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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Almenrausch und Edelweiß.

Aus dem bairischen Hochgebirge.
Von Herman Schmid.
(Schluß.)

Quasi ließ den funkelnden Blick wie durchbohrend auf Kordel haften. „Wenn ich Dir nur in’s Herz sehen könnt’!“ knirschte er. „Wenn ich wüßt’, daß es Dein Ernst wär’ … Du solltest schon sehen, ob der Quasi Wort halten kann! – Ich hab’ Dir’s geschworen, Kordel, und wenn meine Schand’ so tief wär’ wie der Hintersee, ich will Dich mit mir hinunterreißen bis auf den Grund … ich könnt’s vergessen, Kordel, wenn ich nit fürchten müßt’, daß Dein’ Falschheit so tief ist, wie meine Schand’ … Kordel, wenn ich Dich jetzt beim Wort nehmen thät’ …“

„Thu’s!“ rief sie rasch, aber noch rascher folgte Quasi’s Erwiderung.

„Ich hab’s schon gethan!“ sagte er, der Betroffenen näher tretend. „Deswegen bin ich wieder in der Ramsau – ich geh’ in Dienst: es ist Alles schon in Ordnung mit dem Hartelbauern … seit sechs Wochen hab’ ich keinen Tropfen Branntwein über die Lippen gebracht. …“

Kordel war zu überrascht, um sogleich eine genügende Antwort zu finden. „Das wird nur Dein eigener Nutzen sein …“ sagte sie halblaut.

„Mein Nutzen?“ rief er wild. „Auf den kommt’s nit an! Meinst Du, was ich thu’, ich thu’s meinetwegen? Deinetwegen geschieht’s! Dich will ich demüthig sehen – will Dich dahin bringen, daß Du Wort halten mußt, und dann vor mir stehst und Deine Lüg’ eingestehen und Dich schämen mußt … vor mir, vor dem schlechten Burschen schämen. …“

„– Das erlebst nit …“ erwiderte Kordel gefaßt.

„So beweise mir’s!“ rief er heftiger. „Ich hab’ schon angefangen, Dir den Willen zu thun … gieb Du auch nach! Morgen ist Sonntag … ich will in die Kirch’, in Amt und Predigt gehen. … Wenn dann die Burschen draußen vor der Freithofthür stehen und beim Herausgehen mit den Mädeln reden … versprich mir, daß ich Dich anreden darf. …“

„Nein. …“

„So leid’s wenigstens, daß ich Dich grüß’! Versprich mir, daß Du mir danken, daß Du Dich nit abwenden willst. …“

„Nein –“

„Nein?“ schrie Quasi losbrechend. „Und Du willst mir weiß machen, daß es Dir Ernst ist mit Dein’ Versprechen? Du willst, ich soll der Narr sein und Dir glauben? Auf was sollt’ ich mich verlassen dabei?“

„Auf mein Wort.“

„Da verlass’ ich mich lieber auf mich selbst!“ rief er wieder „Was brauch’ ich auch all das Zeug’ und das Warten und die Schererei! Jetzt bist wieder allein mit mir… weit und breit ist keine lebendige Seel’; jetzt bin ich sicher, daß der verrückte Alte mir nit in den Weg kommt. … Auf wen willst Du jetzt Dich verlassen?“

Kordel erwiderte kein Wort, aber sie deutete gen Himmel, und wie eine Antwort von dort fuhr auf einmal ein Windstoß um die Hütte, daß die Läden schlugen und vom steinbeschwerten Dache die Schindeln flogen.

„Was ist das?“ rief Quasi erschrocken und riß die Thür auf, die der Sturm ebenfalls zugeworfen hatte. Der ganze Himmel war mit schwarzem Gewölk bedeckt, das vom Winde gejagt in die Berge hereinflog und ihre ruhigen Häupter verhüllte. „Das bedeutet nichts Gutes!“ fuhr er fort. „Schließ den Kaser zu, Kordel, und mach’, daß wir weiter kommen!“

„Es hat keine Gefahr,“ sagte das Mädchen in den Sturm hinausblickend. „Es ist nur ein Gewölk – da hinten kommt schon wieder der blaue Himmel nach!“

„Nein, nein,“ erwiderte Quasi, „es kann leicht noch mehr nachkommen; die weißen Striche und das Gekräusel sehen gerade so aus, als wenn’s einen Schneesturm geben sollte! – Geschwind, Kordel, mach’, daß Du fortkommst!“

„Ich kann nit, wenn ich auch wollt’ – die Kalbin ist krank, ich kann das arme Thier nit allein verschmachten lassen! …“

„Aber wenn der Schneesturm käm’, könntest Du ein Unglück haben! Es ist doch besser, wenn Du gehst, die Kalbin kann man morgen nachholen…“

Aus Worten und Mienen des Burschen sprach so unverhohlene unverstellte Angst, daß es Kordel bewegte und sie ihn mit milderem gütigem Blicke ansah. „Das geht nit,“ sagte sie, „und was kann mir denn geschehen da in meiner Hütten? Wenn ich Abends nit daheim bin, kommt der Bauer mit den Leuten herauf und schaut nach und holt mich. … Aber weil Du doch gerade da bist und willst ein Uebriges thun, so lauf’ hinunter zu meinem Bauern – in zwei Stunden kannst unten sein … in zwei Stunden mach’ ich mich dann auf den Weg und geh’ ihnen entgegen bis zum Marterl, wo die drei Ahorn stehen. Sie sollen mit dem Karren herauf kommen – der Weg über’s Marterl ist wohl nit so gut, aber es ist um ein gutes Theil näher!“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_273.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2020)