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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)


Einige Stunden später sehe ich einen Schiebkärrner ein Eimerfaß in das von mir bewohnte Haus fahren, und gleich darauf bringt mir mein Dienstmädchen folgenden Brief:

„Ich komme so eben von Uhland, wo ich Ihren Brief las. Für Abhülfe der größten Noth hat er gesorgt; ich schicke Ihnen ein Fäßchen guten Wein, damit Sie sich mit Herrn G. frohen Muth trinken. In Schwaben soll kein Dichter traurig sein. Herrn G. wird ganz gewiß geholfen werden.            Gustav Schwab.“

Wie soll ich das Erstaunen und die Rührung, die mich während des Lesens überkamen, schildern! Das war wieder ein Schwabendichterstreich, der mir die Thränen in die Augen trieb.

G. ließ nun seine Frau von Nürnberg kommen, und ich gab jetzt Beiden, wie früher ihm allein, Monate lang freie Kost und Wohuung. Auf Uhland’s und Schwab’s Verwendung erhielt G. noch im Herbst eine Anstellung bei der Allgemeinen Zeitung in Augsburg. Ob er sich bei Uhland und Schwab bedankt, weiß ich nicht, zweifle aber daran. Mir dankte er, indem er kleine Geldsummen, die ich bei einer dortigen Verlagshandlung stehen hatte, hinter meinem Rücken zu erheben versuchte, und bei der Abreise mit dem Vorwurfe, ich habe ihn und seine Frau nicht anständig genug bewirthet, ich sei nicht werth, einen solchen Gast, wie er sei, zu beherbergen.

Während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes bei mir war er spazieren gegangen und hatte keine Feder angerührt, kein Buch angesehen, sondern nur immer von den unsterblichen Werken gesprochen, die er schreiben werde.

In seiner Stellung in Augsburg blieb er kein volles Jahr. Die Julirevolution rüttelte seinen Genius plötzlich aus der Lethargie empor. Und nie hat ein Hochrother heftigere Ausfälle gegen eine Regierung drucken lassen, als G. gegen die baierische. Sein Styl bestand eigentlich aus lauter Keulenschlägen, die vorzüglich gegen den König gerichtet waren. Das ließ sich nicht wegleugnen, es war Geist in seinem Radicalismus. Er war einer der wenigen Jakobiner des südlichen Deutschlands und hatte sich in den unteren Schichten der Gesellschaft schnell einen nicht gering zu schätzenden Anhang verschafft. Kaum war die Sturmfluth etwas verlaufen, so wurde er verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen Majestätsbeleidigung zu mehrjähriger Festungshaft verurtheilt. Seine Familie fiel der öffentlichen Mildthätigkeit anheim, und wenn ich einer mir zugegangenen Sage Glauben schenken darf, so haben sich Uhland und Schwab im Stillen dabei betheiligt.

Nach seiner Entlassung wandte sich G. mit den Seinigen nach der Schweiz, wo er in der S.’chen Buchdruckerei in A. eine Anstellung als Corrector fand.

Die Leute, von welchen ich in dieser kleinen Episode zu berichten hatte, sind fast alle todt: ob G. noch lebt, vermag ich nicht zu sagen. Ich habe nichts wieder von ihm vernommen. Wenigstens hat er von den Hoffnungen und Erwartungen, die er vor vierzig Jahren in so hohem Grade zu erwecken verstand, keine einzige erfüllt.




Wilhelm Bauer’s unterseeische Fahrten.
Von Fr. Hofmann.
1.
(Mit Abbildung.)

Jetzt, nachdem für eine Erfindung unsers Wilhelm Bauer auch in Deutschland der Sieg ein vollendeter ist, nachdem er den ehemals baierischen, nun seinen Dampfer „Ludwig“ aus der Tiefe von mehr als 70 Fuß gehoben, auf dem Niveau transportirt und endlich ausgepumpt und wieder flott gemacht hat – in jeder Beziehung ein Meisterwerk der Schiffhebung, wie die Welt noch keines gesehen! – jetzt, hoffen wir, ist auch für die übrigen Erfindungen Bauer’s in Deutschland das volle Vertrauen gewonnen, jetzt erst ist die Zeit gekommen, wo wir sie unseren Landsleuten vorführen können mit der Zuversicht, daß ihnen die rechte Beachtung zu Theil werde.[1]

Wir gehen mit diesem Artikel zu der ersten Erfindung Bauer’s zurück, welche die Grundlage aller späteren ist: zur unterseeischen Schifffahrt.

Die unterseeische Schifffahrt ist bis jetzt vernachlässigt worden, weil für das Hauptseevolk der Erde bis heute durch eines jener wunderlichen Gesetze, die gerade in England das zäheste Leben haben, die Ausübung derselben untersagt ist, und zwar aus dem Grunde, „weil die Submarine nicht controlirbar sei und darum dem Schmuggel besonders förderlich werden möchte.“ Im englischen Volke selbst hat sie nur vorübergehend Freunde gefunden; im Allgemeinen ist der Stolz und die Zuversicht auf die oberseeische Flotte dort so groß, daß für eine unterseeische bis jetzt das Bedürfniß noch nicht gesprochen hat.

Erst in der jüngsten Zeit wird der unterseeischen Schifffahrt wieder regere Theilnahme zugewendet. Den Anstoß dazu gab unser Wilhelm Bauer, dem die alleinige Ehre gebührt, der erste Erfinder der Submarine zu sein. Denn er ist’s, der zuerst, d. h. im Jahre 1849, also lange vor der Zeit, welcher alle übrigen ähnlichen Versuche angehören, auf den Gedanken kam, das unterseeische Boot vollkommen unabhängig von der atmosphärischen Luft zu machen und ihm dadurch die selbstständigste Bewegung und das Vordringen bis zu Tiefen von bedeutendem Atmosphärendruck zu ermöglichen. Das ist seine Idee, und er hat sie zuerst praktisch durchgeführt und durch 134 glückliche Fahrten auf das Vollkommenste bewährt gezeigt.

Wie in meinen Artikeln „Ein deutscher Erfinder“ (1861, Nr. 41), „W. Bauer’s Taucherkammer“ (1862, S. 331) und „W. Bauer’s Erfindungen etc.“ (1862, S. 566 der Gartenlaube) vorläufig angedeutet ist und wie ich früher schon in Payne’s Panorama des Wissens und der Gewerbe (Bd. 1, S. 207 und 369) zu erzählen Gelegenheit hatte, wurde Bauer durch einen echt patriotischen und soldatischen Trieb auf den ersten Gedanken seiner Erfindung geleitet. Wilhelm Bauer, 1822 zu Dillingen geboren, war, wie sein großer Landsmann Burgschmiet, seines Zeichens ein Drechsler, ehe er seinen höheren Weg im Leben einschlug. Ins baierische Militair eingetreten, diente er sieben Jahre bei den Chevauxlegers,

  1. Wir ergreifen diese Gelegenheit, um denjenigen unserer Leser, welche in den letztvergangenen Monaten noch für „Bauer’s deutsches Tauerwerk“ beisteuerten, die Versicherung zu geben, daß alle noch rückständigen Quittungen über diese Gaben nun in rascher Folge veröffentlicht werden; sie werden Nachsicht mit dieser Verspätung haben, da der Raum in der Gartenlaube in letzterer Zeit zu vielfach in Anspruch genommen war. Zugleich bitten wir alle unsere Leser und alle Freunde und Verehrer W. Bauer’s, in ihrem Sammeleifer noch nicht müde zu werden. Nicht die eigentliche Hebung, die, nach den gemachten Erfahrungen, künftig eine ebenso rasche als verhältnißmäßig billige Operation sein wird, sondern diese Erfahrungen selbst, von der Erprobung des besten Materials zu den Apparaten, bis zu den erforderlichen Stärken aller Eisentheile Taue, Befestigunsweisen etc., haben so bedeutende Summen aufgezehrt, daß, nach der Rückerstattung der zur Ermöglichung der Durchführung der Erfindung gewährten Creditsummen und der Abzahlung der Rückstände Herr Bauer für all sein Wagen, Ringen und Mühen von dem Erlöse für das Schif gar Nichts übrig bleibt.
    Es war ein Freudenruf durch ganz Deutschland, der die Hebung des Ludwig, den Triumphzug einer deutschen Erfindung auf dem Schwabenmeer verkündete; jeder brave Deutsche fühlte den Stolz der Ehre mit, die an der Schweizerküste ein kühner deutscher Geist errungen; so seien wir denn auch dankbar dafür! Ruhen wir nicht, bis wir unserm Wilhelm Bauer verliehen haben, was er im vollsten Maße verdient hat, für seinen deutschen Ehrensieg eine wirkliche und würdige Nationalbelohnung!
    Freunden und Bewunderern dieser Erfindung bietet sich eine neue Gelegenheit, ihre Theilnahme durch die That zu beweisen. Ohne Zweifel ist die Hebung des „Ludwig“ in der Geschichte der Erfindungen ein epochemachendes Ereigniß, das den Gegenstand der Hebung selbst zu einem historisch merkwürdigen macht. Da liegt’s nahe, daß Jeder, dem die Sache am Herzen lag, gern sich im Besitz eines „Andenkens vom Ludwig“ sähe. Das wünscht Hr. Bauer zu ermöglichen; er bietet hiermit alle aus dem Ludwig geretteten Gegenstände und alle zur Erhaltung des Schiffs nicht nöthigen Theile desselben, vom Küchengeschirre bis zum Nagel und Holzstück, mit seinem eigenhändigen Namenszug auf einen Zettel versehen und numerirt, zur Versteigerung an. Mögen nun aus allen Städten und Ortschaften, wo man für Bauer’s Taucherwerk sammelte, die Herren Sammler und Vereinsvorsteher mit ihrer Bestellung von einer genau anzugebenden Stückzahl von „Ludwigs-Andenken“ sich direct an „Herrn Submarineingenieur Wilh. Bauer in Rorschach am Bodensee“ wenden; und mögen die Versteigerungen sich überall eines glänzenden Erfolgs zu erfreuen haben!
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 554. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_554.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)