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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

begrüßte ihn aus seinem Garten – die Feier seines goldenen Jubeltages, wie sie vom Großherzog Karl August angeordnet war, hatte damit ihren Anfang genommen. Bald darauf waren alle Wagen der Stadt in Bewegung, alle angesehene Leute auf der Wallfahrt nach des Dichters Hause. Deputation folgte auf Deputation, um ihm Diplome, Medaillen, Ehrengeschenke und dergleichen zu überreichen; der Großherzog und seine Gemahlin besuchten ihn und widmeten ihm eine Stunde; es kamen die Mitglieder der großherzoglichen Familie, die Minister, die höchsten Beamten des Landes, die ersten Damen von Weimar, um der Enthüllung der schönen Büste Goethe’s in seinem eigenen Hause beizuwohnen. Ein großes Festessen im Rathhaussaale fand ihm zu Ehren statt; am Abend wurde seine „Iphigenia“ aufgeführt und der Dichter beim Eintritt in die Loge mit begeistertem Zuruf empfangen. Noch ehe er, kränklich etwas und ermüdet von dem Wirrwarr des Tages, sich zur Ruhe begab, brachte ihm die großherzogliche Capelle eine Abendmusik; die Fenster aller Häuser am Frauenplan waren erleuchtet; in seinen Prunkzimmern feierte ihn eine zahlreiche Gesellschaft. Zahllose und kostbare Geschenke waren in seinem Hause aufgestapelt, aber das theuerste von allen blieb doch die alte Uhr aus seinem Elternhause. Der schöne Tag war reich an Huldigungen und Ueberraschungen, doch die sinnigste unter allen war für ihn die, welche der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz ersonnen hatte. Noch als er an jenem Jubeltag in’s Bett ging, sprach er mit Entzücken von der ersten Begrüßung, die ihn erweckte, von jenen fünf Schlägen der Uhr, die ihn in den Garten seiner Jugend, in den Zauberkreis der bunten Erinnerungen seiner Kinderzeit und des elterlichen Hauses versetzt hatten. Er lauschte so lange, bis er diese lieben Töne noch einmal hörte; dann schloß er die Augen und mit dem Gedanken an den Herrn Vater und sein herziges Mütterlein schlief er ein.

Schmidt-Weißenfels.




Blätter und Blüthen.


Der Aufschwung der deutschen Turnerei. Das so eben im Auftrage des Ausschusses der deutschen Turnvereine erschienene „Statistische Jahrbuch der Turnvereine Deutschlands von Georg Hirth“, über dessen Anlage bereits früher in diesem Blatte berichtet worden ist (siehe Gartenlaube Jahrgang 1862, Nummer 49, S. 783), giebt einen neuen Beweis von dem bedeutenden Aufschwunge, den das Turnwesen in Deutschland genommen hat. Die umfangreiche Statistik, die wir als eine gemeinsame wissenschaftliche Leistung der in Einigkeit zusammengehenden Turnvereine zu betrachten haben, zeugt von ernstem Streben, von richtiger Erkenntniß, wie man sie nur von Leuten erwarten kann, die über Umfang und Ziel ihrer Aufgaben vollständig im Klaren sind. Ist es nun im Allgemeinen schon erfreulich, zu sehen, wie ein weit ausgebreitetes vaterländisches Vereinswesen von dem rechten Geiste des Fortschritts getragen wird, so erfreuen nicht minder die Aufschlüsse, welche uns die Statistik selbst gewährt. Es bestanden nämlich (um hier nur der hauptsächlichsten Resultate zu erwähnen) am 1. Juli 1862 in Deutschland 1284 Männerturnvereine in 1153 Ortschaften (883 Städten, 99 Marktflecken und 171 Dörfern). Ihre gesammte Mitgliederzahl betrug 134,507, zu welchen noch 21,463 von den Turnvereinen unterrichtete Schulknaben und 3172 Mädchen kamen; die Zahl der überhaupt in den Schulen Turnenden betrug etwa 200,000. Von den eigentlichen Vereinsmitgliedern waren 57,118 Handwerker, 8984 Hand- und Fabrikarbeiter, 8633 Landwirthe, 30,557 Kaufleute und Buchhändler, 2716 Gelehrte, Advocaten und Aerzte, 3523 Lehrer, 7168 Beamte, 3320 Künstler, 1679 Studenten etc. Die verhältnißmäßig größte Ausbreitung hat das Turnwesen[WS 1] im Königreich Sachsen, wo fast auf jede Quadratmeile ein Turnverein kommt; sodann in Thüringen und am Mittelrhein. Am weitesten zurück stehen Oesterreich und die Provinz Preußen. Die größten Turnvereine sind die von Leipzig, Wien, Hamburg, Nürnberg etc.; in Berlin bestehen ihrer 41, mit zusammen 2808 Mitgliedern. Zu den in 218 Orten bestehenden „Turnerfeuerwehren“ stellen die Vereine 10,855 Mann etc. – Die Statistik giebt nun in umfänglichen Specialberichten und Tabellen Rechenschaft über den Bestand des Vereins- sowohl als des Schulturnwesens in ganz Deutschland, in den verschiedenen Gauen desselben, sowie in den einzelnen Orten, so daß man über alle das Turnwesen berührenden Verhältnisse die genaueste Auskunft erhalten kann. Einige Zugaben – so ein Adreßbuch der deutschen Turnerschaft, Aufsätze über Turngeräthe und Turnhallen, Geschichtskalender – machen das Buch auch in andrer Beziehung werthvoll.

Beachtenswert sind die Worte, mit welchen der Herausgeber seine „Gesammtübersicht“ schließt: „Wie es in Zukunft mit dem Turnen in Deutschland werden wird, ist nicht schwer zu sagen. Die deutschen Regierungen sind sittlich und aus höheren „europäischen Gleichgewichtsrücksichten“ gezwungen, die Sache namentlich beim Militär immer ernster und straffer zu betreiben. Ist aber turnerische Durchbildung, d. h. Fertigkeit in allen männlichen Leibesübungen, ein Haupterforderniß des Soldaten, so muß als unausbleibliche Folge die Gewährung abgekürzter Dienstzeit an alle turnerisch Vorgebildeten eintreten. Dadurch wird von den Staatsbehörden unwillkürlich dem Turnen in den Schulen und in den Turnvereinen die Hand geboten, die das Volk gern annehmen wird. Unterdrückungen, wie im Jahre 1819 in Preußen, wird das Turnen bei seinem gegenwärtigen Umfange nicht wohl mehr zu erleben haben; dagegen liegen Maßregelungen der Turnvereine nicht nur im Bereiche der Möglichkeit, sondern sind sehr wahrscheinlich – hat doch bereits Preußen noch vor ganz kurzer Zeit seine Leistungsfähigkeit in dieser Beziehung bewiesen. Das wird aber die deutsche Turnerschaft nicht irre machen in der Verfolgung ihres Zieles; es wird erreicht, komme es wie es wolle.“




Kleiner Briefkasten.

Herrn N. S., den Verfasser des uns eingesandten Artikels „Meine erste Umsegelung des Cap Matapan. Aus dem Tagebuche eines See-Cadetten“, ersuchen wir, uns zum Behufe einer Zuschrift seine Adresse anzugeben.


C. K. in Kattowitz. Vielleicht finden Sie das, was Sie suchen, in Rumohr’s Geist der Kochkunst, 2. Auflage. Stuttgart 1832.

Hans Angelsen in der schleswigschen Landschaft Angeln. Ihr Gedicht „Die Hermannswache, eine Stimme aus dem verlassenen Bruderstamme“ – können wir zwar nicht ganz mittheilen; aber wir wissen auch, daß eine Strophe desselben und Ihr Begleitungswort genügt, um unseren Lesern diese Stimme lieb und zu einer mahnenden zu machen.

Zwar wild stürmt Nordens Ungewitter
Auf den verlassnen Wächter los,
Bricht seine Zweige frech in Splitter
Und wirft sie an der Erde Schooß;
Doch sinkt gleich seiner Krone Pracht –
Treu hält er fort die schwere Wacht!



Ist, was ich bring’, auch keine Blume,
Gepflückt im Musenheiligthume,
So mag es Gruß und Botschaft sein
Den Brüdern, die uns Liebe weih’n.
Die unserm unverdrossnen Ringen
Das treue Bruderbeileid bringen
Und feuchten Blicks nach Norden schau’n,
Mit uns den Dom der Hoffnung bau’n.
Des deutschen Nordens starker Glaube,
Der wendet sich zur Gartenlaube
Und hofft, daß sie – nicht diese Klage,
Nein, diesen Gruß gen Süden trage.

Möge dieser Gruß unsern Lesern so zu Herzen gehen, daß wir einst denselben mit dem Schlußvers erwidern können:

Ein Morgen folgt auf jede Nacht:
Was Ihr erstrebt, das ist vollbracht!


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Turwesen
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_240.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2023)