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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


Deutschlands Turnern.

Ziemt wohl den Söhnen frohe Feier
Und Jubel, der die Luft erfüllt,
Da noch der düstre Wittwenschleier
Der Mutter theures Haupt verhüllt?

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Umsonst an aller Throne Stufen

Erfleht sie Rettung aus der Noth,
Ihr Schmerzensschrei, ihr Hülferufen,
Das ist’s, was hierher Euch entbot.

Und ist’s ein Fest, das wir begehen

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Im Ernste dieser schweren Zeit,

Sei unser fest Zusammenstehen
Von heil’gem Ernste auch geweiht.
Herbei, die Reihen eng geschlossen,
Zum Schwure legt auf’s Herz die Hand:

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Wir weihen gern und unverdrossen

Uns Dir, geliebtes Vaterland!

Frisch gleich dem Grün der deutschen Eichen,
Fromm sonder Heuchelschein und Trug,
Froh bei des Schicksals schwersten Streichen,

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Frei wie zum Licht des Adlers Flug,

So sei des deutschen Mannes Streben,
Er selber frisch, fromm, fröhlich, frei.
Die solche Losung ihm gegeben,
Gut Heil der deutschen Turnerei!

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Sie stählt des Mannes Faust zur Wehre,

Zerreißt was Arm und Sinn umstrickt,
Daß er des Vaterlandes Ehre
Wehrhaft zu wahren sei geschickt,
Sie lehrt die Kraft zusammenraffen

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In treuem, innigem Verband,

Daß Deutschlands Volk, ein Volk in Waffen,
Nach außen hält und innen Stand.

Willkommen, die in solchem Sinne
Von Nord und Süd Ihr Euch geschaart!

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Die Welt voll Feinde werd’ es inne,

Daß muth- und kraftvoll deutsche Art.
Erprobt das Mark der schmeid’gen Glieder
In reger Wettlust frohem Spiel,
Von Reck und Barren ruft hernieder

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Euch bald ein ander, ernster Ziel.


Hier hat das Volk die Schlacht geschlagen,
Die Deutschlands Freiheit einst erneut;
Hier sei zu künft’gen Erntetagen
Jetzt frischer Samen ausgestreut.

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Und hallen einst die Siegesglocken,

Dann prangt in wahrem Festesglanz
Auf uns’rer Mutter gold’nen Locken
Der ewig grüne Eichenkanz!

Albert Traeger.


Ein Polterabend.
Von J. D. H. Temme.
(Schluß.)

„Und jetzt, mein Herr von Föhrenbach,“ sagte ich mit erhobener Stimme, „werden Sie sich auch des Namens erinnern, den Sie damals führten?“

Sein verhaltener Zorn brach los. Er stellte jetzt jene Frage an mich, die ich vorhin gefürchtet hatte, der ich hatte begegnen müssen, die mir jetzt nur ein Lächeln abgewinnen konnte. Er war in meiner Gewalt, ganz und gar, für jenen ersten Mord, für die Untersuchung des zweiten.

„Mein Herr,“ sagte er, „wer giebt Ihnen ein Recht zu Ihren Fragen an mich?“

„Meine Stellung als Criminalrichter, denke ich,“ sagte ich ruhig.

„Sie mögen,“ erwiderte er höhnisch, „hier Criminalrichter sein; Sie sind es nicht für Untersuchungen, die anderthalbhundert Meilen weit geführt, und zudem längst abgethan sind.“

Ich blieb ruhig, kalt.

„Sie sind da in einem doppelten Irrthume, mein Herr von Föhrenbach, denn so werde ich Sie so lange nennen, bis es Ihnen gefällig ist, mir selbst Ihren wahren Namen zu nennen. Ihr erster Irrthum ist, daß jene Untersuchung abgemacht sei. Sie wurden durch das Erkenntniß nur vorläufig freigesprochen. Das hat den Sinn, daß die Untersuchung nur vorläufig gegen Sie ruhet, bis neue Verdachtsgründe, Anzeigen, Indicien, wie wir es nennen, gegen Sie ermittelt werden. Sie kann, sie muß dann jeden Augenblick sofort wieder neu aufgenommen werden.“

Er war doch still geworden und erwiderte nichts. Aber er sah mich fragend, lauernd an. Ich fuhr mit meiner kalten Ruhe fort.

„Ihr zweiter Irrthum, Herr von Föhrenbach, war, daß jene Untersuchung mich hier nichts angehe. Wo für eine Untersuchung, sei es eine neue oder eine alte, sich Indicien herausstellen, da hat jeder Richter, der sie ermittelt, sei es in welcher Gegend des Staates

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 481. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_481.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)