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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

dieser Cur wird natürlich am besten durch gute und zwar fette Milch (nicht Molken) besorgt; die übrige Nahrung sei gehörig fett- und salzhaltig. (Ausführlicheres s. Gartenl. 1859. Nr. 47.)

Wer am Magen leidet, der kann als seinen Curort nur den betrachten, wo er die passende Magendiät führen und warmes Wasser ohne großen Salzgehalt genießen kann, denn jede Arznei, sowie jedes kalte und mineralreiche Wasser ist dem kranken Magen äußerst nachtheilig. Diese Magendiät wurde in der Gartenlaube 1860 Nr. 7 ausführlich besprochen und besteht aus dem Vermeiden kalter, reizender und harter Genußmittel.

Dem fettleibigen, mit Unterleibsunbehaglichkeiten aller Art oder mit hartnäckiger Verstopfung Behafteten, sowie dem hypochondrischen Hämorrhoidarius empfehlen wir die Warmwasser-Wandercur mit obligater Tiefathmung. Wie diese Cur und ihre Hülfsmittel zu hand- und fußhaben sind, lasse man sich aus der Gartenlaube 1863, Nr. 14; 1862, Nr. 4; 1859, Nr. 20 und 1860, Nr. 21 erklären. – Wer mit dem Stuhle viel Blut verliert, beruhige sich nicht mit dem Worte „hämorrhoidalisch“, sondern unterwerfe seinen Mastdarm einer ganz genauen Untersuchung, die aber vom Arzte sofort nach einer Entleerung des kranken Mastdarmes anzustellen ist.

Bei Frauenkrankheiten, wenn sie mehr örtlicher als allgemeiner Natur (mit Blutarmuth, Nervosität) sind, können Badecuren nur wenig helfen, denn hier muß die Behandlung auch eine vorzugsweise örtliche sein. Wo in einem Badeorte das passende örtliche Mittel (mit einem geübten Heilkünstler) angetroffen wird, da ist dieses allerdings dem zu Hause vorzuziehen.

Daß die sogenannten scrophulösen Kinder in Soolbäder u. dergl. geschafft werden müssen, das finden Aerzte wie Eltern ganz unvermeidlich; daß aber eine gute Luft und eine zweckmäßige Nahrung, vorzugsweise die Milchdiät, weit wichtiger noch als die warmen Bäder (meinetwegen denn mit Soole oder Mutterlaugensalz) sind, das wird nicht genug beachtet.

Ueber Sommercuren bei spezielleren Leiden später.

Bock.



Deutschlands Nationalturnfest im Jahre 1863.
Von Georg Hirth.

„Als nun die Botschaft in das Reich ging,
Da fuhr ein reger Geist in alles Volk.“

Die letztverflossenen Jahre haben einen großen, vorher kaum geahnten Aufschwung des deutschen Volksbewußtseins erstehen sehen. Nach den Schrecknissen der Schlacht bei Solferino zog ein neuer, heilbringender Geist in ganz Europa ein; in unserem Vaterlande hatte er schon kurz vorher Wurzeln gefaßt mit dem Eintritt der damals vielverheißenden Regentschaft in Preußen. Nun regte sich’s überall zu Gunsten des lange gehemmten Fortschritts, der deutsche Einheitsgedanke, der fast erdrückt schien von der Last einer zehnjährigen Gedankenlosigkeit, wurde mächtiger und mächtiger, zündete immer mehr und dehnte sich, genährt durch eine friedliche, aber consequente Agitation, auf die Massenschichten der Bevölkerung aus.

Die Nationalfeste der letzten Jahre waren es namentlich, die solch neues Leben hervorzaubern halfen; jene großen Versammlungen, die Hunderte und Tausende aus allen Gauen des Vaterlandes in froher Festgemeinschaft vereinigten und die volksthümliche Idee, so zu sagen, erst wirklich populär machten und verkörperten. Denn zu dem Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit kam hier das einheitliche Streben auf verschiedenen praktischen Gebieten des Volkslebens; beide ergänzten sich, das eine wuchs mit dem andern und richtete sich an ihm empor.

Den Anfang machten die Turnvereine, von denen eine größere Zahl, als man allgemein annimmt, in rühmlichem Festhalten an der Sache die Reactionsperiode der fünfziger Jahre überstanden hatte. Wenigstens zeigte das erste, in den Tagen vom 16.-18. Juni 1860 zu Coburg unter dem Schutze eines freisinnigen Fürsten abgehaltene Turnfest einen gesunden, kräftigen Kern, wohl geschaffen, dem nun folgenden großartigen Aufschwung des Turnwesens einen sicheren Halt, eine gedeihliche Entwicklung zu geben. Das über alles Erwarten günstige Gelingen dieses ersten deutschen Turnfestes ermuthigte die Gesangvereine zu gleichem Thun, und so sahen wir einen Monat später in den Mauern derselben Stadt und unter derselben Theilnahme des Volkes Deutschlands Sänger ein aus allen Theilen des Vaterlandes beschicktes erstes Gesangfest feiern. Im Jahre 1861 folgte das erste deutsche Schützenfest zu Gotha, das zweite Sängerfest zu Nürnberg und das zweite Turnfest zu Berlin, im Jahre 1862 auch ein zweites Schützenfest zu Frankfurt a. M. – großartige nationale Feiertage, wie das deutsche Volk seit lange keine begangen.

In Berlin hatte die Turnsache wiederum einen glänzenden Triumph gefeiert. Die Bevölkerung der zweitgrößten Stadt Deutschlands war der Turnerjugend mit einer Herzlichkeit entgegengekommen, die am Schluß des Festes zum einstimmigen Jubel wurde; die Presse war voll vom Lobe der herrlichen Tage, „eines Festes, wie Berlin noch keines gesehen,“ und selbst die Kreuzzeitung konnte nicht umhin, einen gelinden Weihrauch zu streuen. Damit war nun zwar die Zukunft der deutschen Turnfeste vollständig gesichert, zugleich aber war es offenbar geworden, daß sich von nun an nur große Städte zu Festorten eigneten. Die Wahl der Turnvereine fiel zuerst auf Nürnberg, doch entschied sich später der in Berlin gebildete „Ausschuß der deutschen Turnvereine“ dafür, daß das dritte allgemeine Fest im Sommer 1863 in Leipzig und erst ein viertes im Sommer 1865 zu Nürnberg abgehalten werden solle. Für Leipzig sprach mehr als ein triftiger Grund. Schon am 18. September 1861, noch ehe die deutsche Turnerschaft über die Wahl des nächsten Festortes im Klaren war, beschlossen die Stadtverordneten eine Zuschrift an den Stadtrath des Inhalts: „Das Collegium, welches die Wahl Leipzigs zum Festorte des dritten allgemeinen Turnfestes mit Freuden begrüßen würde, erklärt sich bereit, die zu einer würdigen Feier desselben erforderlichen Kosten zu verwilligen, und giebt dem Wunsche Ausdruck, daß die Behörden die Wahl Leipzigs in jeder Hinsicht begünstigen möchten.“ Und der Rath antwortete am 16. October: „Er sei dem Beschlusse der Stadtverordneten, daß sie die Wahl Leipzigs zum Festorte mit Freuden begrüßen würden, einstimmig beigetreten, sei bereit, die Wahl der Stadt in jeder Weise zu begünstigen, und werde die seitens der Stadtverordneten ausgesprochene Bereitwilligkeit, die zu einer würdigen Feier des Festes erforderlichen Kosten zu verwilligen entsprechend benutzen.“ Dazu kam der Umstand, daß der sehr zahlreiche Leipziger Turnverein seit einer langen Reihe von Jahren die erste Stelle unter allen deutschen Turnvereinen eingenommen hatte, daß die Turnsache bei der Bevölkerung und den Behörden Leipzigs mehr als irgend anderswo in Ansehen stand.[1] Endlich sprach für die Wahl Leipzigs die Erinnerung an den vor fünfzig Jahren dort entschiedenen Befreiungskampf.

Die Aufgabe, welche nun den Leipzigern zufiel, war keine geringe. Zwar hatte man voraussichtlich nicht mit Vorurtheilen gegen die Turnsache zu kämpfen, die z. B. die Vorbereitung des nachmals so wohlgelungenen Berliner Festes schwierig gemacht; im Gegentheil, es fehlte nicht an Entgegenkommen seitens der Bevölkerung und der Behörden der Stadt, auch die sächsische Regierung hatte bereitwillig die Abhaltung des Festes gestattet. Die Schwierigkeit lag in dem großartigen Umfang, den das Fest annehmen mußte, und in der Eigenthümlichkeit der zu treffenden Anordnungen. Nach dem erneuten Aufschwunge des Turnvereinwesens in allen deutschen Gauen, namentlich im Königreich Sachsen und den benachbarten Ländern, mußte man von vornherein auf eine Zahl von 10–15,000 auswärtigen Festtheilnehmern rechnen, die nicht nur alle gemeinschaftlich verkehren und jubeln, sondern

auch turnen und wohnlich untergebracht sein wollten. Aehnliches

  1. Der Leipziger Turnverein wurde im Jahre 1845, hauptsächlich auf Anregung Prof. Bock’s, der den ersten Vorturner abgab, und Prof. Schreber’s, gegründet. Seitdem hat das Turnen der Leipziger stets in Blüthe gestanden. Heute zählt der Verein nahe an 2000 erwachsene Mitglieder, zu denen noch 2200 Knaben und 170 Mädchen, von den 6 Vereinsturnlehrern unterichtet, kommen. Unter den Mitgliedern (die übrigens sämmtlich turnen, denn „passive Turner“ giebt es in Leipzig nicht) sind alle Altersclassen, vom Jüngling bis zum Greis, und alle bürgerlichen Berufsarten vertreten. Die Leitung des Vereins hat ein 18 Mann starker Turnrath, meist aus älteren, im städtischen Gemeinwesen ehrenvolle Stellungen einnehmenden Vereinsmitgliedeen zusammengesetzt (Vorsitzender Stadtverordneter Paul Bassenge), und eine 40 Mann starke Vorturnerschaft unter technischer Leitung des Dr. Lion. – Im vorigen Jahre erbaute die Stadt lediglich für die Zwecke des Vereins eine neue schöne Turnhalle für 42,000 Thaler.           D. Verf.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_346.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)