. Die beiden altgelehrten Anstalten senden dazu die besten Leute des Faches, die sie unter ihrer Studentenschaft aufzuweisen haben. Es ist eine große Auszeichnung, ein Vertrauensvotum, unter die Acht gewählt zu werden, mit welchen jede ihr Boot bemannt, und so die Ruderehre der Universität auf seinen Arm gestellt zu erhalten. Die Ufer des Flusses, wo sie zugänglich sind, und die zahlreichen Brücken pflegen an diesem Tage mit einer Menge von Zuschauern beiderlei Geschlechts und der höchsten Classen besetzt zu sein. Denn nicht selten haben Pairs von England einen Sohn unter den einen oder den andern Achten, und manche der zartblonden Töchter Albions schickt klopfenden Herzens ihr blaues Auge den stattlichen Jünglingen nach, die sich ihrerseits an dem Bewußtsein der schönen Gönnerschaft zu doppelter Anstrengung begeistern.

Edler noch als das Ruder ist das Segel, und Yachtfahrten zählen zu den vornehmsten Sports. Es ist eine Liebhaberei des Adels und anderer reicher Leute in England, ein gutbemanntes Segelboot, nicht selten bis zu mehreren hundert Tonnen Gehalt, zu ihrem Privatvergnügen zu besitzen. Große Geldsummen werden oft auf diese ansehnlichen Spielzeuge verwandt: sie werden mit der größten Sorgfalt gezimmert und mit höchstem Geschmack und Comfort ausgestattet. Zahlreiche Clubs pflegen und fördern die Segelbelustigung. In Seehäfen und an den Flußmündungen werden häufige Wettfahrten unternommen, die sogenannten Regattas. Der Eigenthümer einer Yacht, welcher mit um den Preis streitet, pflegt dabei auf seinem Schiff zu sein, um an der Ehre und zuweilen an der Gefahr des Kampfes in unmittelbarster Weise Theil zu nehmen. Für sportlustige Freunde und Angehörige wird ein Dampfer nebenher geschickt, der die Boote in einiger Entfernung begleitet und auf dem sich’s die Gesellschaft unterdessen wohl sein läßt. Am Ufer versammelt sich eine bunte Menge, welche dem Verlauf des Streites mit größter Spannung folgt, die Abgehenden mit Winken und Zuruf entläßt, und den an der Spitze des Geschwaders heimkehrenden Sieger mit tobendem Hurrah empfängt. Gewöhnlich wird derselbe Weg zweimal zurückgelegt, das heißt, die Aufgabe der Fahrzeuge ist, bis auf eine gewisse Entfernung hinauszusegeln, draußen zu wenden und dann nach dem Auslaufungsplatz zurückzusteuern. In diesem Sport sind neuerdings auch internationale Wettkämpfe zu verschiedenen Malen unternommen worden. Franzosen haben sich mit den Engländern gemessen, aber in der Regel den Kürzeren gezogen, während die kühnen Yankees manchen wohlgewonnenen Preis dem ärgerlichen John Bull hinweggetragen haben. –

Der Fischfang mit dem Netz ist Handwerk, aber kein Sport. Dieser Name kommt vielmehr nur zwei andern Fangweisen zu. Die eine von ihnen ist das Spießen, wobei die Fische in der Nacht durch Fackelschein angelockt werden und für die unzeitige Neugier mit dem kalten Tode zu büßen haben, der sie von der kräftig gezielten Stoßlanze des lauernden Feindes trifft. Doch ist diese Art wenig in Gebrauch; am häufigsten wird der Aal so gefangen. Der eigentlich verbreitete und wahre Sport ist das Angeln, – bei uns kaum bekannt, in England zu einer förmlichen und schwierigen Kunst ausgebildet, deren Uebung nicht Wenige über alle andere Erdenlust setzen. Angeln heißt nicht, sich in wartender Geduld an’s Wasser setzen und den Haken hinein hängen lassen. Will der Sportsman auf Erfolg rechnen, so muß er eine Menge von Kenntnissen und Hantirungen los haben, die nur durch lange Beobachtung und Uebung erlangt werden können. Von den dritthalbhundert Gattungen verschiedener Fische, welche die Flüsse und Seen und Küstengewässer Englands behausen, will fast jeder auf seine eigene Weise gefangen sein, und dem passionirten Angler ist es nicht nur darum zu thun, überhaupt etwas an den Haken zu kriegen, sondern gerade seinen bestimmten Fisch nach Hause zu bringen. Vor allen Dingen geht durch diesen ganzen Sport die Grundclassification von Süß- und Salzwasser-Angeln. Nicht allein, daß in dem verschieden beschaffenen Element anders gebildete Thiere mit andern Gewohnheiten leben, sondern der ganze Apparat und Aufzug ist natürlich ein verschiedener, je nachdem der Angler auf starkem Boot in das schaukelnde Seegewoge hinaussegelt, oder seine Leine in dem stillruhigen Spiegel des Binnensees oder dem sanftgleitenden Fluß auswirft. Ein ganz verschiedenes Fischen ist es mit der Ruthe oder mit der bloßen Leine, mit dem natürlichen Wurm oder dem künstlichen Köder. Und so giebt es tausend Einzelheiten und Unterschiede, welche Angelkunst und Angellust für den Geübten in der That zu einem der abwechselndsten und anziehendsten Zeitvertreibe machen.

Der Fisch aber, welcher von allen so zu sagen als der vornehmste und dessen Fang als der oberste Sport dieser Gattung angesehen wird, ist der Salm, der „König des Baches“, wie ihn pomphaft seine Verehrer nennen. Dieses stattliche Thier erreicht ein Gewicht von 15 bis 20 Pfund, und nicht selten weit mehr, und ist frischgesotten das schmackhafteste Gericht, welches der Engländer einem Gaste vorzusetzen hat. Die Flüsse von Westengland und Wales, vor Allem die schottischen Bergwasser, sind außerordentlich reich an diesem köstlichen Bewohner. Der jährliche Fang in dem Fluß Tay wird allein auf 70,000 angeschlagen, und ganze Schiffsladungen voll, in Eis gepackt, gehen aus den Häfen Schottlands nach der hungrigen Hauptstadt. Gesetze binden die Verfolgung des Salms an gewisse Schranken, um eine Verminderung des dem englischen Gaumen wie dem Angler fast unentbehrlichen Thieres zu verhindern, welche bei der stets wachsenden Nachfrage und dem nie erschlaffenden Sportsinn sonst schnell eintreten müßte. Die eigentliche Zeit, in der dem Salm nachgestellt wird, ist Spätfrühling und Frühsommer. Vom Mai zum August, gleichzeitig mit der Londoner Saison, wüthet der Krieg gegen den friedlichen Fisch. Wenn das Parlament vor der heißen Augustsonne hinwegschmilzt und London nach dem Land auswandert, kommt auch er aus der Saison und erhält seinen Waffenstillstand bis zum kommenden Frühjahr.

Der Sportsman, welcher dem Salm nachgeht, macht sich in der ersten Frühe eines warmen Junimorgens hinaus an den Fluß. Am liebsten hat er die Zeit nach einem lauen Regen, welcher die Fische nach der Oberfläche des Wassers zu ziehen pflegt. Er wählt sich in der Regel am Ufer einen guten Stand, oder rudert auch wohl auf einem Kahn eine kurze Strecke in’s Wasser hinein. Das Geräthe besteht in der gewöhnlichen langen Angelruthe und einer Leine, welche mehrere hundert Ellen mißt, aber zum guten Theil auf eine Rolle gewunden ist. Der Köder ist die sogenannte Fliege, das ist eine aus Zwirn, Draht und andern Ingredienzen nachgebildete Libelle, deren gebogener Leib von festem Eisen selbst den tückischen Haken bildet. Die Fliege ist am Ende der Leine befestigt. Etwa zwei Ellen über ihr ist ein Stück Kork angebracht, das Float genannt, welches auf dem Wasser schwimmt und den schweren Köder nicht tiefer hineinsinken läßt. Der Angler wirft die Leine aus und hält sein Auge unverwandt, oft stundenlang, auf den Kork gerichtet, bis endlich mit einem Nu der ersehnte Moment erscheint und das Float unter Wasser geht. Jetzt beginnt der eigentliche Sport und die wahre Kunst. Das Untersinken des Float ist das untrügliche Zeichen, daß ein Biß geschehen ist, das heißt, daß ein Fisch den Köder geschluckt hat und mit dem Haken im Halse die Leine sammt dem Korke fortzieht. Die nächste Bewegung des Anglers ist ein kurzer Ruck mit der Ruthe: er dient dazu, das Eisen dem Thiere fester in’s Fleisch zu bohren. Dann aber wird die Leine fahren gelassen, und der Fisch wickelt sie im Fortschießen ab. Ist sie zu Ende, so wird sie und an ihr das

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_234.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)