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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

den Farben aller Bundesstaaten umgeben, und so ergab sich hieraus die höchst sinnige Erklärung des Ganzen von selbst: daß nämlich die hier zusammenströmenden deutschen Männer ohne Unterschied des engeren Vaterlandes in den Mauern Leipzigs und unter dem Schutz seiner Behörde zu jeder Stunde willkommen seien. Die Süddeutschen, welche Meister sind in der Kunst, ihre heimischen Volksfeste durch die sinnreiche Anbringung prächtiger Kernsprüche nicht wenig zu heben, werden freilich einen gleichen Schmuck hier fast allgemein vermißt haben, doch steht hierin unseren süddeutschen Brüdern längere Erfahrung und öftere Gelegenheit zur Erprobung solcher Künste zur Seite.

Besonders glanzvoll ausgestattet war der Eingang der Grimmaischen Straße, und einen nicht weniger günstigen Eindruck machte die Ausschmückung der Petersstraße, die zu beiden Seiten fortlaufende Reihen blumenumwundener und mit Flaggen gezierter hoher Masten zeigte. Viel Beifall fand die Festdecoration eines Eisenhändlers, welcher aus den verschiedensten eisernen Werkzeugen ein großes Tableau zusammengesetzt hatte, in dessen Mitte vier eiserne Winkelmaße die vier turnerischen F bildeten. Jahn’s und Arndt’s Büste waren zu beiden Seiten angebracht, und ringsherum zog sich als Inschrift der Anfang des Arndt’schen Liedes:

Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
Der wollte keine Knechte!

Eine ebenso originelle Verzierung hatte, in einem nur wenig von den fremden Gästen betretenen Hausdurchgange, ein Eierhändler angebracht. Zwischen grünen Blättern glänzten lange Guirlanden von – Eiern in der Reihenfolge von schwarzer, rother und goldener Färbung. Diejenigen aber, welche diese seltsame Verzierung lächelnd betrachteten, ahnten vielleicht nicht, daß in jenem unscheinbaren Durchgange ein wahrhaft großartiger Eierhandel betrieben wird, der von Jahr zu Jahr zunimmt, und schon jetzt setzt der einfache, bescheidene Mann jährlich gegen 2½ Millionen Stück Eier um, die aus Schlesien, Westphalen und Thüringen hierher geliefert werden.

Auch am Sonntage trafen noch immer Turngäste ein und zwar darunter viele, die sich erst nachträglich entschlossen hatten. So wurde z. B. von den Nürnbergern Turnern der herliche und glänzende Empfang am Sonnabend Nachmittag voller Freude telegraphisch nach ihrer Heimath gemeldet, und dort entschlossen sich in Folge dessen noch eine Anzahl Nachzügler, auf der Stelle zu ihren Turngenossen in die Feststadt zu eilen. Nicht ohne einige Sorge wegen des Unterkommens, da sich sich vorher nicht angemeldet hatten, trafen sie hier am Sonntag ein, aber noch ehe sie den Weg vom Bahnhofe bis zur inneren Stadt zurückgelegt, waren sie auch sämmtlich bei freundlichen Bürgern, die sich sofort auf der Straße zu ihrer Aufnahme freudig erboten hatte, vortrefflich untergebracht. Mag auch die glänzende Aufnahme, welche die Nürnberger vor zwei Jahren den fremden Sängern bei ihrem großen Feste bereiteten, von Manchem als Grund für die Vorliebe für die biederen Bürger der alten Reichsstadt angeführt werden, so sind doch noch eine Menge ähnlicher Beispiele, welche andern Landeskindern begegneten, bekannt geworden, und der Wohnungsausschuß mußte oft genug die betrübte Klage einzelner Quartiergeber hören, daß die ihnen zugesicherten Turner nicht erschienen seien und höchst wahrscheinlich von anderen zungenfertigen Turnerfreunden ihren rechtmäßigen Wirthen abspenstig gemacht worden wären. Diese Klagen waren gewöhnlich nur durch zugesagten raschen Ersatz zu stillen.

Während auf dem im Schützenhause abgehaltenen Turntag Vereinsangelegenheiten besprochen und als Ort für das nächste allgemeine deutsche Turnfest 1866 Nürnberg gewählt wurde, fand draußen in der früher schon ausführlich beschriebenen Festhalle das erste große Festmahl statt, welches außerordentlich zahlreich besucht war. Die dabei ausgebrachten Toaste haben die verschiedenen politischen Tagesblätter schon berichtet, und es genügt deshalb wohl auch nur die Bemerkung, daß alle von Begeisterung für das große, allgemeine Vaterland durchweht waren. Dem Könige von Sachsen, der beim Fest leider nicht erschien, übersandte die Turnerschaft Deutschlands auf telegraphischem Wege ein aufrichtiges Gut Heil und erhielt dafür auf gleiche Weise einen Dank zurück.

Weit über funfzig telegraphische Festgrüße, darunter deren aus Amsterdam, Triest, Reval, Worms, Memel, u. s. w., gingen während der Festtafel ein, aber bei Ausdehnung der Festhalle und der Menge an Theilnehmern verhallte so manches bedeutende Wort, so mancher tief-ernste Gruß ungehört, oder war nur für die der Rednerbühne zunächst Sitzenden vernehmbar. Dagegen war der gesellige Verkehr zwischen den Festgenossen ein ungemein belebter, und als die charakteristische Seite des sich schon jetzt immer herzlicher gestaltenden festlichen Verkehrt muß hervorgehoben werden, daß nicht etwa ein ängstliches Bestreben nach der ausschließlichen Vereinigung von Landsmannschaften hervortrat, sondern daß man grade mit richtigem Takte die nationale Bedeutung einer solchen großartigen Zusammenkunft in dem innigsten Verkehr der sonst durch weite Länderstrecken von einander getrennten Festgenossen suchte. Man darf in dieser Hinsicht wohl blos an das echt freundschaftliche Band erinnern, welches während der ganzen Festtage die Schleswig-Holsteiner mit den Tyrolern vereinigte; doch gab es solcher Beispiele im Großen und Einzelnen noch viele, während von einem selbstsüchtigen Abschließen oder einem stolzen Zurückziehen auch nicht die geringste Spur zu bemerken war.

Wie fast bei allen großen Festen die Turner und Sänger sich einander mit brüderlicher Hülfe unterstützen, und wie auf diese Weise eine Art von Zusammengehörigkeit Beider sich herausgestellt hat, so waren auch die Sänger Leipzigs (900 an Zahl) zusammengetreten, um durch eine große musikalische Aufführung in der Festhalle am Sonntag Abend den gesammten Festgästen eine Huldigung darzubringen. Ein für diese Gelegenheit eigens bestimmter Festgruß eröffnete die musikalische Feier, welche den Gästen meistentheils die vorzüglichsten Compositionen anerkannter deutscher Tondichter vorfürhte. Leider verhinderte jedoch die auf akustische Wirkung nicht berechnete Bauart der Festhalle die von der Sängertribüne entfernter Sitzenden, den musikalischen Vorträgen zu folgen; dagegen wurde von dem näher befindlichen Festpublicum den Sängern enthusiastischer Beifall gezollt.

Während des ganzen Tages war aber auch draußen auf dem kolossalen Festplatze und in den verschiedenen hier errichteten Restaurationen ein außerodentlich reges Leben. Ueberall sah man die Turngenossen im freundschaftlichen Verkehr mir den Bürgern und deren Familien; auf Aller Mienen war mit glänzenden Zügen zu lesen, welch herzliches Wohlgefallen man aneinander fand. Die Turner gaben fortwährend ihre ungeheuchelte Freude über die ihnen von allen Seiten entgegengebrachten Aufmerksamkeiten zu erkennen, und die Bewohner der Stadt erklärten ebenso offen, daß auch selbst ihre kühnsten Erwartungen durch das Fest schon jetzt übertroffen seien. Wo war nun die Scheu hin, welche noch vor so kurzer Zeit mancher Bedenkliche vor dem Feste gehabt hatte? Wenn es aber wirklich hier und da immer noch erst halbbekehrte Gegner des schönen Festes geben mochte, so sollte auch für diese am morgenden Tage das Stündlein der reuigen Umkehr schlagen.[1]




Kleiner Briefkasten.

Leop. W–r in Heidelberg. Alle Anerkennung Ihrer braven patriotischen Gesinnung; ringen Sie nach einer gleichen wissenschaftlichen Tüchtigkeit, und Sie werden nicht für den „verlassenen Bruderstamm“ allein ein guter Kämpfer werden. Mit Gedichten, und namentlich solchen, deren gesuchte und schwerfällige Reimart nicht einmal einen poetischen Genuß, geschweige gar zur That entflammende Begeisterung aufkommen läßt, wirkt man Nichts für die ernste Sache.

M–n in H. Wenden Sie sich nach Prag oder Reichenberg, wo man Ihnen gern die Bezugsquellen der geschmackvollen österreichischen Turnanzüge nennen wird.

E. M. bei Helmstedt. Für einen „sechzehnjährigen Bauernknaben“, wie Ihr Brief versichert, sind allerdings Ihre Arbeiten aller Anerkennung werth; wenn auch die „Gartenlaube“ noch keinen Gebrauch davon machen kann, so muß sie wenigstens den Wunsch aussprechen, daß sich für Sie eine wohlthätige Hand finden möge, die Sie auf den entsprechenden Lebensweg führt.


L. in Z. Wie oft sollen wir wiederholen, daß die Redaction der „Gartenlaube“ Gedicht-Manuscripte niemals zurückschickt? Sollen wir die Couvertfabriken und die Post reich machen?


Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
  1. Die auf das Turnfest bezüglichen Illustrationen werden in zwei bis drei Wochen erscheinen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 544. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_544.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)