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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

besetzt mit kleinen Hainen und Gehölzen, die aber mir jetzt nur wie grüne Flecken auf dem gelben Sanduntergrunde erschienen.

Von meinem Hügel, an dessen Abhange ich in einem kleinen Dorf-Hotel übernachtete, machte ich mich am andern Morgen in Begleitung eines der Wege kundigen Eingeborenen in besagtes Labyrinth von grünen, gelben, schwarzen Landparzellen und schimmernden Wasserstreifen hinaus, um mir die Sache mehr in der Nähe anzusehen.

Eine Zeit lang verschaffte uns noch der von den Weiherdünen aus im Lande verbreitete Sand trockene Füße und Wege. Bald aber kamen wir in das wässerige „Grünland“ hinab und waren dann genöthigt, uns nach einem Schiffe umzusehen. Wie in Nordamerika alle Ansiedelung mit einer Eisenbahn, so fängt hier in diesen Mooren aller Anbau, jedes Dorf mit einem Canale an. Ein Canal muß vor allen Dingen zuerst von dem Hauptflusse aus in den Busen des Moores hineingeschnitten werden. Er giebt den Zusammenhang mit der übrigen Welt. Auf ihm wird es möglich, den zu beiden Seiten abgeschnittenen Torf zu versenden und zu verwerthen und dadurch dem Colonisten eine Existenz zu verschaffen. Anfänglich ist die ganze Ansiedelung nichts als so zu sagen ein Torfbergwerk, zu dem der Canal den Hauptschacht abgiebt. Je mehr dieses Bergwerk vorwärts und zu den Seiten sich in die Masse einfrißt und den Torf bis auf den Unterboden abarbeitet, desto mehr Wiesen und Ackerfelder kommen an den Tag, und desto reicher und blühender wird das Dorf.

Wir erreichten einen solchen Canal, an dessen Ufern schon viele Ansiedler saßen, überredeten einen derselben, der eben daran wollte, sich zu rasiren, diese Operation zu verschieben, sogar auch seinen anderthalb Zoll dicken Buchweizenkuchen, der schon in der Pfanne zum Imbiß für ihn schmorte, im Stiche zu lassen und sofort mit uns in’s Schiff zu springen, um uns dem auf der andern Seite des „Grünlandes“ liegenden Orte Teufelsmoor zuzuführen.

Ein Moordorf im Teufelsmoor.

Wir fuhren eine Stunde lang aus einem Canale in den andern durch verschiedene Flußarme, lauter kaffeebraune Gewässer ohne Sand und Grand, ohne die von den Dichtern besungenen Bachkiesel, auf lauter Moorgrund fließend, wie sie hier in dem Teufelsmoor nicht anders üblich sind, und durch dichte Gras-, Ried- und Schilfwälder, unter denen überall der braune Spiegel der Moorwasser-Ueberschwemmung hervorschimmerte, und bekamen so endlich das besagte am Rande des Hochmoores gelegene Dorf in Sicht.

Es bot uns Heranschiffenden eine gar anmuthige Front dar, schöne, weitläufige Gehöfte und von Wohlhäbigkeit schimmernde Bauernhäuser unter dem Schatten eines Eichenhaines und mit künstlich geschaffenen Wiesengründen, die zu unseren Grünlandsümpfen hinabfielen und mit Geflügel und Vieh bedeckt waren. Es waren die Besitzungen einiger der ältesten und daher reichsten Colonisten.

Das Land pflegte bei dem Beginne solcher Moorcolonien billig zu sein und als Lockspeise freigebig verschenkt zu werden. Die ersten Anbauer schnitten sich aus dem wüsten Hochmoore die Morgen bei Hunderten heraus. Sie waren trotzdem nicht reich, aber ihre Nachkommen wurden es, da allmählich Alles zugänglicher, besser genutzt und höher verwerthet wurde. Die großen Grundbesitzer konnten zuletzt mit ihren Knechten nicht alle Arbeit, für die sich Aussicht eröffnete, mehr leisten. Sie siedelten daher auf ihren weitläufigen Ländereien Hintersassen oder sogenannte „Achtermeier“ an, die ihnen dafür 12 Tage im Jahre, – d. h. eben so viel Tage, als der Bauer dem Edelmann in der Moldau frohnt, – arbeiten mußten. Und die anfänglich so dürftig sich durchbringenden Torfcolonisten saßen daher am Ende wie vornehme Lehnsherren auf ihren Gehöften.

Die Dinge, nachdem sie einmal in Gang gekommen waren, schritten am Ende so schnell fort, daß jetzt auch schon jene „Achtermeier“ wieder reich und unabhängig geworden sind. Ja sie sind nun sogar bereits mehr eine Last, als eine Hülfe für ihre bäurischen Lehnsherren. Die Verhältnisse haben sich so rasch verändert, daß, was vor 50 Jahren sehr vortheilhaft erschien, jetzt höchst onerös geworden ist. Damals z. B. bekamen die Achtermeier die Erlaubniß, eine Anzahl Kühe auf ihres Lehnsherrn Weide zu treiben und dafür einen Thaler per Kuh zu entrichten. Jetzt aber sind die Weiden und Viehzuchtproducte so werthvoll geworden, daß dieser stipulirte Thaler per Kopf um das Zehnfache hinter dem, was man heutzutage fordern würde, zurückbleibt und natürlich den Grundherrn drückt.

Wir besahen uns einige dieser schönen reichen Gehöfte, die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_461.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)