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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Dinge manchen Bescheid wußte und darüber mit Interesse, verständig und zugleich mit jugendlicher Bescheidenheit sprach. Der Abend verging uns sehr angenehm. Der Prinz und die Prinzessin von Preußen machten äußerst liebenswürdige Wirthe, indem sie, zwischen den einzelnen Tischen umhergehend, an denen die Gäste bei einem einfachen und zwanglos servirten Mahle Platz genommen, da und dort stehen blieben und sich bald mit Einzelnen, bald mit Mehreren zugleich unterhielten, wobei sie nicht gestatteten, daß der Angeredete sich von seinem Sitze erhöbe.

Wir harrten noch einen Tag in Berlin aus. Auf unsere Erklärung ward uns lediglich eine eingehendere Mittheilung der Regierung direct an die Nationalversammlung in Aussicht gestellt. Interpellationen in den Kammern erfolgten erst nach unsrer Abreise und blieben ebenfalls wirkungslos.

Unsere Rückreise ging durch Mitteldeutschland. In Halle, Weimar, Erfurt, Eisenach wurden wir mit warmen Sympathien und hochgespannten Erwartungen empfangen, die wir freilich sehr herabstimmen mußten. Nur auf der letzten Station geschah uns das Gleiche, was den Schluß unseres ersten Reisetages in Köln so ominös bezeichnet hatte. Die Hanauer Straßenjugend, untermischt mit einigen Erwachsenen, begleitete, im Vollgefühl republikanischen Freiheitsdranges, die ihnen längst verhaßten „Kaisermacher“ bei der Abfahrt mit Pfeifen und Zischen zum Städtchen hinaus.

Im trüben Abendgrauen kehrten wir nach Frankfurt zurück, das wir vor sieben Tagen beim klarsten Morgen verlassen hatten. Es war ein Bild unserer Sendung. Hell und klar lag die Zukunft Deutschlands vor uns, wenn die Hoffnungen, mit denen wir unsere Reise begannen, sich verwirklichten, wenn Deutschland ein Oberhaupt erhielt, umgeben von einer mit kostbaren Rechten ausgestatteten Nationalvertretung. Vor der vollendeten Thatsache würde auch der hartnäckige Widerstand verstummt sein; in der Vereinigung von Ordnung und Freiheit, von monarchischen und parlamentarischen, volksthümlichen Einrichtungen wäre eine Versöhnung und Ausgleichung selbst des strengeren Conservatismus mit dem weitergehenden Demokratismus angebahnt gewesen. Das Ausland hätte schwerlich gegen diese Selbstconstituirung der deutschen Nation etwas Ernstliches unternommen, so wenig, als es dies gethan gegenüber der viel kleineren Schweiz im Jahre 1847; hätte aber eine fremde Macht eine solche Einmischung gewagt, so wäre dies sicherlich der stärkste Hebel für die Befestigung der jungen Einheit gewesen. Deutschland wäre eine Großmacht geworden und hätte als solche den drohenden europäischen Verwickelungen nicht nur ruhig entgegensehen, sondern selbst bei deren Schlichtung ein gewichtiges Wort mitreden können.

Es hatte nicht sein sollen! Eine dunkle Nacht brach nochmals über Deutschland herein – der Unfreiheit und der wildesten Reaction im Innern, der Ohnmacht und Erniedrigung nach außen.

Und doch – ganz fruchtlos sind jene Bestrebungen, ganz eitel sind jene Hoffnungen des Jahres 1848 nicht gewesen! Der Gedanke der deutschen Einheit, wie oft auch seitdem von den Gegnern verlästert, verhöhnt, unter die Füße getreten und zu den Todten geworfen, ist doch immer und immer wieder auferstanden und hat, wie der lebendige Fruchtkeim, jeden, auch den härtesten Widerstand überwunden. Wie im März 1848 unter dem Druck äußerer Verhältnisse, die Regierungen nachgiebig die Hand boten zu dem Versuch einer Neugestaltung Deutschlands, so haben heut die deutschen Fürsten selbst, diesmal ohne äußern Drang und Zwang, lediglich getrieben durch die unwiderstehliche Macht der in der Nation lebenden und mit innerer Nothwendigkeit wirkenden Idee, sich in eben jener alten Krönungsstadt Frankfurt, wo damals das Parlament tagte, versammelt, um den gleichen Versuch von sich aus zu wagen. Neidlos wollen wir, die wir damals unternahmen das große Werk der Einigung Deutschlands zu vollziehen – neidlos wollen wir es ansehen, wenn die erlauchte Versammlung, glücklicher als wir, das hinausführt, woran wir gescheitert. Was damals die Inschrift über dem Präsidentenstuhle in der Paulskirche uns, den freigewählten Vertretern der Nation, mahnend zurief:

Des Vaterlands Größe, des Vaterlands Glück,
O bringt sie, o gebt sie dem Volke zurück!

das rufen heut wir den Fürsten zu. Mögen sie ein Werk schaffen, wie es dem Ganzen frommt! Die Nation wird ihnen dankbar sein und das Gebotene, wenn es die Probe einer unbefangenen Prüfung aushält, nicht darum zurückweisen, weil es auf einem andern Wege zu Stande gekommen, als den wir 1848 beschritten. Der Wege zum Ziele mag es vielerlei geben, das Ziel selbst wird stets nur Eins sein können: eine gesicherte Machtstellung Deutschlands nach außen, feste Bürgschaft des Rechts und der Freiheit nach innen!

K. Biedermann.



Blätter und Blüthen.


Berliner Gespenster. Von jeher war Berlin trotz seiner gepriesenen Intelligenz und Aufklärung ein fruchtbarer Boden für den Aberglauben. Im achtzehntem Jahrhundert trieben hier die sogenannten „Rosenkreuzer“, eine mystische Secte, welche bald mit den Freimaurern, bald mit den Jesuiten und Pietisten in Verbindung standen, ihr frevelhaftes Spiel. Ueberall tauchten kühne Abenteurer auf und rühmten sich im Besitze besonderer Geheimnisse zu sein; sie speculirten auf die vorwaltende Stimmung und Unwissenheit der Menge, auf die Habsucht und Lebenslust der Vornehmen, denen sie unerschöpfliche Goldquellen und die Verjüngung ihrer durch Ausschweifungen aller Art verbrauchten Körperkräfte versprachen. Einer der interessantesten jener Betrüger war der berüchtigte Cagliostro, der als Geisterbeschwörer und Wundermann ganz Europa in Erstaunen setzte und zahllose Gläubige in Frankreich, England, Deutschland und auch Rußland fand, bis er endlich entlarvt in dem Kerker der Inquisition zu Rom starb. Jahre lang täuschte dieser raffinirte Abenteurer durch seine imponirende Erscheinung, durch den Zauber seiner ihm ohne Zweifel zu Gebote stehenden Ueberredungskraft, durch seine Taschenspielerkünste nicht nur den Pöbel, sondern vorzugsweise die sogenannten höheren Kreise und selbst gebildete Männer und Frauen, unter Anderen selbst die edle Elise von der Recke, die bekannte Freundin des Dichters Tiedge. Er rühmte sich im Besitze der alten ägyptischen Priesterweisheit zu sein und erfand ein eigenes maurerisches System, welches er als das der ägyptischen Maurerei bezeichnete und von dem Propheten Elias herleitete. Er selbst stellte sich als den Nachfolger dieses Propheten dar und ließ sich von seinen Anhängern als Groß-Kophta verehren. Den Gläubigen versprach er eine vollkommene Verjüngung ihrer geistigen und physischen Kräfte vermittelst einer wunderbaren Mixtur, von der einige Tropfen genügten, um das Leben auf 50 Jahre zu verlängern. Nach seinen Angaben konnte man durch stete Erneuerung dieses Experiments ein Alter von 5557 Jahren bequem erreichen. Außerdem gab er vor, Hanf in Seide, Blei in Gold verwandeln und aus kleinen Demanten große machen zu können; außerdem verkaufte er ein Schönheitswasser, das besonders von den leichtgläubigen Damen der Haute volée in Paris ihm mit Gold aufgewogen wurde.

In den von ihm gestifteten Logen ließ er auch Geister erscheinen und mittelst eines geeigneten Mediums Engel und Propheten citiren. Zu diesem Behufe wurde ein Kind benutzt, welches die „Taube“ hieß. Cagliostro oder einer der Eingeweihten legte ihm die Hand auf’s Haupt, hauchte es an und rieb ihm den Kopf mit dem „Oele der Weisheit“ ein. Hierauf wurde das Kind in einen Verschlag gebracht, wo es in die Hand oder in eine Schüssel mit geweihtem Wasser blicken mußte, während die Versammlung die vorgeschriebenen Gebete sprach. Sogleich kam der Geist über das Kind; es sah Engel, Propheten und andere Erscheinungen, sprach mit ihnen und erhielt von ihnen passende oder oft auch unpassende Antworten, welche sorgfältig protokollirt wurden. Natürlich waren, wie dies hinlänglich feststeht, diese Kinder vorher von Cagliostro unterrichtet, wie sie sich zu benehmen hätten. So groß war die Gewalt, welche dieser geniale Abenteurer auf die Gemüther seiner Anhänger und Schüler ausübte, daß diese ihn förmlich anbeteten, Stunden lang zu seinen Füßen lagen, ihn wie einen Gott verehrten. Man trug Ringe, Fächer und Medaillons mit seinem Bilde und dem Bilde seiner Frau, und stellte seine Marmorbüste mit der Unterschrift auf: „Divo Cagliostro“. Bekannt ist das Aufsehen, welches die Halsbandgeschichte des Cardinal Rohan verursachte, in die auch Cagliostro verwickelt war. Dieses Ereigniß, welches dem Königthum in Frankreich einen empfindlichen Schlag versetzte und vielfach als ein Vorläufer der Revolution betrachtet wird, gab Goethe die Veranlassung und den Stoff zu seinem „Groß-Kophta“, der das Ebenbild Cagliostro’s sein sollte.

Ein nicht minder interessanter Abenteurer und Geisterbeschwörer war der bankrotte Gastwirth Johann Georg Schrepfer in Leipzig. Aehnlich wie Ciagliostro verstand auch er einen Kreis blinder Anhänger und Verehrer um sich zu versammeln. Zu diesen gehörte unter Andern der Herzog von Kurland, der Conferenzminister von Wurmb, der Kammerherr von Heynitz, der Baron von Hohenthal in Dresden und vor Allen der damals noch in sächsischen Diensten stehende Herr von Bischofswerder, der später nach Preußen ging und eine solch einflußreiche Rolle am Berliner Hofe spielte. Schrepfer hatte vorgegeben, im Besitze unermeßlicher Schätze zu sein, welche ihm die Jesuiten anvertraut und die er seinen Freunden zuwenden wollte. Das ungeheuere Vermögen, das aus mehreren Millionen Steuerscheinen bestehen sollte, war nach seiner Erklärung bei den Gebrüdern Bethmann in Frankfurt a. M. niedergelegt. Diese

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 574. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_574.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2018)