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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Ich verließ die Anstalt mit großer Freude. Wenn auch die Aussichten auf eine deutsche Flotte augenblicklich nicht die besten sind, so muß und wird doch endlich das von Millionen angestrebte Ziel erreicht werden. Dann wird die Hamburger Seemannsschule eine doppelt wichtige Bedeutung erhalten und der deutschen Kriegsmarine zur Vertheidigung der vaterländischen Küsten eben so wackere Seeleute liefern, wie sie jetzt der Handelsflotille Deutschlands tüchtige Steuermänner und Capitains bildet.





Ein Geburtstagswunsch für Herzog Ernst von Coburg-Gotha
und des Fürsten Antwort an den Dichter.




Der Wunsch.
Am einundzwanzigsten Juni 1863.

Es trübt sich zu, der Himmel blickt
Von Wolken schwer zur deutschen Erde.
Wenn Gott uns jetzt ein Wetter schickt –
Wer kündet, wie es enden werde?
Ist unten doch wie oben Spiel
Des leichten Sinns und Frevels Mode!
Es steckt die Hast sich Ziel an Ziel
Und hetzt die deutsche Kraft zu Tode.

Die jubeln in den Tag hinein
Ob unsers Siegs vor fünfzig Jahren –
Und sehen nicht den Feuerschein
Der tückisch züngelnden Gefahren.
Sie ziehen stolzerfüllt von Fest
Zu Fest mit schwarz-roth-goldnen Fahnen,
So weit man die sie tragen lässt –
Nur was uns droht, will Keines ahnen.

Und Jene sä’n der Zwietracht Gift
In’s eigne Land, den Muth zu brechen,
Der, wenn des Unglücks Pfeil sie trifft,
Allein sie retten kann und rächen.
Sie stützen keck im Hinterhalt
Ein fremdes Haus, für das sie wachen –
Und wissen nicht, wie bald, wie bald
Des eignen Hauses Balken krachen!

In solcher wetterschwülen Zeit
Erhebt den Geist der tief Gebeugten
Ein Fürstenherz, dem Volk geweiht,
Ein Mannesang’ voll Wetterleuchten.
An Ihm hebt sich das Volk empor,
Auf daß es fest zu halten wage,
Was es so bitter oft verlor:
Die Hoffnung bessrer deutscher Tage.

Um dieses Trostes willen kann
Des Herzens Stimme heut nicht schweigen,
Es sei mein Lied Dir, Fürst und Mann,
Vom Volkesdank ein kleines Zeichen.
Der Himmel führe Deinen Geist
Und Du das Volk des Heiles Pfade,
Daß segnend einst die Welt Dich preist:
Er war ein Fürst „durch Gottes Gnade“!

Fr. Hofmann.


Die Antwort.


Mit Ihren tiefempfundenen, herzlichen Worten haben Sie mir eine große Freude bereitet, mein bester Hofmann, und ich kann nicht umhin, Ihnen persönlich meinen wärmsten Dank auszusprechen.

In gebundener Sprache, im duftenden Kleide der Poesie haben Sie der tiefen Prosa der Zeit die richtigen Worte verliehen.

Ja wohl, die Zeit ist trüb! Zwietracht und Schwäche auf den Thronen, Mißgunst und Eigenliebe im Schooße der Parteien; viel hohle Phrasen und schöne Worte, wehende Fahnen und donnernde Hochs!!

Wo sind die Handlungen, wo die Thaten?

In tiefer Trauer schlägt das Herz des wahren Patrioten, und wehmüthig schweifen seine Blicke umher nach Gesinnungsgenossen. Ruhiges Erwägen, großherziges Selbstverleugnen, unbedingtes Unterordnen unter die erwählten Führer fehlen, nicht Muth und Begeisterung.

O möchte das deutsche Lied, der fromme deutsche Sänger, dem Volke vor Allem jene Tugenden preisen! Nur durch sie können wir einst werden: ein freies Volk „durch Gottes Gnade“.

Coburg, 1/7 63.

Ihr ergebener
Ernst.



Blätter und Blüthen.

Die Gelehrten des Kladderadatsch. Unter den Berliner Schriftstellern nehmen die „Gelehrten des Kladderadatsch“ eine eigenthümlich eximirte Stellung ein. Sie bilden eine besondere Trias, zu der noch der geistvolle Maler Scholz und der Besitzer des eben so einträglichen als allgemein verbreiteten Witzblattes, der Verlagsbuchhändler Herr Hofmann, treten. Der Ursprung des Kladderadatsch verliert sich in nebelgraue, mythische, vormärzliche Zeiten. Damals bestand in Berlin eine zwanglose Gesellschaft von Künstlern, Schriftstellern und Privatleuten, welche sich wöchentlich versammelten, eine geschriebene Zeitung voll Witz und Geist herausgaben und den damals noch nicht gekannten „höheren Blödsinn“ mit besonderer Liebe pflegten. Mitglieder dieser Gesellschaft, welche „das Rütli“ hieß, waren unter Andern der bekannte Feuilletonist Kossak, der Musikdirector Truhn, einer der geistvollsten Gesellschafter, Gottschall, Titus Ullrich, Ernst Dohm, Rudolph Löwenstein etc. Es wurde gescherzt, gelacht, die Thorheiten der Gesellschaft und des Tages verspottet und von Scholz, dem lustigen Carricaturenzeichner, illustrirt. Im Jahre 1848, wo die gewonnene Preßfreiheit auch den Witz entfesselte, entstand in diesem Kreise die nahe liegende Idee, ein humoristisches Blatt öffentlich herauszugeben. Bald wurde auch der geeignete Verleger gefunden, und eines Tages erschien der Kladderadatsch, der seinen drastischen Namen dem witzigen Possendichter D. Kalisch verdankte, welcher als der eigentliche Begründer des genannten Blattes angesehen werden kann. Der lustige, übermüthige, aber stets den Nagel auf den Kopf treffende Geselle fand in Berlin die freundlichste Aufnahme, sein Ruf verbreitete sich mit jedem Tage, und mit ihm wuchs die Zahl der Abonnenten, wenn auch damals noch in bescheidenem Maße. Die kühne Sprache, der schneidende Witz und die Bekämpfung der nur zu allgemein verbreiteten Phrasen erregten ein ungewöhnliches Aufsehen und verschafften dem Blatte zahllose Leser und Freunde.

Die der Bewegung aus dem Fuß folgende Reaction bedrohte jedoch das junge Leben des allzukecken Burschen; der über Berlin verhängte Belagerungszustand zwang ihn auszuwandern und zunächst nach dem nahen Freienwalde, später nach Leipzig zu flüchten, von wo er im Verlage von Ernst Keil nach wie vor seine spitzen Pfeile auf die herrschende Reaction abschoß, indem er trotz der traurigen Zeiten weder seinen Humor, noch seinen Muth verlor. Nach dieser überstandenen Krisis kehrte er lächelnd, im Kampf mit der Gewalt erstarkt und gereift, nach Berlin zurück, wo er seitdem einen glänzenden Aufschwung nahm und nach und nach eine europäische Berühmtheit erlangte. An seine Spitze trat jetzt als Redacteur der geistvolle Ernst Dohm, welcher mit seltenem Takt seitdem das Witzblatt leitete und ihm seinen Charakter und feste Haltung gab. Dohm selbst war ursprünglich zum Theologen bestimmt und studirte in Halle; verließ jedoch die kirchliche Laufbahn und arbeitete längere Zeit an dem von Professor Gubitz herausgegebenen „Gesellschafter“ und anderen Zeitschriften, für die er Feuilletonartikel und Theaterkritiken schrieb. Er besitzt eine classische Bildung, gediegene Kenntnisse, besonders der neueren Sprachen, vor Allem aber jenen schon gerühmten Takt und eine bewunderungswürdige Feinheit des Urtheils. Diesen Eigenschaften verdankt der Kladderadatsch seine geistige Ueberlegenheit, indem der einsichtsvolle Redacteur dafür Sorge trägt, daß die aufgenommenen Artikel nie trivial werden und selbst den Geschmack des Gebildeten befriedigen. Sein großes Wissen und seine Belesenheit bekundet er in der Anwendung von jenen Citaten aus bekannten Schriftstellern, welche meist in wunderbarer Weise das Schwarze treffen; seine eigentliche Domaine ist nicht der sogenannte höhere Blödsinn, sondern der feinere Witz, den er auch in der Form auf das Sauberste und Schärfste zuzuschleifen versteht. Im gewöhnlichen Leben und im Umgange erscheint der gefürchtete Redacteur des Kladderadatsch als ein liebenswürdiger, harmloser, geistvoller Gesellschafter von einer Gutmüthigkeit und Sorglosigkeit, welche ihm schon manche große Verlegenheit bereitet hat. Hülfreich für Alle, für Freunde, Bekannte und selbst Fremde, denkt er nicht an sich und seine eigenen Verhältnisse.

Wie Dohm den Geist und den Takt, so vertritt Rudolph Löwenstein das Gemüth, die eigentliche Poesie des Kladderadatsch. Auch er studirte ursprünglich in Breslau Philologie und war zum Pädagogen bestimmt. Frühzeitig entwickelte er sein poetisches Talent und schon auf der Universität machte er sich als junger, begabter Lyriker bekannt. Später veröffentlichte er jene reizenden „Kinderlieder“, die sowohl durch ihren eigenen Zauber wie durch die köstlichen Compositionen des Musikdirectors Taubert sich einer großen Beliebtheit erfreuen. Die Ereignisse des Jahres 1848 verwandelten den sanften Lyriker in einen energischen Politiker; statt naiver Kinderlieder schrieb jetzt Löwenstein geharnischte Leitartikel für ein von ihm redigirtes Volksblatt. Nebenbei betheiligte er sich an dem damals emportauchenden Kladderadatsch, dessen Redaction er in den schwierigsten Zeiten nicht ohne persönliche Gefahr während des Exils in Freienwalde und Leipzig leitete. Hauptsächlich ist ihm der poetische Theil zugefallen, jene sinnigen oder schalkhaften Gedichte, die besonders den Frauen gefallen und sich durch ihre meisterhafte Formvollendung und dichterische Empfindung auszeichnen, obgleich ihm auch der scharfe Witz nicht fehlt. Auch Löwenstein besitzt ein seltenes gesellschaftliches Talent; er ist ein Meister im Improvisiren von geistreichen Trinksprüchen und Toasten, ein allezeit fertiger Gelegenheitsdichter im Goethe’schen Sinne und in dieser Beziehung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_495.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)