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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

bis man, auf seine technische Begabung aufmerksam geworden, ihn zur Artillerie versetzte. Als Artillerieunterofficier kam er mit den baierischen Truppen nach Schleswig-Holstein. Hier war es der Ingrimm über die Zerstörungen, welche die dänische Flotte ungestraft an deutschen Küsten verüben konnte, der in ihm den Entschluß erweckte, die feindlichen Schiffe durch eine Art Kriegsbrander zu vernichten. Eine Anfrage deshalb bei seinen Vorgesetzten brachte ihm einen abschläglichen Bescheid ein. Und das war gut, denn nun sann sein reger Geist auf neue Mittel, seinen Plan dennoch auszuführen, aber so, daß er auf seinem Zerstörungswege von Niemand beobachten werden könne. Du mußt ein Fahrzeug haben, sagte er sich, das unterm Wasser fährt und keiner Verbindung mit oben bedarf. Mit diesem Gedanken sprang er über Alles, was mit dem bis dahin alleinherrschenden (sogen. cartesianischen) Princip der Taucherkammer zusammenhing, kühn hinweg und forderte von seinem Tauchapparat, daß er 1) ein hermetisch verschlossener sein müsse, wodurch die in dem Raum desselben eingeschlossene Luft vor jeder Einwirkung der Wassersäulenschwere geschützt sei, daher dem menschlichen Organismus auf gewisse Zeit in jeder Tiefe entsprechend bleibe, – und daß 2) außen an dem Tauchschiffe schwimmende Hüllen, mit Sprengladung gefüllt, angebracht sein müssen, um diese an die feindlichen Schiffe zu befestigen und durch galvanische Batterien zu entzünden.

Bauer erzählt, daß, während diese Idee Tag und Nacht mit ihm herumgegangen sei und nach Gestaltung gerungen habe, er an Jütlands Küste einen Seehund habe ins Meer springen sehen. Da war die Form gefunden und blieb so. Es war natürlich, daß Bauer wegen dieser Bestrebungen viel von seiner Umgebung zu leiden, daß er wegen seiner „verrückten Gedanken“ Spott von oben und unten zu verwinden hatte; er hatte einen Dornenweg betreten, aber das Ziel war des schweren Weges werth.

Das erste Tauchschiff (der Brandtaucher) war ein deutsches, erbaut auf Kosten der schleswig-holsteinischen Armee; durch einen Tag Löhnung derselben und Zuschüsse patriotisch gesinnter Männer und der Admiralität zu Kiel wurde die Summe von 11,500 Mark dafür aufgebracht. „Leider“ – so berichtete damals der Professor der Physik, G. Karsten in Kiel – „standen bei der Ausführung der Erfindung nicht solche Mittel zu Gebote, welche das Schiff nach dem Projekte (des Erfinders) zu erbauen gestattet hätten, vielmehr mußten, um Kosten zu ersparen, wichtige Theile des Apparates durch andere, einfachere, aber auch ungenügendere ersetzt werden. Diesem Uebelstande allein ist das am 1. Februar (1851) erfolgte (im Artikel „Ein deutscher Erfinder“ geschilderte) Verunglücken des Schiffes zuzuschreiben.“ Der arme „Seeteufel“, wie die Seeleute das submarine Boot nannten, liegt, trotz der dänischen Hebeversuche in den Jahren 1855 und 1856, noch heute in seinem Wassergrabe im Kieler Hafen.

Durch dieses Kieler Mißgeschick gerade erst recht von der Richtigkeit und hohen Bedeutung seiner Erfindung überzeugt, legte Bauer dieselbe der Regierung seiner Heimath vor. Da aber Baiern sie nicht verwerthen konnte, so versah König Max den Erfinder mit den nöthigen Reisemitteln, damit er auswärts für sie Boden suche. Bauer wandte sich zuerst an Preußen und Oesterreich, wurde aber von ersterem gar keiner Beachtung, von letzterem nur einer abschläglichen Antwort gewürdigt. Gleiches Schicksal hatten Anfragen im Auslande. Da lenkte eine geistreiche hohe Frau noch einmal die Aufmerksamkeit Oesterreichs auf Bauer. Er wurde nach Triest entboten und bestand dort eine Prüfung seiner Modelle vor dem Kaiser, dem Erzherzog-Admiral, der gesammten Admiralität und einer gemischten Commission, deren Ergebniß die vollkommenste Anerkennung der Richtigkeit und außerordentlichen Wichtigkeit der Erfindung war. Es sollten, nach Protokoll vom 16. März 1852, sofort 50,000 Gulden zum Bau eines Tauchschiffs, und zwar 15.000 Gulden von der Marinecommission, 10,000 Gulden von der Gesellschaft des Lloyd. 10.000 Gulden von der Triester Börse und 15,000 Gulden vom Handelsministerium in Wien, aufgebracht werden. Da gefiel es dem Herrn Handelsminister von Baumgarten, die Erfindung für einen Schwindel zu halten, „weil sie allen physikalischen Gesetzen widerstreite“, – der Widerspruch dieser Excellenz gegen die verbrieften und besiegelten Erklärungen der obersten österreichischen Autoritäten der Fachmännerschaft wirkte ansteckend, die Sache verwickelte sich in einen diplomatischen Hofknäuel, den keine Bemühung mehr lösen konnte, und auch diese Erfindung (wir erinnern an Ressel’s Schraubenschiff!) ging für Oesterreich verloren.

Mit Empfehlungsbriefen von Coburg ging Bauer nun nach England, um seine Erfindung unter den Schutz des Prinzen Albert zu stellen. Dieser geistvolle Mann durchschaute sofort die Großartigkeit und Tragweite derselben, unterstützte Bauer mehrere Jahre und wandte, als die englische Regierung aus den oben angeführten Gründen jede Betheiligung an der Submarine zurückwies, ihr die Theilnahme großer Industrieller zu. Diese Herren, der Leviathanerbauer Scott Russell (in dessen Atelier Bauer sieben Monate lang alle Pläne und Risse zum Tauchschiffe und zu einer unterseeischen Kriegscorvette zeichnete), Charles Fox und Ingenieur Brunel, entblödeten sich nicht, als nicht nur Bauer’s vollständige Zeichnungen, sondern auch zur Ausführung der Erfindung 10,000 Pfd. Sterl. von den Lords Palmerston und Panmure in ihren Händen lagen, dem Erfinder die Thür zu weisen, weil sie nun ohne ihn sein unterseeisches Schiff bauen könnten. So sah Bauer sich beraubt und abermals verlassen zugleich, und entrüstet über solchen „britischen Hochsinn“ kehrte er dem Lande der gekröntesten Selbstsucht den Rücken. Die drei Herren bauten in der That ihr Boot, fügten aber ihrem Bau so viel Neues aus eigenem Genie zu, daß es gleich beim ersten Versuch unterging und mehreren Menschen das Leben kostete.

Als Bauer früher sich – ebenfalls vergeblich – nach Nordamerika gewandt hatte, war ihm von einem nordamerikanischen Consul der Wink geworden: wenn England die Erfindung nicht anwende, so sei nur noch von einem Lande etwas zu hoffen, nämlich von Rußland.

Diesem Wink folgte nun Bauer, und gerade dieser Schritt ist ihm am meisten zum Vorwurf gemacht worden, und zwar ebenso von Nationalitäts-, als von Freiheits-Phantasten. Die Einen schrieen – als es galt, das deutsche Taucherwerk nicht mehr mit Redensarten, sondern mit der Hand im Geldbeutel zu unterstützen – : „Wir geben nichts, denn Bauer hat seine Erfindungen (– und man log dazu: zuerst –) dem Ausland angeboten!“ – Und jene: „Er hat sie dem Despotismus überliefert und sich dadurch der Unterstützung aller Freisinnigen unwürdig gemacht.“ – Aus letzteren Gründen vergaß sogar ein bedeutender deutscher Schriftsteller sich so weit, die Ehre dieser Erfindung lieber einem Spanier (Monturiol, der zehn Jahre nach Bauer mit seinen Versuchen auftrat) zu gönnen, weil dieser die nationale Unterstützung und die der liberalen Parteigenossen dem Regierungsanerbieten vergezogen, als dem Deutschen W. Bauer! – Ihr gelehrten Herren, wer trug denn die Schuld, daß Bauer im Auslande für seine Erfindungen gleichsam herumbetteln mußte? Doch wohl die Vertreter der nationalen und liberalen Presse, die sich um diese Erfindung nicht bekümmerten, die sie als etwas ihrem Gesichtskreis Fremdes ihrem Schicksal überließen. Jetzt ist hoffentlich die Zeit solcher Vorwürfe vorüber: seitdem es uns so rasch gelungen ist, mit der „Gartenlaube“ mächtiger Hülfe, Bauer’s Erfindungen zu einer mit seltener patriotischer Wärme erfaßten nationalen Sache zu erheben, seitdem die Nation in allen ihren liberalen Organen gezeigt hat, daß sie ihren Stolz in diese Erfindungen setzt, seitdem ist nicht nur für Bauer, sondern auch für andere deutsche Erfinder die Aussicht gewonnen, daß sie sich nicht mehr an das Ausland hinzugeben brauchen, um sich und ihre Erfindungen vor der Verkümmerung zu bewahren.

Für die Entwicklung dieser Bauer’schen Erfindung sind wir Rußland sogar Dank schuldig, denn dort wurden Bauer zum ersten Male die Mittel geboten, sein unterseeisches Boot ganz nach seinem Plane zu bauen und damit die Ausführbarkeit dieser in Deutschland bereits dem Spott preisgegebenen deutschen Idee darzuthun. Darum halten wir uns auch mit unserer Beschreibung ausschließlich an dieses Schiff, das außerdem noch existirt, aber als todt, seitdem ihm die Seele fehlt, welche die Bauer’s gewesen ist. Dieser Beschreibung liegen, außer der in diesen Artikeln bereits mehrmals erwähnten Broschüre Ludw. Hauff’s in München („Die unterseeische Schifffahrt etc.“, Bamberg 1859), viele schriftliche und mündliche Mittheilungen W. Bauer’s zu Grunde.

Der russische „Seeteufel“ Bauer’s hat, wie früher der deutsche und der englische, Seehundsgestalt. Er ist 52 Fuß lang, 12 Fuß 6 Zoll hoch und 11 Fuß breit und ganz in Eisen ausgeführt. Um einer Wassersäule von 150 Fuß Höhe widerstehen, d. h. bis in solche Tiefe sicher vordringen zu können, ist die äußere Hülle aus Platten von ½ Zoll Dicke, 2 Fuß Breite und 10 Fuß

Länge zusammengesetzt und durch 3½zöllige Eisenrippen von Fuß

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 555. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_555.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)