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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

möglichst schnell zu dressiren. Eine Löwin, in zehn oder zwölf Tagen angelernt, hatte nur noch eine Hauptprobe zu bestehen, um dann vorgeführt zu werden. Bei dieser Probe aber wurde dieselbe durch deren lange Dauer zuletzt so confus, daß sie den Gehorsam vergaß und ihren Herrn am Arm packte. Er riß sie los, wurde aber von dem aufgeregten Thier jetzt am Knie gefaßt, und nur schwer gelang es ihm, dasselbe zu überwältigen. Noch zur Zeit der Erzählung litt er an der Wunde, aber er hatte sich derselben lieber ausgesetzt und das Thier erhalten, als gleich an Todtschießen oder Todtschlagen gedacht. Ein dressirtes Thier ist eben dem Besitzer viel zu werthvoll, um es gleich bei eintretender Gefahr zu tödten.

Ich will zum Schluß noch eine selbst mit angesehene Dressurscene erzählen, bei welcher allerdings der angestrebte Zweck verfehlt wurde.

Eines Morgens in die Kreuzberg’sche Menagerie eintretend, fand ich zur ungewöhnlichen Stunde die Raubthiere in dem großen Centralkäfig vereinigt. Eine Probe wurde abgehalten, und es galt also Neues einzustudiren. Besonders handelte es sich darum, den einen Leoparden zu bewegen, sich auf den Schooß der jungen Dame, welche bei den Vorstelligen mitwirkt, zu setzen. Dieselbe saß auf einem Klappstuhl dicht vor dem Leoparden, welcher auf seinem am Gitter aufgehängten Bret kauerte. Durch Herrn Kreuzberg’s freundliches Zureden, und durch den von dem jungen Mädchen vorgehaltenen Teller mit Fleisch gelockt, entschloß sich endlich auch das Thier, mit den Vordertatzen auf den Schooß des Mädchens zu treten, aber immer fuhr es wieder zurück und war nicht weiter zu bringen. Ich ging daher zuletzt hinweg und fing an zu zeichnen. Nach einiger Zeit hörte ich plötzlich ein Poltern, ein zorniges Aufbrüllen und die donnernde Stimme des Menageriebesitzers, welcher rief: „Das Lamm hinaus!“ Damit war ein niedliches Schäfchen gemeint, welches inzwischen in den Centralkäfig gebracht worden war. Es kam, als ich hinzueilte, bereits unter dem Wagen hervorgesprungen, am Kopfe blutend, aber sonst ganz munter. Offenbar war beim Anblick des Wiederkäuers die wilde Natur des Leoparden, denn wohl nur dieser war der Attentäter, erwacht, und hatte den Angriff und damit den Schluß der Probe herbeigeführt.

L.



Ein Besuch bei Theodor Körner’s Pflegerin in Groß-Zschocher.

Die vielen thatsächlichen Beweise der Theilnahme für Theodor Körner’s Pflegerin nach seiner Verwundung bei Kitzen gaben dem Herausgeber der „Gartenlaube“ Veranlassung, die hochbetagte Frau Häußer in ihrem Wohnorte selbst aufzusuchen, um ihr die bis jetzt für sie gesammelten Gaben an Geld und freundlichen Zuschriften zu überreichen.

Es ist natürlich, daß die trotz ihrer nun fast 80 Jahre noch immer geistig muntere Frau, erfreut durch die dargebrachten Geschenke einer dankbaren Gegenwart, gern und ausführlich jener gefahrvollen Tage gedachte, in welchen ein Theodor Körner unter ihrem Schutze lebte, und es wurde dabei so manches Neue, unsers Wissens bis heute Unbekannte über des Sängerhelden Auffindung und Bergung in der Erinnerung der Frau Häußer geweckt, das wir einer Mittheilung um so mehr werth halten, als jetzt, wo man bald den Gedächtnißkranz eines halben Jahrhunderts auf sein Grab legt, die allgemeine Theilnahme der Deutschen sich auch dem Kleinsten zuwendet, das mit diesem lieben großen Todten in Verbindung steht.

Die napoleonische Schandtat bei Kitzen geschah bekanntlich am 17. Juni. In der Nacht nach jenem für die Lützower so blutigen Tag standen zwei Männer (der eine ein Zimmermann, Namens Haugk) an dem Mühlwehr bei Großzschocher, und zwar am rechten Ufer der Elster, um das Bauholz zu bewachen, mit welchem damals das Wehr ausgebessert wurde. Sie hatten sich ein Feuerchen angeschürt und waren eben beschäftigt, Kaffee zu kochen, als sie mit einem militärischen „Wer da?“ angerufen wurden und zu gleicher Zeit zwei dunkle Gestalten zu ihnen herantraten, in denen sie Officiere von der schwarzen Schaar erkannten. Diese fragten, ob Franzosen im nächsten Dorfe seien, und als das bejaht und mit einem „sehr viel“ bekräftigt worden, baten sie die Männer, sobald der Morgen anbreche, über den Fluß hinüber in das Gehölz zu gehen, wo sie einen ihrer Cameraden verwundet an einer Eiche liegend finden würden. Sie möchten, fänden sie ihn noch am Leben, ihm ärztliche Hülfe verschaffen und vor Allem ihn nicht in die Hände der Franzosen fallen lassen. Die beiden Männer mußten das wiederholt versprechen, worauf die Officiere sich entfernten.

Mit dem ersten Morgengrauen gingen sie an die Ausführung ihres Auftrags. Die Frau Häußer erzählt, daß jene Eiche nicht sehr weit vom Wehr entfernt gewesen, denn sie hätten in der Stille der Nacht das Schnaufen von Körner’s Pferde gehört. Da aber das Wehr zum Theil abgerissen war, so mußten die Beiden den Umweg über die nächste Brücke machen, der allerdings längere Zeit gekostet habe. Im Gehölz (es war „im Schönen“ genannt) fanden sie, eben durch das Schnaufen des Pferdes geführt, ohne langes Suchen die bezeichnete Eiche und darunter den verwundeten Officier.

Als sie sich ihm näherten, hielt Körner ihnen in jeder Hand eine Pistole entgegen und rief: „Wer da?“ Die Männer beruhigten ihn mit der Nachricht von ihrem Auftrage und sicherten ihm ihre bereitwillige Hülfe zu. Nur war es, nach der Erzählung jenes Zimmermanns Haugk, nicht sofort möglich, den Verwundeten nach Groß-Zschocher zu bringen, eben weil es darin von Franzosen gewimmelt, und erst als um 4 Uhr ein starkes Trommeln vom Dorfe her den Abmarsch des Feindes anzudeuten schien und sie sich vom wirklichen Abmarsch desselben genau überzeugt, habe man noch mehrere Leute vom Dorfe geholt, um „den Officier, der sich Körner nannte“, in Sicherheit zu bringen.

Die Haugk’sche Erzählung berichtigt jedoch Frau Häußer, indem sie als sicher behauptet, daß damals gar keine Franzosen im Dorfe gewesen seien, daß aber ihr seliger Mann, den man zunächst zum Beistand aufgerufen und ohne welchen die andern Männer ihre Beihülfe nicht gewagt hätten, trotzdem alle möglichen Sicherheitsmaßregeln getroffen habe, um auch in’s Dorf keine Kunde von der Anwesenheit eines Lützow’schen Officiers gelangen zu lassen. Er habe von seinen Kleidern einen Anzug zusammengepackt, habe sogleich den alten Chirurg Dietze aus Klein-Zschocher herbeiholen lassen und sei dann zum Pächter[1] Schurig geeilt, um sich von diesem eine Flasche Wein zur Stärkung für den Blessirten zu erbitten, und so ausgerüstet habe er den Weg zum Walde eingeschlagen.

Nachdem man Körner vom Blut nothdürftig gereinigt und er sich an einem Schluck Wein gelabt, kleidete er sich um, Uniform und Waffen wurden sorgfältig verpackt, und dann führte Häußer ihn allein und, um nirgends Aufsehen zu erregen, um das Dorf herum in seine beim Rittergute gelegene Gärtnerswohnung. Die Entfernung von der Eiche bis dahin betrug ungefähr eine Viertelstunde. Außer dem Pächter Schurig, der es sich zur Freude machte, Körner manche kleine Erquickung durch den Gärtner zu schicken, dem Chirurgen Dietze und den wenigen Männern am Wehr, die Alle das treueste Stillschweigen schwuren und hielten, erfuhr im Dorfe Niemand etwas von dem stillen Gaste, selbst die Schwester der Frau Häußer nicht, „denn,“ sagte sie, „wenn’s verrathen worden wäre, wären wir ja Alle erschossen worden, und die Franzosen hätten ja gleich das ganze Gut demolirt“ – und daß diese Befürchtung nicht übertrieben war, dafür zeugen Beispiele genug aus jener Zeit der deutschen Erniedrigung – und Erhebung.

Um so höher müssen wir den Heldenmuth achten, den diese deutsche Frau bei den gefahrvollen Aufträgen bewährte, die ihr noch geworden sind. Während sie die von Blut starrende Uniform Körner’s wusch, hatte dieser, nachdem er vom Chirurg Dietze verbunden und ein wenig der Ruhe überlassen war, sich wenigstens soweit erholt, daß er seinem Drange, seinen Eltern und Freunden Nachricht voll sich zu geben, folgen konnte. Da saß er denn, mit verbundenem Haupte, in dem Dachstübchen des Hauses, und mag aus dem kleinen Fenster, das unser Bildchen uns zeigt, manchen besorgten Blick auf das Dorf und die Flur geworfen haben, während er an dem bescheidenen Tischchen neben seinem Bette die Briefe schrieb, die wir auf S. 119 (Nr. 8) mitgetheilt haben. Wer es aber übernahm, diese Briefe an Körner’s Vater und an den

  1. WS: Im Original Pachter
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_407.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)