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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

so wie die Brüder und Schwestern des freien Geistes in sich aufgenommen und wurden von der Inquisition als ketzerische Secte verfolgt. Diese Verfolgung von Bischöfen, Concilien und Päpsten erstreckte sich über Frankreich, Italien und Deutschland. Die niederländischen Beguinen waren ausdrücklich davon ausgenommen. Wo jetzt noch in einzelnen deutschen Städten sogenannte Beguinenhäuser bestehen, da sind es nur Hospitäler oder Armenhäuser für hilfsbedürftige, unverheirathete Frauen aus dem Bürgerstande.

Nach dem Vorbilde der Beguinen entstanden zu Anfang des 13. Jahrhunderts auch ähnliche Männervereine, welche sich Begharden nannten, sich ebenfalls nach Deutschland und Frankreich verbreiteten, aber schon gegen das Ende des Jahrhunderts als verächtliche und ketzerische Müßiggänger von päpstlichen Bullen, wie von der öffentlichen Meinung verfolgt wurden. In den Niederlanden erhielten auch sie sich reiner, doch verschwinden sie auch hier schon im 14. Jahrhunderte wieder.

Ein Beghardencollegium war eine Gesellschaft eheloser Männer, die zusammen beteten, arbeiteten und aßen, aber keine Gütergemeinschaft hatten. Sie standen unter einem Magister, dem sie Gehorsam versprachen, insofern es das Wohl der Gesellschaft erforderte. Sie hatten ebenfalls keine Regel und konnten, wenn es ihnen beliebte, die Gesellschaft verlassen. Ihre Tracht war einfach, braun, weiß, schwarz oder grau. Viele dieser Gesellschaften traten im Laufe der Zeit in die dritte Regel der Franziskanermönche, andere bestanden fort bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts, wo sie vom Papst Innocenz X. den Tertiariern beigesellt wurden. In Deutschland waren sie schon längst wieder verschwunden. Eine ganz ähnliche Verbindung waren die Lollharden, ebenfalls in den Niederlanden und Deutschland zumeist und um dieselbe Zeit blühend, wie die Beguinen und Begharden, oft mit diesen zusammenschmelzend und zuletzt ebenfalls im dritten Franziskanerorden aufgehend.

Alle diese Erscheinungen im kirchlichen Leben des Mittelalters sind Versuche des deutschen Geistes, gegenüber dem Andrängen und Eindringen des Orientalismns in die germanische Bevölkerung des Abendlandes in Gestalt des Klosterwesens, seinem ursprünglichen nationalen Freiheitsgefühl zu genügen und selbst im religiösen Vereine sich frei zu bewegen. Sie verdienen daher als Manifestationen des Germanismus gerechte Beachtung und Würdigung.


Nach der großen Künstlerversammlung in Antwerpen 1861 bereiste ein deutscher Maler die alten flandrischen Städte und wurde in Brügge wie in Gent von der Erinnerung an einige in neuester Zeit bekannt gewordene Geschichten der Beguinen bestimmt, einen Blick in die alten seltsamen Wohnsitze dieser Körperschaft zu thun.

In hohem Grade gespannt auf die Einrichtungen und das Wesen dieser Halbreligiosen, von dem man ihm so Eigenthümliches berichtet hatte, fragte er sich in Brügge nach dem abgelegenen Quartier durch, wo die Beguinen hausen, und folgte dann den Schritten einer in eigenthümliche dunkle Gewänder gekleideten Frau, die er der Beschreibung nach als eine Beguine erkannte. Sie ging endlich einem alterthümlichen Gebäude zu, welches, jenseits des Flüßchens liegend, mit der Stadt durch eine ziemlich bedeutende Steinbrücke verbunden war, und verschwand in einem großen Thorwege. Der Maler stand vor dem „Prinselyk Beggynhof“ und trat hinein, ohne von einer Pförtnerin oder einem sonstigen einköpfigen Cerberus belästigt zu werden. Ebenso unbehindert durchschritt er die engen Straßen der keinen Stadt mit ihren alterthümlichen Häuschen.

Sie machte zwar wegen ihrer großen Sauberkeit keinen verletzenden, aber doch wegen der überall herrschenden schrecklichen Oede einen unheimlichen und schläfrigen Eindruck auf unsern lebensfrohen Künstler. Die hellen Strahlen einer vollen Augustsonne reflectirten von den schneeweißen Mauern der engen Gäßchen, wo von Zeit zu Zeit eine düstere Mönchsgestalt auftauchte, die eben so schnell wieder in die Thüre eines der Häuschen huschte. Das war eine Todtenstadt, in welcher das Gespenst des Mittelalters, verbleichend im Sonnenstrahl der Neuzeit, umherschlich oder sich vielmehr scheu verkroch.

Wenn unser kunstbegabter Landsmann auch gerade nicht auf galante Abenteuer ausgegangen war und nicht erwartet hatte, classischen Schönheiten zu begegnen, die er in sein Skizzenbuch aufnähme, so wurde er doch durch den Anblick der einzelnen frommen Schwestern, der ihm in sehr spärlicher Weise zu Theil wurde, dermaßen frappirt, daß der Begriff „schönes Geschlecht“ in Gefahr kam, gänzlich in ihm zu Schanden zu werden, und er behauptete: wenn ihre Keuschheit und Tugend ihrer Form angemessen sei, wie zu erwarten stände, so müßten sie wahre Musterbilder eines heiligen Lebens sein. Der Maler stand von jedem Versuch ab, sich mit diesen Brügger Antiquitäten in Berührung zu setzen.

Im großen Beguinenhofe in Gent sah er bald darauf die Baulichkeiten denen des Brügger sehr ähnlich, aber die schmalen Gänge der Gäßchen belebt; denn die Kirche war eben aus, und dem kleinen Ausgange entquoll die große Anzahl der schwarz-weißen Beterinnen. Wie die Fünkchen auf der Kohle eines soeben verbrannten Papiers, eilten sie einige Minuten hierhin und dorthin, theilten sich, verschwanden, und die Ruhe des Kirchhofs lagerte sich auch über dieser seltsamen kleinen Stadt, die, eine Schöpfung längst vergangner Zeit, so gespenstisch belebt und so fremdartig in unsre Tage hereinragt, und in welcher ein deutscher Künstler der Gegenwart wie in einem räthselhaften Irrgarten der religiösen Romantik, die uns „ein Buch mit sieben Siegeln“ geworden ist, herumstieg, um für die „Gartenlaube“, dieser weitverbreiteten Leuchte der Gegenwart, einige Skizzen zu zeichnen, die uns zu den Illustrationen unsres Aufsatzes gedient haben.




Blätter und Blüthen

Die wohlverdiente Aussteuer. Schill, der unerschrockene Soldat, war ganz in der Nähe der Festung Colberg und frühstückte mit einigen Freunden. Da trat ein junges frisches Bauermädchen in’s Zimmer und fragte nach dem Lieutenant v. Schill. „Der bin ich!“ rief Schill, „was wünschest Du, mein Kind?“

„Ich wünsche nichts, aber mein Herr in ...tz läßt Sie heute Nachmittag einladen, Karten zu spielen und Wein zu probiren, Sie würden auch Gesellschaft dort finden – gute Gesellschaft, sagte er.“

„Nun, das sind ja sehr gute Aussichten! Aber was hast Du, Kind?“ frug Schill theilnehmend, „Du siehst verweint aus, hat man Dir etwas zu Leide gethan?“

„Ach ja, Herr Lieutenant!“

„Wer könnte einem so schmucken jungen Mädchen wehe thun?“

„Ach Herr, wenn Sie wüßten – –“

„Sprich, mein Kind, Du darfst mir Alles sagen, ich helfe Dir, wenn ich kann.“

„Sie können mir aber nicht helfen.“

„Wenn nicht helfen, doch rathen!“

„Mein Herr hat mich geschlagen!“ sagte sie schluchzend.

„Pfui doch! Das muß aber doch seinen Grund haben, was hast Du denn verbrochen?“

„Mein Schatz hat mich gegen seinen Willen besucht. Er ist der Kutscher auf dem Hofe und wir sollen einander nicht heirathen, weil wir beide arm sind.“

„Ah! Das ist sehr unfreundlich gegen ein so braves Mädchen. Ich begreife das um so weniger, als Dein Herr doch sonst so freundlich ist und es namentlich mit uns Officieren so gut meint.“

Das Mädchen sah den Lieutenant forschend an. „Meint er es auch wirklich gut, lieber Herr?“ fragte es dann zögernd.

„Du fragst mich, und hast mir erst eben selbst eine so freundliche Einladung gebracht?“

„O Herr Lieutenant, wenn Sie wüßten!“

„Nun, was hast Du denn noch?“

„Ich möchte Ihnen wohl etwas sagen, nur nicht hier!“

„Soll ich Deine Geheimnisse erst in ...tz erfahren?“

„Um Gottes Willen dort am wenigsten! aber jene Herren –“

„Nun, so erzähle mir leise hier in der Ecke, was Dich so schwer drückt.“

Schill, welcher in rosiger Laune war, warf einen schelmischen Blick auf seine Begleiterin und ließ sich bis zur Stubenthür führen. Die anderen Officiere lächelten und wünschten im Stillen ihrem Kameraden Glück zu einem kleinen Abenteuer.

„Herr Lieutenant,“ flüsterte ängstlich die Dirne, „Ihnen droht Gefahr!“

„Giebt es noch eine andere Gefahr, als die für mein Herz?“ sprach Schill, mehr zu seinen Cameraden als zu dem Mädchen gesprochen.

„Kein Scherz mehr, Herr, ich bitte Sie! Bin ich gleich nur eine arme Dirne, und hat mich auch mein Herr ungerechter Weise gemißhandelt, Rache ist es nicht, die aus mir spricht. Aber, Herr Lieutenant, Sie sollen ein so guter menschenfreundlicher Mann sein, und sehen auch so gut und ehrlich aus, daß ich es unmöglich leiden kann, wenn man Sie verrathen – verkaufen will.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 414. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_414.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)