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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

entwickelt sich die Collision ihrer Liebe mit dem beginnenden Kampfe der politischen Gegensätze. – Im zweiten Drama mußten zur Veranschaulichung des Kampfes der im Schauspiel unmöglichen Entwickelung des lange dauernden und versteckten diplomatischen Intriguenspieles, wie es die Geschichte darbietet, in kurze Zeit zusammengedrängte handgreifliche Begebenheiten und lebendige Situationen treten, in denen auch die Nebencharaktere scharf hervortreten konnten. Daher erdichtete Schiller zur deutlichen Motivirung des ersten verrätherischen Schrittes des Herzogs das Aufgreifen eines allerdings auch in der Geschichte vorkommenden Agenten Wallenstein’s, des Sesyma Raschin, durch die Kaiserlichen und die förmliche Verbindung des Herzogs mit den Schweden, zu welcher er nach langem Zögern von der im Drama sehr bedeutend hervortretenden Gräfin Trzka gedrängt wird. Der geschichtliche Wallenstein war in seinen Entschlüssen von Andern nicht abhängig und hat erst nach langer Vorbereitung seines Abfalls durch Verbindungen mit Frankreich und Sachsen in der höchsten Noth Rettung bei den Schweden gesucht. Gleichzeitig wird Piccolomini’s Thätigkeit anschaulich gemacht, wobei der vom Dichter aus einem sehr gewöhnlichen Charakter zu einer sehr interessanten Persönlichkeit gestaltete Buttler bedeutend hervortritt. Denn der Dichter ließ ihn, der sich aus gekränktem Stolze selbst mit Aufopferung seiner Soldatenehre an den Herzog angeschlossen hatte, wie er erfährt, daß ihn nicht der Kaiser, sondern der Herzog gedemüthigt habe, zum Todfeinde Wallenstein’s werden, den er mit der kältesten Besonnenheit eines racheglühenden Herzens meuchlings zu Grunde richtet. Weiterhin sind die allmähliche Entfernung der Obersten aus Pilsen, der Lärm im Lager auf die Nachricht vom Verlust der Stadt Prag, die Empörung der Trzka’schen Regimenter, das Auftreten der Wallonen erst zu Gunsten des Herzogs, dem sie Verrath nicht zutrauen können, dann aber die Trennung derselben von ihm und der Abschied ihres Führers Max, der seiner Pflicht getreu auf ihn und die Braut hat verzichten müssen – dies Alles sind höchst sinnreiche und mit historischem Sinn gestaltete Erfindungen des Dichters, die als lebensvolle Handlungen die endliche Katastrophe trefflich vorbereiten. Der vor dem Entschluß schwankende und von der Trzka bestimmte Herzog kommt gerade jetzt nach diesen unerwarteten Schicksalsschlägen, nach dem Verlust der beiden Freunde in entschiedener männlicher Selbstbestimmung als klarer und fester Held zur vollsten Geltung. Die Katastrophe selbst wird, abgesehen von der idealisirten Stimmung des Herzogs und vom Charakter der dabei thätigen Personen, im Ganzen der Geschichte entsprechend dargestellt. Doch waren die Schweden nicht unter dem Rheingrafen, der damals am Rhein stand, sondern unter Bernhard von Weimar. Ein Gefecht, in welchem Schiller den unglücklichen Max den Tod suchen und finden läßt, hat nicht stattgefunden.

Und nun sei zum Schluß noch kürzlich darauf hingewiesen, wie meisterhaft der geniale Dichter nicht etwa blos in dem köstlichen Vorspiel „Wallenstein’s Lager“, sondern durch beide große Dramen hindurch, theils in gelegentlichen Aeußerungen, theils in passenden Schilderungen ein historisch treues, wenn auch poetisch verklärtes Bild der Zustände jener Zeit und der wichtigsten historischen Momente des Kriegs gegeben hat, welches der von uns entwickelten Thätigkeit der handelnden Personen eine echt geschichtliche harmonische Färbung giebt. Mögen die Historiker auch hier manche Einzelheiten zu berichtigen, mögen sie die Rohheit, die Gemeinheit, das Elend der Zeit mehr hervorzuheben haben, schwerlich werden sie bei dem Volke, soweit es sich um die Vergangenheit kümmert, ein besseres Verständniß jener Zeit, eine lebhaftere Theilnahme für ihre Vertreter erwirken können, als es der Dichter vermochte.




Eine neue Warnung für Auswanderer.
Von Friedrich Gerstäcker.[1]

Wieder und wieder hat man die Auswanderungslustigen gewarnt, sich bei einer Uebersiedelung nach fernen Welttheilen vor hier in Deutschland abgeschlossenen Privatcontracten zu hüten, deren Tragweite sie gar nicht übersehen können, weil ihnen eben die Verhältnisse jener fernen Länder so vollkommen unbekannt sind.

Wir haben es aber da wieder mit dem ewigen Jammer in Deutschland zu thun, daß der Ungebildete nichts liest, als was ihm in die Hand gestopft wird, und wie damals sämmtliche nach Peru angeworbene Emigranten fortzogen und nicht einen Artikel von all den hunderten gelesen hatten, in denen sie vor einer derartigen Uebersiedelung gewarnt waren, so ist mir neulich erst wieder ein ganz ähnlicher und noch mehr schlagender Beweis vor Augen gekommen, wie vollkommen willen- und rathlos der Bauer und Arbeiter auf dem Lande den Verlockungen zur Auswanderung gegenüber steht, trotz Allem, was dagegen gesagt und geschrieben ist.

Ich will den Fall hier einfach erzählen und bitte besonders alle kleinen Localblätter, diesen Artikel abzudrucken und zu verbreiten, um die Leute doch wenigstens in etwas auf die Gefahren aufmerksam zu machen, denen sie sich aussetzen, wenn sie eben toll und blind in die Welt hinein rennen. Zufällig durch eine Verwandte Eines der Auswanderungslustigen, die zu mir kam, um sich in der Sache Rath zu holen, erfuhr ich, daß in Wasungen, im Meiningischen, eine Anzahl von Familien einen Contract mit einem Agenten abgeschlossen habe, um auf irgend eine Plantage in der Provinz San Paulo in Brasilien befördert zu werden. Die meiningische Regierung hatte die ganze Verhandlung erst erfahren, als schon Alles abgemacht war – und was kann überhaupt irgend eine Regierung Privatcontracten gegenüber thun? Dennoch sollte doch wenigstens noch Alles geschehen, um den gewagten Schritt, den diese Menschen thaten, so wenig gefahrvoll als möglich für sie zu machen. Ich hatte Gelegenheit, nach Wasungen hinüber zu fahren und nicht allein mit den Leuten selber dort zu sprechen, sondern auch den Contract zu sehen, auf den allein hin sie ihr Vaterland verlassen wollten.

Wenn man dieses Schriftstück liest, so ist es in der That unglaublich, daß irgend ein mit Vernunft begabtes Wesen blödsinnig genug sein könnte, in einem solchen Wisch eine Garantie zu erblicken. Das aber ist die Geschichte aller in solcher Weise beförderter Auswanderer, daß sie sich toll und blind in das Geschirr legen, und wie ein Stier mit einem rothen Lappen gereizt und gelockt werden kann, so genügt für derartige Menschen ein beschriebenes Stück Papier – besonders wenn noch ein Siegel darauf klebt. Was darauf geschrieben ist, bleibt sich vollständig gleich. – Es ist nöthig, das Schriftstück hier abzudrucken. Es lautet:

„Verpflichtung

des Landarbeiters:

mit Familie, nämlich:

gegen Herrn Theodor Wille in Hamburg.

Der Endesunterzeichnete, der die Passage für sich und die obenstehenden Familienglieder, nach unten stehender Specification mit ............. vorgeschossen erhielt, verpflichtet sich, nicht nur Herrn Theodor Wille hierselbst Vollmacht zu ertheilen, vermittelst seines Hauses in Santos, für sich und seine Familie mit einem brasilianischen Plantagenbesitzer Contract abzuschließen, zur Verdingung seiner und seiner Familie Arbeitskräfte aus eine Colonie der Provinz San Paulo, sondern macht sich auch durch Unterzeichnung dieses Contractes (!!!) für sich und seine sämmtlichen Familienglieder anheischig, durch den Theilertrag ihrer Arbeit die vorgeschossene Passage und sonstige Kostenvorschüsse abzuverdienen, dergestalt daß, da nach der Bestimmung derartiger Arbeitsverträge der Ertrag der Arbeit zwischen Arbeiter und Brodherrn getheilt wird, von der ihm als Arbeiter zufallenden Hälfte des Ertrages der Arbeit in usancemäßiger Abtragung zu ersetzen.

Indem ........... durch seine Namensunterschrift solidarisch mit seinen Familiengliedern zur getreuen Erfüllung der contractlich eingegangenen Verpflichtung sich verbindlich macht, verpflichtet er sich ferner für sich und seine Familienglieder den gesetzlichen Befehlen seiner Brodherren oder deren bevollmächtigten Vertreter getreulich nachzukommen, und während der Dauer

  1. Die Redaction ertheilt auf Wunsch des Herrn Gerstäcker ausdrückliche Erlaubniß zum Nachdruck.          D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_361.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2018)