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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

legte er europäische Tracht an, bestehend aus einer goldverbrämten Mütze, einem dunkeln bordirten Rock und schwarzen Ueberrock“. [1] Nach der Beschäftigung Vogel’s während seines Aufenthaltes in Wara befragt, gab Mohammed an: „Einen großen Theil des Tages schrieb er und des Nachts sah er mit seinem Glas nach den Sternen.“ – „In der Nähe von Wara befindet sich ein sehr hoher Hügel; der Zugang zum Gipfel desselben ist nur dem Sultan und seinen Großen und solchen Personen, denen er die Erlaubniß ertheilt, gestattet; Dr. Vogel suchte vergebens um diese Erlaubniß nach, hat aber nie versucht, den Hügel heimlich zu besteigen.“ (Hieraus mag sich das u. a. verbreitere Gerücht, der Reisende sei zur Strafe für die Besteigung eines „geheiligten Berges“ hingerichtet worden, erklären.) Als Gründe des Sultans, Vogel zu tödten, gab er an: „Da Bornu und Wadai damals im Kriege begriffen waren, mochte der Sultan glauben, Dr. Vogel sei ein Zauberer, den der Sultan von Bornu geschickt habe, das Land zu behexen.“

Aus einem zweiten Verhör ergab sich, daß der Familienname des Kheighama (d. i. der Bornu-Titel des Seraskiers) Djerma sei, was mit der Aussage von Munzinger’s Gewährsmann stimmt. Mohammed-Ben-Suleiman blieb aber dabei, daß nicht Djerma, sondern der Sultan selbst Eduard Vogel und seine Diener habe umbringen lassen, und fügt hinzu, daß nach vollbrachter That der Sultan anfänglich alle Habseligkeiten des Ermordeten verbrennen wollte, welchem Vorhaben sich aber Djerma widersetzt hätte, worauf er das Teleskop und zwei Mantelsäcke in Besitz nahm; ferner, daß er in Folge mit Djerma über den Besitz von Vogel’s Pferd in Streit gerieth und es trotz Djerma’s Widerspruch für sich behielt. Daraus erklärt sich das Gerücht, daß jenes Pferd die Veranlassung zu Vogel’s Tod gewesen sei. –

Soweit reichen im Wesentlichen die gänzlich unerwarteten, wie es scheint, durchaus zuverlässigen Aussagen eines Augenzeugen. Sehen wir nun, wie es mit dem Verlaufe der deutschen Expedition steht, deren hauptsächlichste Aufgabe eben die Aufklärung von Dr. Vogel’s Schicksal, sodann aber die Vollendung seines Forschungswerkes war.

Die Reisenden von Heuglin und Dr. Steudner kommen – so verdienstlich auch ihre bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten über die Gegenden, die sie nicht besuchen sollten, gewesen sind – bekanntlich nicht mehr in Betracht; sie sind vom Comité aufgegeben, das ihnen schon seit Jahr und Tag keine Geldunterstützung mehr hat zukommen lassen. Seit langer Zeit fehlen alle Nachrichten von ihnen, so daß das übrigens vollständig unverbürgte Gerücht von Heuglin’s Tode hie und da Glauben gefunden hat.

Werner Munzinger und Th. Kinzelbach fanden, nachdem sie sich von dem anfänglich bestellten Leiter der Expedition getrennt und nach langem Krankenlager in Kassala auf nördlichem Umwege den Atbara entlang über Damer nach Chartum gewandt hatten, hier das Mandat vor, selbstständig weiter zu gehen. „Ich hatte,“ so heißt es in Munzinger’s Bericht, „immer den Weg von Tripoli hinein für den fast allein möglichen gehalten, da die Expedition aber einmal von Osten eingedrungen war, konnte daran nichts mehr geändert werden. Um den Bahr-el-Ghazal westlich zu verfolgen, dazu reichten die Mittel bei weitem nicht hin, da bei den jetzigen Zuständen des Weißen Flusses militärische Bedeckung nothwendig ist. Es blieb also nur der directe Weg über Darfur. Es ist bekannt, daß ich auf die Antwort des dasigen Sultans ein Vordringen nicht räthlich glaubte. Der Brief des Sultans erlaubte uns zwar einen Besuch am Hofe von Tendelti, aber erst auf ein neues Schreiben vom österreichischen Consul in Chartum, was uns jedenfalls mehrere Fiebermonate noch in Kordofan aufgehalten hätte. Hoffnung auf Umherreisen in Darfur selbst war keine da, die zum Vordringen gegen Westen kurz abgeschnitten, also war keine Aussicht auf einen wissenschaftlichen Erfolg. Ferner gab uns der Sultan gar keine Garantie für unser Leben, und nach allen Erfahrungen setzten wir uns einer langen, wenn auch ehrenvollen Gefangenschaft in Darfur aus. Ich durfte also um so eher den Rückzug antreten, da ich vernahm, daß der Weg von Tripoli hinein versucht wurde, und zwar von einem ebenso gebildeten, als wahrhaftigen und energischen Gentleman, Herrn v. Beurmann, von dem ich mir Alles verspreche.“ Munzinger und Kinzelbach sind nun schon seit geraumer Zeit, jener nach Stuttgart, dieser nach der Schweiz, zurückgekehrt. Der Erstere gedenkt die vollständigen Resultate seiner letzten Reise in zwei Bänden herauszugeben.

Die Aufgaben, welche der ursprünglich aus so reichen Kräften zusammensetzten und mit namhaften Geldern unterstützten Expedition zufielen, ruhen also gegenwärtig nur noch auf den Schultern des Herrn v. Beurmann. Die letzten Nachrichten über ihn datiren vom 12. August 1862. Derselbe Mohammed, der über Vogel’s Ende berichtet hat, gab auf die an ihn gerichteten Fragen zur Antwort, daß er Herrn v. Beurmann zu Agadem (s. oben) getroffen habe. „Seine ursprüngliche Absicht war, nach Wara zu reisen; als er aber von mir die Einzelheiten von Dr. Vogel’s Tod erfuhr, beschloß er, in Kaskaua – einem am Nordufer des Tsadsee’s gelegenen Orte – an der Grenze zu halten und von jenem Punkte aus dem Sultan zu schreiben und die Herausgabe von Vogel’s Effecten zu fordern. Er wünschte, ich sollte ihn begleiten, aber ich schlug es ab, weil ich einem gewissen Tode entgegen gegangen wäre. Ich sagte ihm, daß sein Leben in Gefahr sein würde, wenn er nach Wara ginge.“ Die beiden Packete, die v. Beurmann dem Mohammed zur Besorgung nach Tripoli mitgegeben, wurden diesem unterwegs des Nachts, als er schlief, mit einem Sacke, in dem sich außerdem noch Kleidungsstücke befanden, von einigen zur Karawane gehörigen Tibbu geraubt. So kam nur der dem Prinzen Edrisi von v. Beurmann mitgegebene Empfehlungsbrief richtig an, der aber Nichts über seine Reisen und Pläne enthielt.

Daß Hr. v. Beurmann dem menschenfreundlichen Sultan von Wadai keine persönliche Visite machen werde, ist wohl nach alledem als sicher anzunehmen; der Wunsch, von Neuem das Leben eines Landsmannes auf’s Spiel gesetzt zu sehen, kann sicherlich keinem Deutschen in den Sinn kommen, jetzt um so weniger, da uns der lange ersehnte Aufschluß über Vogel’s trauriges Schicksal endlich geworden ist. Dagegen steht es zu erwarten, daß die v. Beurmann’sche Expedition sich der von Vogel begonnenen Erforschung der östlich und südöstlich vom Tsadsee gelegenen Gegenden nach Kräften annehmen wird, ohne weitere Rücksichtnahme auf das verhängnißvolle Wara.

Vergessen wir übrigens nicht, daß sowohl die Munzinger-Kinzelbach’sche, als die v. Beurmann’sche Expedition zur Herbeiführung des Aufschlusses über Vogel’s Schicksal wesentlich beigetragen haben; denn die von der ersteren in El Obeid eingezogenen Nachrichten stimmen in der Hauptsache mit den Aussagen Mohammed-Ben-Suleiman’s überein, die letztere hat das Andenken an Vogel in Tripoli wieder geweckt, und wer weiß, ob es ohne diese Anregung dem überlebenden Diener je Ernst mit der Ablegung eines ausführlichen Zeugnisses geworden wäre. Vermuthlich ist v. Beurmann mittlerweile mit dem Sultan von Wadai wegen der Herausgabe von Vogel’s Hinterlassenschaft par distance in Unterhandlung getreten, so daß wir, wenn seine Bemühungen von Erfolg waren, immer noch recht werthvollen Enthüllungen entgegensehen dürfen.

G. Hth.


Die Beguinen in den Niederlanden.
Von Ludwig Storch.
(Schluß.)


Die charakteristische Eigenthümlichkeit des Beguinenwesens ist die Freiheit der Schwestern, zu jeder Zeit und ohne alle nachhaltige Verpflichtung in die bürgerliche Gesellschaft zurückzutreten. Daraus erklärt sich, daß man nur ältere Frauen in den Beguinenhäusern sieht und es gleichsam feststehende Regel geworden ist, daß ein unverehlichtes Weib nicht vor dem 40. Lebensjahre Beguine wird, eine Regel, die sogar durch päpstliche Bullen sanctionirt worden ist. Dieses Lebensalter und das ruhige Temperament der Niederländerinnen

  1. Die nähere Beschreibung dieser Kleidungsstücke paßte genau auf diejenigen, welche Dr. Barth an dem Reisenden gesehen hatte.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_412.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)