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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Wir kehren in dem von Dir bezeichneten Hause ein und bleiben so lange, bis Du sagst: Der ist’s! Von ihm habe ich den gestohlenen Jakobsthaler gewonnen!“

„Und was dann?“ fragte Krahn. „Meinst Du damit den Dieb ermittelt zu haben?“

„Was ich später thun werde, hängt ganz von den Umständen ab,“ erwiderte Osten. „Es ist möglich, daß ich mich in eine recht böse Geschichte verwickele, daß ich einen kostspieligen Proceß führen muß, vielleicht gar dem Criminalgerichte in die Hände falle. Gleichviel, ich gehe nach Hamburg! Wer meinen Thaler von dem Diebe oder dessen Helfershelfern kaufte, hat jedenfalls noch andere mir zugehörige Werthsachen mit an sich gebracht.“

„Ich begleite Euch,“ fiel der Capitain ein. „Wenn wir mit der Abendfluth aufsegeln, liegen wir noch vor Mitternacht am Baume.“

„Du bleibst hier,“ sagte Heinz Osten gebieterisch. „Dortchen hatte schon rothgeweinte Augen, als ich von ihr ging. Es ist Deine Pflicht, ihr das Herzeleid tragen zu helfen, das die unreine Echte ihr zugefügt! Bilde Dir nicht ein, daß sie Deine Frau wird, wenn ich den Dieb nicht finde und zur Verantwortung ziehen kann, der diesen Tort mir angethan! Es ist eine niederträchtige Vorausberechnung dabei im Spiele, oder ich will nicht ehrlich sein! Wer aber die Schlechtigkeit angezettelt hat und was man eigentlich damit beabsichtigen wollte, darüber kann ich trotz alles Nachdenkens nicht in’s Klare kommen.“

Der Capitain durfte sich Osten nicht widersetzen, wenn er den ohnehin schon sehr gereizten Mann nicht gegen sich aufbringen wollte. Mit Aufträgen an Dortchen und deren Mutter verließ er bald nach Mittag den Baumhof seines Vaters, während dieser mit Osten den Ewer klar machte. Bei Sonnenuntergang tanzte das schlanke Fahrzeug mit seinen rothbraunen Segeln schon mitten auf der Elbe und trieb mit der Fluth schnell stromaufwärts der geräuschvollen Weltstadt zu, welche die beiden Ohllander diesmal nicht in der hoffnungsvollsten Stimmung betraten. Auf dem hohen Thurme der St. Michaeliskirche schlug die Uhr elf, als der Ewer am alten Blockhause, dessen Laterne trübrothe Kreise im weißlichen Stromnebel bildete, geräuschlos anlegte. Am nächsten Morgen erst, nach Oeffnung des Baumes, konnte das Fahrzeug in den Binnenhafen gelangen.


6.

Osten war von Natur zwar leidenschaftlich, durchaus aber nicht unvorsichtig. Bei Allem, was er that, behielt er den eigenen Vortheil im Auge. Diesem konnte er sogar Opfer bringen, unter denen sein besseres Selbst litt. Der Egoismus, die eigentliche Triebfeder seines Handelns, überwand die edleren Regungen in ihm und trug stets den Sieg davon.

Während der nächtlichen Fahrt auf der Elbe hatten die beiden Ohllander hinlängliche Zeit, die für sie wichtige Angelegenheit nach allen Seiten zu erwägen und sich über einen gemeinsamen Operationsplan zu einigen. Die Nachtluft kühlte den leidenschaftlich erregten Osten vollkommen ab, so daß er seinen Gleichmuth und seine Kaltblütigkeit vollkommen wiedergefunden hatte, als sie unter einer Menge anderer Fahrzeuge am Blockhause anlegten.

Am andern Morgen nahmen beide einander befreundete Männer Logis in dem von Krahn bezeichneten Hause. Osten hatte noch niemals daselbst gewohnt, es gefiel ihm aber sehr wohl; denn der Wirth war ein freundlicher, alter, sehr schlau blickender Mann, der sich mit seinen Gästen gern unterhielt, und in Bezug auf Sauberkeit konnte es das Logishaus mit der Wohnung des eigensinnigsten Holländers aufnehmen.

Krahn, als Bekannter des Wirthes, erkundigte sich unter der Hand, ob des Abends noch dieselbe Gesellschaft in seinem Hause verkehre, die er im vergangenen Herbst habe kennen lernen. Der Wirth bejahte und warf dabei einen vielsagenden Blick auf den still beobachtenden Osten, indem er heimlich die Geste des Geldzählens machte. Krahn, welcher diese Bewegung richtig deutete, nickte bejahend mit dem Kopfe. Darauf spielte der Wirth mit seinen Fingern, bis er Gelegenheit fand, acht gegen Krahn aufzuheben. Nun wußte der Ohllander, daß sich um die achte Abendstunde die erwartete Gesellschaft, die in einem Hinterzimmer dreimal die Woche sehr hoch spielte, einfinden werde.

„Wir wollen uns den Leuten nicht aufdrängen.“ raunte Krahn dem Freunde zu, „sondern es an uns kommen lassen, damit wir ihre Manier und ihre Finten kennen lernen. Ist unser Mann dabei, so wird er nicht lange Ruhe geben; denn daß er mit Leidenschaft und in der Regel auch glücklich spielt, habe ich schon im Herbst vorigen Jahres bemerkt. Er hätte es gar zu gerne gesehen, wenn ich mich noch einmal von ihm und seinen Genossen zur Theilnahme hätte bereden lassen. Ich fürchtete aber übervortheilt zu werden und dabei mit allem Gelde auch den Jakobsthaler zu verlieren, an dem mir das Meiste gelegen war. Darum zog ich mich zurück, obwohl sie das sehr übel vermerkten. Fordern sie mich heute zum Mitspielen auf, so darf ich mich nicht weigern, ohne von ihnen des Geizes bezichtigt zu werden und vielleicht gar Streit zu bekommen.“

Osten versprach sich ganz ruhig zu verhalten, bis sich für ihn Gelegenheit finde zur Anknüpfung eines Gespräches. Um die Zeit hinzubringen, schlenderte er den Hafen entlang, machte einige kleine Einkäufe und trat, als es dunkelte, wieder in den „Verkehr zur glücklichen Fahrt“, wie sich das Haus nannte.

Noch vor Acht fanden sich einige Herren ein, die ihrem ganzen Auftreten nach dem wohlhabenden Mittelstande angehören mußten. Der Wirth empfing diese Abendgäste mit zuvorkommender Freundlichkeit und öffnete ihnen das am Tage verschlossene ziemlich große Hinterzimmer. Auch die beiden Ohllander nöthigte er, daselbst einzutreten, indem er bemerkte, die Herren seien da ganz unter sich, würden von Niemand gestört und könnten thun und treiben, was sie wollten.

Erst etwa nach Verlauf einer Stunde ward ein Kartenspiel vorgeschlagen und von den sich Kennenden einstimmig angenommen. Nach einigen Winken lud man die Ohllander ebenfalls dazu ein.

„Ich kenne die Karten nicht und würde nur stören,“ meinte Osten, die Einladung freundlich ablehnend. „Wenn es aber erlaubt ist, so sehe ich zu. Wer weiß, ob ich von den Herren nicht etwas lernen kann?“

Krahn kam der an ihn ergangenen Aufforderung nach und gab sogleich Proben großer Gewandtheit im Spiele. Jeder der Mitspielenden stellte einen großen Stapel blanker Silberstücke, sogenannte Drittel, die zur Zeit unserer Erzählung noch allgemein üblich an der Niederelbe waren, vor sich hin. Hinter seinem Freunde, und so, daß er diesem in die Karten sehen konnte, saß Osten.

(Fortsetzung folgt.)



Eine deutsche Musterfarm

Aller Fortschritt beruht auf den großen Forschungen und Erfindungen, welche uns die Naturkäfte dienstbar machen. Die Druckkraft der Luft, die Fallkraft des Wassers, die Spannkraft der Dämpfe, sie übernehmen, woran früher viel tausend Hände thätig waren; dem Menschen aber bleibt fast nur übrig, die natürlichen Bewegungskräfte in Bewegung zu setzen und zum Stillstand zu bringen, überhaupt die Bewegung zu leiten und zu beaufsichtigen.

Was Wunder, daß die Arbeit immer leichter und ergiebiger wird, daß sich die Productionsfähigkeit in außerordentlichem Grade steigert, daß die blos mechanische Muskelthätigkeit des Arbeiters mehr und mehr durch Naturkäfte ersetzt und dadurch Zeit und Kraft zu geistigerem, rationellem Schaffen gewonnen wird. So ist es in der Industrie, so in der Landwirthschaft; die Maschinen sind gewissermaßen die Sclaven unsers vorgeschrittenen Jahrhunderts geworden, und die menschliche Arbeit geht immer größerer Vergeistigung entgegen. Wenn man den hohen Werth des Ackerbaues für die Fruchtbarmachung des Bodens, für den steigenden Reichthum der Völker, überhaupt für die gesammte Culturentwicklung der Menschheit, in’s Auge faßt, wird man die enorme Wichtigkeit der großartigen Entdeckungen und Erfindungen gerade auf diesem Gebiet zu würdigen wissen. Und in dankbarem Angedenken wird es bewahrt, was nach solcher Richtung hin einzelne hochbegabte Männer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 580. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_580.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)